„Der Mensch ist eine faule Sau“ Wie gewöhnt man Kunden den Kaffee-Pappbecher ab?

Einmal-Kaffeebecher Quelle: dpa

Die Deutschen verbrauchen jährlich 2,8 Milliarden Einwegbecher – eine gigantische Menge Müll. Wie lässt sich der Abfall am besten reduzieren: durch Verteuerung, mitgebrachte Kaffeetassen oder ein Becherpfand-System?

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Nun also auch Starbucks: Die US-Kaffeeröster und -händlerkette will zukünftig in ihren Filialen in Hamburg und Berlin die nur einmal benutzten Pappbecher reduzieren und setzt dabei auf Bestrafung und Belohnung. Kunden, die einen Kaffee für unterwegs kaufen und diesen im Einmalbecher mitnehmen, zahlen künftig fünf Cent mehr. Wer bei Starbucks hingegen den Kaffee in den eigenen, mitgebrachten Becher füllen lässt, erhält ihn – schon seit längerem – 30 Cent günstiger. „Wir sind davon überzeugt, dass die Bechergebühr noch mehr unserer Gäste veranlasst, das eigene Verhalten zu überdenken“, wird Kai Bordel zitiert, Deutschland-Chef der Kaffeekette. 

Mit diesem Vorstoß verhält sich Starbucks fast schon marktkonform. Denn in Deutschland sind bereits seit Jahren mehr und mehr Initiativen gegen Einweg- und für Mehrwegbecher zu beobachten, Umweltbewegungen wie „Fridays for Future“ sorgen zusätzlich für ein anwachsendes Bewusstsein für Naturschutz und Nachhaltigkeit. „Ich glaube, dass immer mehr Verbraucher für das Thema Mehrwegbecher sensibilisiert werden“, sagt Gerhard Kotschik, Verpackungsexperte beim Umweltbundesamt in Dessau. 

2,8 Milliarden Einwegbecher pro Jahr

Er kennt sich aus: Im Mai veröffentlichte das Umweltbundesamt eine Studie, zusammen mit dem Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung, dem Berliner Institut für ökologische Wirtschaftsforschung und der Mainzer Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung. Kotschik hat die Studie mitbetreut, die eine ungeheuerliche Zahl zutage förderte: Der Untersuchung zufolge haben die Deutschen im Jahr 2016 rund 2,8 Milliarden Einwegbecher verbraucht. In den Folgejahren dürfte diese Zahl sogar noch leicht gewachsen sein. Diese Becher sind in aller Regel mit Kunststoff beschichtet und damit nicht wiederverwendbar – eine gigantische Müllmenge. 

Im Kampf gegen den Plastikmüll ist jede gute Idee willkommen. Wiederbefüllbare Mehrwegtassen oder Wurstbehälter klingen da erstmal gut. Das Problem: die Hygiene.
von Marcus Werner

„Der Einwegbecher sollte nicht länger kostenlos zur Verfügung gestellt werden“, befindet Kotschik. „Wenn sich die Händler hier nicht einig werden, sollten gesetzliche Verpflichtungen eingeführt werden, etwa eine Steuer.“ Hilfreich wäre aus seiner Sicht auch ein sogenanntes Stupsen der Verbraucher in die richtige Richtung: „Der Mehrwegbecher sollte an den Kaffee-Ausgabestellen die Regel werden, der Einwegbecher die Ausnahme, der nur noch auf Nachfrage herausgegeben wird. Es ist schwer, so etwas rechtlich zu regeln, aber eine gemeinsame Vereinbarung der Händler wäre wünschenswert.“ 

Auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) kündigte im Mai 2019 eine Initiative gegen Einweg- und für Mehrwegbecher an: „Wir werden die Hersteller von Einwegbechern künftig stärker zur Kasse bitten.“ Zahlreiche Städte, Gemeinden und NGOs waren schneller und beschäftigen sich bereits seit Längerem mit Ideen zur Reduzierung dieser Müllmenge. Dabei lassen sich die Bemühungen in vier Strategien unterteilen, die zum Teil auch kombiniert werden:

