Denn's, Alnatura, Bio Company Die fünf Kämpfe um die Zukunft des Biohandels

Seite 3/3

Der Image-Druck auf die Biohändler wächst

Die Schuld gibt die Branche auch der Politik. Die subventioniert derzeit nämlich vor allem Energiepflanzen. „Die steigende Förderung von Energiepflanzen für Biogas korrespondiert mit einer rückläufigen Förderung für Ökolandbau“, so Berater Klaus Braun. Zugleich wächst der Kampf um geeignete Flächen. In einigen Regionen Deutschlands haben sich die Pachtpreise binnen weniger Jahre verdoppelt und verdreifacht.

Dass in der EU derzeit darüber beraten wird, die Regelungen für die Verarbeitung und Kennzeichnungen von Bio-Produkten auf neue Füße zu stellen, sorgt in der Branche für zusätzlichen Unmut. Viele Bauern befürchten Nachteile im Wettbewerb mit Produkten aus dem Ausland, die meist zu billigeren Konditionen und unter geringeren Kontrollen produziert werden.

Die zehn größten Bio-Mythen
Mythos 1: Bioprodukte sind gesünderZwar gibt es Studien, die belegen, dass ökologische Lebensmittel mehr Vitamine und Nährstoffe enthalten – doch andere Untersuchungen widersprechen hier. Daher gibt es keinen eindeutigen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass Bio mit „gesünder“ gleichzusetzen ist. Anders sieht das bei der Pestizidbelastung aus: Hier schneiden Bio-Lebensmittel in der Regel wesentlich besser ab.  Quelle: Welt.de Quelle: dpa
Mythos 2: Bioprodukte sind teurerDer Mehraufwand, etwa für artgerechte Tierhaltung, muss bezahlt werden: 30 bis 100 Prozent kosten Bio-Produkte im Durchschnitt mehr. Doch in vielen Bereichen ist der Preisunterschied zwischen Produkten aus ökologischer und denen aus konventioneller Landwirtschaft kaum noch spürbar – erst recht, seitdem es auch immer mehr Bio-Ware in den Discountern gibt. Bei Obst und Gemüse, etwa bei Karotten oder Äpfeln,  ist der Preisunterschied oft schon verschwunden. Deutlich spürbar bleibt er jedoch bei Fleisch. Quelle: dpa
Mythos 3: Bio-Produkte sind transparentDas stimmt so nicht. Die Vielzahl an unterschiedlichen Siegeln, vom deutschen über das europäische Bio-Siegel bis zu Demeter oder Bioland, ist für Verbraucher kaum zu überschauen – zumal bei allen Kennzeichnungen unterschiedliche Richtlinien gelten. Anbauverbände wie Demeter stellen in der Regel die strengsten Anforderungen, das europäische Bio-Siegel bietet hingegen nur den Mindeststandard.    Quelle: dpa
Mythos 4: Bio ist ein NischenproduktDas galt nur in den Anfangsjahren. 2013 kletterten die Umsätze der Bio-Branche um stattliche 7,2 Prozent auf 7,55 Milliarden Euro, meldet der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Im Öko-Barometer des Bundesernährungsministeriums heißt es, dass inzwischen drei von vier Verbrauchern beim Lebensmitteleinkauf auch nach ökologisch hergestellter Ware greifen. Dabei sind die Konsumenten vor allem junge Verbraucher unter 30 Jahren. Für Gerald Herrmann, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Organic Services, keine Überraschung: „Die jungen Generationen sind vielfach damit aufgewachsen, für sie ist Bio selbstverständlich geworden." Quelle: dpa
Mythos 5: Bio ist bei Bauern beliebtLandwirte, die Bio-Landbau betreiben wollen, haben mit vielen Hürden zu kämpfen. Zum Beispiel mit dem Flächenproblem: Durch die Subventionierung von Energiemais für Biogasanlagen, die durch das EEG festgelegt ist, können sich viele Öko-Betriebe die teuren Pachtpreise nicht mehr leisten. Zudem gibt es Umstellungsfristen von zwei bis drei Jahren, in denen die Landwirte zwar ökologisch produzieren, ihre Ware aber nur zu den Preisen für konventionelle Ware verkaufen dürfen. Quelle: dpa
Mythos 6: Bio ist regional und nachhaltigDie Nachfrage nach Bio-Produkten wächst schnell – die Größe der Anbaufläche und die Zahl der Bauern können da hierzulande nicht mithalten. Deutschland fehlen Tausende Biobauern. Dadurch wird viel importiert: Jede dritte Bio-Kartoffel stammt aus dem Ausland, bei Möhren, Äpfeln und Gurken ist es etwa die Hälfte. Besonders krass ist es bei Bio-Tomaten und –Paprika, sie stammen zu 80 beziehungsweise über 90 Prozent aus allen Ecken der Welt. Wie nachhaltig eine Bio-Kartoffel aus Ägypten, die intensiv bewässert werden muss, dann noch ist, ist äußerst fraglich. Quelle: dpa
Mythos 7: Bio-Produkte enthalten keine ZusatzstoffeDas kann man pauschal so nicht sagen. Insgesamt 50 der knapp 320 zugelassenen Zusatzstoffe wie Aromen oder Konservierungsmittel sind nach der EU-Öko-Verordnung auch für Bio-Lebensmittel zugelassen, sofern das Produkt ohne diese Zusätze nicht hergestellt oder haltbar gemacht werden kann. Quelle: dpa

