Früher standen in Parks und Gärten nur Bänke aus Teak, die mit viel Stahl eine Renaissance erfahren und filigraner geworden sind, dann folgten Betontröge und Sessel aus Eternit wie 1954 der legendäre „Loop“ von Willy Guhl, der an ein schwebendes Stück Gummi erinnert. Schließlich rollten wetterfeste Kunstfasern den Markt auf. Outdoor-Pionier Dedon führte vor, wie sich daraus ganze Kollektionen von Liegen und Sitzen, Beistelltischen und Loungemöbeln gestalten lassen. Dazu kamen waschbare, beziehungsweise wetterfeste Stoffe.
Dahinter verbarg sich eine kleine Materialrevolution. Normalerweise zerlegt UV-Strahlung in Verbindung mit Feuchtigkeit, Sauerstoff und Luftverunreinigungen selbst die härtesten Materialien. Kunststoff wird spröde und bricht, unbehandeltes Holz und Stoffe bleichen aus. Hilfe versprechen Nano-Pigmente aus Titandioxid. Sie absorbieren Strahlung – ähnlich einer Sonnenschutzcreme.
Einen anderen Weg wählte Hersteller Dickson mit „Sunbrella“, einem Gewebe aus 100 Prozent Acryl, dessen Fasern die Farbpigmente umschließen und so vor Sonnenlicht schützen. Optional ist die Oberfläche des Stoffes wasserabweisend.
Angesichts der neuen Lust am heimischen Draußensein rüstet selbst mancher Baumarkt mit Stücken für den gehobenen Anspruch auf. So wie die Leuchtenindustrie im Winterhalbjahr Umsatz macht, ist jetzt Hauptsaison für Gartenmöbel. Angefeuert durch den milden Winter, erobern die Deutschen ihre grünen Oasen.
So teuer wie ein Gebrauchtwagen
Das führt zwangsläufig zu ästhetischen Wucherungen. Garten- und Terrassenfreunde wuchten Mega-Strandkörbe, Lümmelbetten in Form überdimensionaler Muscheln und Hängeliegen ins Freie: Queen’s Garden bietet mit dem „Cocoon-Loungebett“ unter einem faltbaren Sonnensegel nach eigener Angabe einen „traumhaften Platz zum Entspannen“, nur nicht auf französischen Balkonen. Rund zweieinhalb auf anderthalb Meter muss man schon bereitstellen, sonst vermittelt das gute Stück vor allem eines: Platzangst.
Die kollektive Erweiterung der Wohnsphäre hat ihren Preis. Manche Stücke kosten so viel wie ein gebrauchter Kleinwagen: mehrere Tausend Euro.
„Draußen ist das neue drinnen“, behaupten Trendscouts – eine Entwicklung, die vom kaum noch vorhersehbaren Wetter im Frühsommer nicht gestoppt wird. Gastgeber verschieben den Repräsentationsbereich aus Wohnküche und Esstisch ein Stück ins Grüne.
Der Wunsch nach dem Wohngarten hat die gleichen Wurzeln wie das Public Viewing von Fußball-Großereignissen. So wie Fleece-Jacke und Wander-Look dank hoher Funktionalität längst im Büro angekommen sind, verschieben sich einmal mehr die Grenzen zwischen in- und outdoor, weil wir alle Städter geworden sind.
Auszeit im Wohngarten
Der Wohngarten bietet eine kleine Auszeit, ähnlich dem Urban Gardening, das mit unaufgefordert bepflanzten Ecken am Straßenrand kleine Gegenwelten schaffen will. Zurück zur Natur heißt Entschleunigen, Handy still stellen, zumindest für einen Augenblick. Einfach mal abhängen in der kostenfreien grünen Lounge, die nichts mehr besitzt von der ästhetischen Langeweile vor allem nützlicher, leichter und funktionaler Gartenliegen aus recyceltem Kunststoff.
Weil Städter zunehmend vernetzt sind und auf Abruf arbeiten, nutzen wir eben jede sich bietende Auszeit: Powernapping im Grünen, Strandbar am heimischen Fluss, Sekundenschläfer in der S-Bahn, runterkommen auf der eigenen Terrasse. Draußen sein im eigenen Reich ist die kleine Revolte gegen die 24-Stunden-Gesellschaft.