
Einen Moment atmet Martina Höveler durch. Ihr Chef steht noch im Stau. Wenn er gleich seine Runde durch den Laden dreht, will er keine Lücken in den Regalen finden. Lücken bedeuten weniger Auswahl, im schlimmsten Fall unzufriedene Kunden. Mit beiden Händen greift Höveler in den grauen Einkaufswagen, holt einen Stapel Blumenhüte für 9,95 Euro das Stück heraus und legt sie in ein freies Fach. Nach den Hüten sind die Micky Maus Ohren dran. So geht das den ganzen Tag. "Karneval steht vor der Tür und die Leute haben gerade ihr Gehalt bekommen. Deswegen ist hier die Hölle los", sagt die 51-Jährige.
Martina Höveler leitet die Leverkusener Filiale des Kostümhändlers Deiters. Mit seinen zehn Standorten zählt er zu den größten Anbietern im Rheinland. Pro Jahr verkauft Deiters 300.000 Kostüme, etwa so viele wie die Stadt Bonn Einwohner hat. Ein Pirat muss bis zu 140 Euro in sein Outfit stecken. Krankenschwester wird man schon für 25 Euro. Hüte, Schwerter, Strümpfe oder Spritzen gehen extra.
Gerade hat Höveler neue Münzrollen für die Kasse geholt, da steht ihr Chef vor ihr: Herbert Geiss. Die dunklen Haare nach hinten gegelt, den beigen Mantel zugeknöpft. "Und? Geht's juut?", fragt er seine Filialleiterin. Die nickt. Mit beiden Händen in den Taschen schreitet Geiss durch den Laden. Martina Höveler folgt ihm auf Schritt und Tritt. Dem Alter nach könnte er ihr Sohn sein. Im Treppenhaus bleibt er stehen. Ein Mitarbeiter hat zwischen zwei Schaufensterpuppen eine Fellmütze an die Wand gehängt. "Finden se dat juut?", fragt Geiss. Der junge Mann schüttelt den Kopf. "Also, weg damit", befiehlt der Chef. Durch die Lautsprecher tönt der Schlager "Ich möchte nochmal 20 sein".





Mit 20 Jahren Chef
Als Geiss 2003 die Firma von seinem Onkel übernimmt, ist er 20. Deiters ist damals ein Kölner Spielwarengeschäft und Herbert Geiss geht noch in die Berufsschule. Anfangs zweifeln die Mitarbeiter an dem neuen Chef. Erst recht, als der 2005 von heute auf morgen eine 80 Jahre alte Tradition beendet: Geiss schmeißt die Spielwaren raus und macht Deiters zu einem reinen Karnevalsladen. Wo Vater und Onkel aus dem Bauch entschieden haben, setzt er auf Zahlen: Mit Kostümen made in China lässt sich besser Geld verdienen als mit Spielzeug. Wieviel genau, verrät Geiss nicht. Laut Bundesanzeiger hat sein Unternehmen zuletzt rund 1,7 Millionen Euro Gewinn nach Steuern gemacht. Den Umsatz nennt er nicht.
Sicher ist nur: Geiss will mehr. In seinem Büro in der Zentrale in Frechen bei Köln tüftelt er an der Strategie. Gerade hat er sich einen leerstehenden Laden für eine mögliche neue Filiale angeschaut. Doch der Standort überzeugt ihn nicht: Wenn Karneval vorbei ist, lässt sich dort wohl kein Geschäft mehr machen. Noch erzielt Deiters knapp 80 Prozent seiner Erlöse in der Karnevalssaison. Das soll sich ändern. Geiss will, dass die Leute das ganze Jahr über Kostüme kaufen.