Weil die Zukunft unsicher ist, würden viele Bauern Investitionen in die ökologische Landwirtschaft scheuen, ist sich BNN-Geschäftsführerin Elke Röder sicher. Die Totalrevision der Öko-Verordnung schwebe „wie ein Damoklesschwert über der ganzen Branche“, sagt sie.
Die Skepsis der heimischen Bauern mehr auf Öko-Landwirtschaft hat massive Auswirkungen auf den Handel. Er greift immer häufiger auf Importware zurück. Tatsächlich stammt schon jetzt ein großer Teil der Bioprodukte im deutschen Handel nicht von heimischen Feldern. Jede dritte Bio-Kartoffel kommt aus dem Ausland, schätzt der Branchenverband AMI. Bei Möhren oder Äpfeln sei es mehr als die Hälfte.

Um weiterhin ausreichende Produkte von deutschen Feldern zu bekommen, lockt der Handel die Bauern mittlerweile selbst. 400.000 Euro steckt Alnatura in ein Förderprogramm, um die Biobauern zu fördern. Ziel ist es, „bis 2020 eine Fläche von 3.000 Hektar auf Bio umzustellen“, verkündet das Unternehmen. Ein Tropfen auf den heißen Stein. Zum Vergleich: Derzeit werden in Deutschland etwa eine Million Hektar nach den Regeln des Ökologischen Landbaus bestellt.

5. Kampf um das Image

Dass Alnatura das Förderprogramm auflegt, hat vor allem Symbolcharakter – und dient dazu, dass Image der Marke zu stärken. Ein Spiel, das das Unternehmen gut beherrscht. In einem Ranking der Agentur Y&R zu den stärksten Marken im Lebensmittelhandel kommt Alnatura bei der Markenwahrnehmung auf Rang vier. Vor großen Namen wie  Rewe und Kaufland. Denn's schafft es immerhin auf Platz 10.

Die Marke Alnatura sei klar profilierter und besetze glaubwürdig den Super-Benefit „Gesundheit“, erklären die Markenexperten das Ergebnis. „Das Unternehmen agiert in den Augen der Verbraucher verantwortungsvoll und ist deshalb vertrauenswürdig“. Deshalb akzeptierten die Kunden auch die Preise.