  • Eine Strafgebühr auf herkömmliche Einwegbecher

  • Einwegbecher aus 100 Prozent recyclefähigem oder kompostierbarem Material

  • Initiativen und Anreize, seinen eigenen Becher mitzubringen

  • Mehrwegbecher-Pfandsysteme

Bereits im September 2015 startete die Deutsche Umwelthilfe die Aktion „Becherheld“ und formulierte „Handlungsempfehlungen für die Politik, den Handel sowie für Verbraucher“. In Hamburg initiierte die Umwelt- und Energie-Behörde daraufhin die „Kehrwieder“-Kampagne, um Kaffeetrinker zu sensibilisieren, ihre eigenen Becher in die Cafés mitzubringen. Mittlerweile gibt es laut der Behörde dafür in mehr als 250 Hamburger Cafés einen Rabatt von mindestens zehn Cent. In Berlin starteten die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, die Berliner Stadtreinigung und verschiedene Unternehmen die Initiative „Better World Cup“. Ähnliche Kampagnen gibt es mittlerweile in Hessen („Becherbonus“), Rheinland-Pfalz und dem Saarland („Becherheld“) sowie in Mannheim („Bleib Deinem Becher treu“).

Auch Backwerk, Ditsch und Kamps verkaufen Mehrwegbecher

Auch die Industrie macht mit. Das Schweizer Handelsunternehmen Valora zählt mit den Ketten Backwerk und Ditsch und zusammengenommen 560 Filialen zu den größten Bäckerei-Filialisten in Deutschland – und damit auch zu den größten Kaffee-für-unterwegs-Vertreibern. Backwerk brachte 2018 einen eigenen Thermo-Mehrwegbecher auf den Markt, in ausgewählten Märkten und limitierter Stückzahl. „Die Nachfrage war sehr groß“, teilt Valora auf WirtschaftsWoche-Anfrage mit, weshalb die Kette kommendes Jahr einen überarbeiteten Mehrwegbecher anbieten wird, „flächendeckend für einen fairen Preis“. Beim Bretzel-Händler Ditsch gibt es seit Januar 2019in allen Filialen mit Kaffeeangeboteinen Mehrwegbecher. Bei beiden Filialisten erhalten Kunden zudem zehn Cent Rabatt auf den Getränkepreis, wenn sie ihre eigenen Becher mitbringen. Auch die Bäckereikette Kamps (rund 460 Filialen) hat schon im Oktober 2016 ihren eigenen Mehrwegbecher eingeführt.

Der Coffee to go im Becher mag stillos sein. Er ist aber praktisch und fast überall zu bekommen. Umweltfreundlicher lässt sich der Unterwegs-Kaffee aus Mehrwegbechern genießen. Hat die Pappe bald ausgedient?

Das klingt zunächst gut und ist sicherlich gut gemeint – birgt jedoch ein entscheidendes Problem: „Der Mensch ist eine faule Sau“, sagt Hans-Georg Häusel, Geld- und Konsumverhaltensforscher. „Es gibt natürlich Menschen, die ganz gewohnheitsmäßig ihren Kaffee immer zur selben Zeit am selben Ort trinken, und die auch von der Nachhaltigkeitsidee überzeugt sind – die kann man durchaus erreichen mit der Idee vom eigenen Becher.“ Andererseits sei das ständige Mittragen natürlich auch „ein bisschen lästig und aufwändig“ – mithin nicht mehrheitsfähig. „Der Wunsch des Menschen, es sich einfach zu machen, ist recht groß. Es ist eine Frage der Bequemlichkeit.“ Die Mehrheit der Kaffee- und Teetrinker da draußen, glaubt Häusel, seien Spontankäufer. Deswegen, sagt er, habe ein Mehrwegbecher-Pfand-System aus seiner Sicht „leichte Vorteile“. 

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