DB Cargo-Chefin Nikutta „Wir machen keinen Shutdown auf der Schiene“

DB Cargo-Chefin Sigrid Nikutta. Quelle: dpa

Die Güterbahn der Deutschen Bahn schreibt seit Jahren Verluste und jetzt kommt auch noch Corona. DB Cargo-Chefin Sigrid Nikutta über den Einbruch auf der Schiene, neue Chancen in der Krise – und Hilfe vom Staat.

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WirtschaftsWoche: Frau Nikutta, vor wenigen Wochen hat DB Cargo mit dem Pasta Express aus Italien auf sich aufmerksam gemacht. Das Unternehmen hat Nudeln aus Italien nach Deutschland transportiert. In der Coronakrise lassen sich offenbar neue Kunden aus dem Lebensmittelhandel auf die Güterbahn ein. Ist die Akquise neuer Kunden ein dauerhafter Effekt des Lockdowns?
Sigrid Nikutta: Wir beobachten seit Wochen, dass wir neue Kunden für den Schienentransport begeistern können. Wir fahren derzeit verlässlich und pünktlich – und haben gezeigt, dass auf DB Cargo in der Krise Verlass ist. Bei uns gibt es keine Staus an der Grenze. Wir arbeiten jetzt sehr hart dran, dass der Erfolg dauerhaft ist. Ich bin sehr optimistisch, dass wir nach der Krise einige Kunden haben werden, die wir jetzt neu gewinnen konnten.

Wie hat sich denn die Coronakrise auf den Gütertransport auf der Schiene ausgewirkt?
Es gibt einzelne Bereiche, wo wir mehr Güter bewegen als sonst, etwa Zellulose, Getreide oder Propylen für die Produktion von Desinfektionsmittel. Ein Zug aus China liefert bald auch Schutzmasken. Insgesamt fahren wir aber deutlich weniger Güterzüge durch Europa. Zu unseren wichtigsten Kunden gehören Unternehmen aus der Stahl- und Autoindustrie. Die Coronakrise hat dort hart eingeschlagen. Wenn nicht produziert wird, muss nichts transportiert werden. Das merken wir natürlich sehr deutlich.

Wir stark sind dann die Einschläge?
Die Situation bei den Güterbahnen war schon vor der Krise angespannt. Es gab eine konjunkturelle Delle, die wir am Anfang des Jahres gespürt haben. Im März gab es dann durch die Corona-Pandemie ein deutliches Minus von bis zu 25 Prozent. Im April wird der Rückgang noch etwas stärker ausfallen. Wegen Ostern ist ein Jahresvergleich mit 2019 schwierig.

Müsste DB Cargo dann nicht von sich aus den Betrieb stärker runterfahren, um Kosten zu sparen?
Für die Güterbahn ist die Coronakrise auch eine Chance. Wir können zeigen, dass wir den Transport auf der Schiene beherrschen. Wir sind ein verlässlicher Partner der Industrie. Wir fahren daher auch Züge mit geringer Auslastung. Wir nehmen auf unseren Zügen alles mit, was unsere Kunden wünschen. Wir machen keinen Shutdown auf der Schiene. Das wird uns langfristig auch helfen, neue Kunden zu gewinnen und sie von der Schiene zu begeistern.

Die Konkurrenz auf der Straße ist wegen der Krise selbst kaum ausgelastet. Spüren Sie den Preiskampf mit dem Lkw?
Den Preiskampf mit dem Lkw spüren wir deutlich – insbesondere im kombinierten Verkehr. Die Kunden stehen vor der Entscheidung, ob sie den Lastwagen gleich bis an den Bestimmungsort des Transportweges schicken oder ob sie für einen Teil des Weges die Schiene nutzen. Viele weichen auf die Straße aus. Wenn die Preise für den Lkw-Transport dauerhaft niedrig bleiben und sogar weiter runter gehen, wäre das eine fatale Entwicklung zulasten des umweltfreundlichen Verkehrs auf der Schiene.

Sie sind seit Januar Chefin von DB Cargo und hatten eigentlich die Strategie ausgerufen, zu wachsen. Ändert Corona nun alles?
An der Strategie halten wir fest. Wir werden wieder wachsen. Wir werden alles tun, was wir können, damit die aktuelle Situation nicht zu einer Verlagerung des Gütertransports auf die Straße führt. Das wäre vor allem aus umweltpolitischen Gründen fatal.

Was meinen Sie?
Der Schienengüterverkehr ist systemrelevant – in Coronazeiten wie auch in normalen Zeiten. Wir versorgen die Industrie, den Lebensmittelhandel, die Medizinhersteller und viele andere kritische Bereiche mit wichtigen Rohstoffen. Der Schienengüterverkehr ist eine Lebensader der Volkswirtschaft. Ich freue mich sehr, dass sich verschiedene Eisenbahnverbände auf ein gemeinsames Forderungspapier einigen konnten: einen Stabilisierungsfonds, der Mindereinnahmen kompensiert, wenn Züge etwa unterausgelastet den Warentransport in Coronazeiten aufrechterhalten, aber auch steuerliche Entlastungen. Corona darf keine Güterbahn aus dem Markt drängen.

DB Cargo betreibt auch Züge von und nach China. Spüren Sie dort einen Aufschwung?
Wir fahren derzeit auf dem Niveau von Vor-Corona – und rechnen mit einem Zuwachs. Bis Ende des Monats werden 70 Züge von und nach China gefahren sein. Im März waren es noch 50 Züge. Der Zugtransport von und nach China ist mit etwa 12 bis 14 Tagen je nach Route schneller als der Schiffstransport und preiswerter als der Luftverkehr. Wir testen derzeit auch einen kombinierten Transport. Züge fahren bis nach Kaliningrad. Dort werden die Container auf Schiffe umgeladen und in Rostock wieder auf die Schiene gebracht. Wir haben uns auf der Asien-Europa-Route als feste Größe etabliert.

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