Wann die Deutschen zu Bioprodukten greifen
Platz 11: BabynahrungAcht Prozent gaben an, bei Babynahrung zu Bioprodukten zu greifen. Allerdings wurde bei der Befragung nicht in Eltern und Kinderlose unterschieden. Daher sagt diese Zahl nichts darüber aus, wie viele Mütter und Väter für ihre Kinder Öko-Gläschen kaufen. Quelle: AP
Platz 10: SüßigkeitenSüßigkeiten befinden sich nicht so stark im Fokus von Ökolebensmittel-Käufern. Zehn Prozent gaben an auch bei Schokolade, Gummizeug, Eis und Co auf eine ökologisch wertvolle Herstellung zu achten. Quelle: dpa
Platz 9: FischImmerhin 23 Prozent der Befragten gab an, auch beim Fischkauf auf Bio-Qualität zu achten. Damit ist die Zahl im Vergleich zum vergangenen Jahr konstant geblieben. Welche Fische laut der Umweltorganisation Greenpeace nicht auf den Teller dürfen, lesen Sie hier. Quelle: dpa
Platz 8: TrockenwarenNudeln, Mehl und Reis stehen nicht mehr so im Fokus der Bio-Käufer. Nur noch 28 Prozent gaben an bei diesen Produkten auf die ökologische Herstellung zu achten. Das sind drei Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Quelle: dpa
Platz 7: Fleisch oder Wurstwaren32 Prozent aller befragten Käufer von Biolebensmitteln greifen bei Wurst- oder Fleischwaren ausschließlich oder häufig zu Öko-Produkten. Das ist ein Rückgang um sechs Prozent gegenüber 2012. Zurückzuführen ist das vor allem auf die Gruppe der nicht berufstätigen und jüngeren Biokäufer sowie kleine und Einzelhaushalte. Allerdings könnte der Rückgang auch darauf zurückzuführen sein, dass immer mehr Menschen auf Fleisch verzichten, mutmaßt das Bundesprogramm für Ökologischen Landbau (BÖLN). Bei der Befragung wurde nicht zwischen Vegetariern und Fleischessern unterschieden. Quelle: dpa
Platz 6: Alkoholfeie Getränke Bei alkoholfreien Getränken ist die Aufmerksamkeit der Konsumenten konstant geblieben. 32 Prozent der Bio-Käufer gaben an, bei Limo, Saft und Co auf Bio-Qualität zu achten. Quelle: dpa
Platz 5: BrotwarenBei dem Kauf von Brot und Brötchen gaben 43 Prozent der Befragten an, auf Bio-Qualität zu achten. Ein konstanter Wert im Vergleich zum Vorjahr. Quelle: dpa

Glaubwürdigkeit und Vertrauen zählen für die gesamte Branche zu den entscheidenden Faktoren. Die Kunden kommen eigentlich nicht wegen des Geschmacks, sondern weil sie überzeugt sind, mit dem Kauf eine gute Sache zu unterstützen. Biolebensmittel sind Nahrung für das Gewissen.

Immer wieder hat das Image der „guten“ Öko-Händler in der Vergangenheit jedoch Kratzer bekommen. Dass der Wettkampf zwischen den großen Ketten immer stärker auch über den Preis ausgetragen wird, bekommen auch die Angestellten zu spüren. Alnatura und Denn's standen ebenso am Pranger wie die Bio Company, weil sie ihre Mitarbeiter lange und hart arbeiten lassen, aber nicht nach Tarif bezahlen.

Auch die Lebensmittel selbst kamen zuletzt immer häufiger in die Schlagzeile. Binnen weniger Monate musste Alnatura verschiedene Produkte aus dem Handel nehmen. Im Winter rief Alnatura vorsorglich verschiedene Brei-Sorten zurück, im Januar das Sesammus Tahin.

Die Branche holt ihr eigener Erfolg ein: Mit dem wachsenden Absatz steigt die potentielle Fehlerquote. Mit der Expansion wächst das Medieninteresse. Und unter dem Druck, viele Filialen proftitabel betreiben zu müssen, orientieren sich die Bio-Ketten vielfach am Erfolgsrezept der Supermärkte und Discounter.

„In Zukunft werden die Biohändler den Spagat zwischen Nischenmarkt und Mainstream meistern müssen“, glaubt Klaus Braun. Entscheidend wird es dabei sein, dass sie ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%