Danke, Internet! Gamestop saniert sich über Meme-Aktien-Verkäufe

Gamestop sammelt 1,1 Milliarden Dollar ein Quelle: REUTERS

Internet-Kleininvestoren trieben die Gamestop-Aktie ab Januar in die Höhe – auch um Hedgefonds zu schaden. Wer zu spät einstieg, verlor viel Geld. Doch für die Handelskette selbst könnte das nun die Rettung bedeuten.

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Die Videospiel-Handelskette Gamestop nutzt den Hype um die eigene Aktie erneut, um dringend benötigtes Geld in die eigenen Kassen zu spülen. 1,13 Milliarden US-Dollar nimmt das Unternehmen mit der Direktplatzierung von fünf Millionen Aktien an der New Yorker Börse ein. Das Geld soll die Bilanz stärken und in Wachstumsinitiativen fließen, wie das Unternehmen mitteilte. Der Kurs stieg in der Folge zwischenzeitlich um 13 Prozent auf 225,60 Dollar.

Gamestop stand wegen einem massiven Einbruch im Absatz von physischen Kopien von Videospielen seit Jahren immer wieder kurz vor der Insolvenz. Ab Januar 2021 stand die Gamestop-Aktie zusammen mit dem Papier der US-Kinokette AMC im Zentrum des Hypes um sogenannte Meme-Aktien.

Kleinaktionäre auf der Internetplattform Reddit begannen damit, bewusst günstige Aktien ohne gute Zukunftsperspektive aufzukaufen, auf die Hedgefonds große Shortpositionen abgeschlossen hatten – also Wetten auf fallende Kurse. Durch den Aufkauf der Papiere und dadurch steigende Kurse wollten die Investoren des Forums „Wall Street Bets“ die Hedgefonds in den Ruin treiben – und mancher witterte sicher auch einfach ein gutes Geschäft.

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Vor allem aber war es auch ein schräger Witz, der mit jeder Stufe seiner Verselbständigung „lustiger“ für die Investoren wurde: Der Kurs der Gamestop-Aktie stieg bis auf über 400 Dollar, ein Plus zum Jahresbeginn von über 2300 Prozent. Danach ging es aber auch wieder bergab. Kleininvestoren, die zu spät eingestiegen waren, verloren teils viel Geld. Der Kurs sank allerdings nie auf das alte Niveau zurück und im April nutzte Gamestop selbst die Gelegenheit, um über eine Aktien-Direktplatzierung 551 Millionen Dollar an Kapital einzusammeln.

In der Folge entwickelte sich der Kurs positiv, Anfang Juni stand Gamestop wieder bei 344 Dollar, bevor das Papier sich nach der Ankündigung der erneuten Aktienplatzierung am 9. Juni auf etwa 200 Dollar absackte. Das bedeutete zum Jahresbeginn aber immer noch eine Steigerung von über 1100 Prozent.

Gamestop hat inklusive der neuen Platzierungsrunde 2021 insgesamt über 1,6 Milliarden Dollar mit Direktplatzierungen eingenommen. Für das zuvor dauerkriselnde Unternehmen könnte das nun ein wichtiger Teil der Sanierungsfinanzierung werden: Der geplanten Wandel vom veralteten Konzept einer stationären Handelskette für digitale Güter hin zum E-Commerce-Unternehmen für Videospiele und Merchandise ist teuer – aber wohl alternativlos.

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Auch Kinobetreiber AMC, der in Deutschland die UCI-Kinowelten unterhält, profitierte bereits vom Hype um die Meme-Aktien: Alleine im zweiten Quartal 2021 brachten Aktien-Direktplatzierungen 1,25 Milliarden Dollar ein, im Januar hatte man so schon einmal 300 Millionen Dollar eingenommen.

In beiden Fällen wird aus einem teils gefährlichen Spaß nun offenbar schöner Ernst. Teils aus Ironie, teils aus Nostalgie kauften rebellische Internet-Kleininvestoren Anteile von Unternehmen, die als Relikte einer alten Zeit galten, in der Kinos und Videospielläden noch nicht gegen digitale Online-Stores und Streaming-Anbieter antreten mussten. Damit trieben sie die Kurse, auch um Hedgefonds zu ärgern. Vom Verkauf ihrer in der Folge nun viel wertvolleren Aktien können eben diese „alten“ Unternehmen sich nun womöglich in den nötigen Wandel retten.

Es bleibt abzuwarten, wie die Kleininvestoren reagieren, sollte Gamestop sein stationäres Geschäft eines Tages gerade aufgrund dieser Finanzspritze zugunsten ihrer E-Commerce-Ambitionen aufgeben.

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