Der russische Rebranding-Boom „Bucks ist weg, die Sterne sind geblieben“

Stars Coffee in Moskau Quelle: imago images

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs haben zahlreiche westliche Unternehmen Russland verlassen. Um nicht auf Starbucks, McDonald’s, Pizzahut und Co. verzichten zu müssen, werden sie nach und nach durch Imitate ersetzt – die sind teilweise zum Verwechseln ähnlich.

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Vor einigen Tagen eröffnete in Moskau Stars Coffee – die russische Kopie der amerikanischen Kaffeehauskette Starbucks. Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs haben eine Vielzahl berühmter US-Nahrungsmittelunternehmen ihre Geschäfte in Russland eingestellt. Das hat Lücken hinterlassen, die russische Geschäftsleute nun zu schließen versuchen, indem sie bekannte Restaurantketten und Nahrungsmittel unter neuem Namen wieder auf den Markt bringen und so die alte Kundschaft anlocken. Eine Übersicht über die bekanntesten russischen Rebrandings:

Die Kaffeekette Starbucks schloss im März, kurz nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs, alle 130 russischen Filialen. Im Mai verkündete die Kette schließlich, dass sie sich gänzlich aus Russland zurückziehen wird. Daraufhin wurden die Vermögenswerte des amerikanischen Unternehmens von dem russischen Rapper Timati, der mit bürgerlichen Namen Timur Yunusov heißt, und seinem Geschäftspartner, dem Gastronomen Anton Pinsky, gekauft. Der Rapper Timati ist in den vergangenen Monaten häufiger durch Putin-freundliche Aussagen aufgefallen.

Am 18. August eröffneten sie die erste ehemalige Starbucks-Filiale in Moskau unter dem neuen Namen Stars Coffee wieder. Dabei ist nicht nur der neue Name „Stars Coffee“ sehr nahe am US-amerikanischen Original; das Logo ist sogar zum Verwechseln ähnlich: Anstelle der Meerjungfrau ist nun ein Mädchen mit einem Kokoschnik, einer traditionellen russischen Kopfbedeckung, zu sehen. Da es ihnen verboten war, das Starbucks-Logo zu verwenden, sagte Timati der Nachrichtenagentur Reuters, versuchten sie einige der Elemente auf ihrem neuen Logo zu behalten – vor allem die runde Form und das „weibliche Geschlecht“, das sich gut von dem braunen, zigarren-ähnlichen „männlichen Farben“ abhebe. Ein neuer Slogan auf der Website erinnert an die Starbucks-Zeit: „Bucks ist weg, die Sterne sind geblieben“.

Stars Coffee in Moskau Quelle: imago images

Als geschäftsführender Gesellschafter der neuen Kette wird auf der Stars-Coffee-Webseite Ernesto Gonzales angegeben, der früher schon Starbucks-Vizepräsident in Russland und Kasachstan war. Auch die 2000 Mitarbeitenden sollen aus den alten Filialen übernommen werden.

Auf der Karte finden sich eine Reihe von Kaffee-Spezialitäten und Gebäck. Außerdem wird, im Gegensatz zum ursprünglichen Starbucks, Essen vor Ort gekocht. Auf die Becher wird wie im Original der Name der Gäste geschrieben. Milch und Sirup kommen laut den Gründern von russischen Lieferanten, der Kaffee wird aus Lateinamerika und Afrika importiert.

Insgesamt sollen laut russischen Medienberichten 200 Stars-Coffee-Filialen öffnen. Neben der bereits eröffneten sollen zehn weitere Filialen bis zum 28. August öffnen, alle weiteren Standorte folgen bis Ende September.

Nach dem Rückzug der Fast-Food-Kette McDonald’s aus Russland eröffneten im Juni die ersten Restaurants nach dem Rebranding unter dem neuen Namen „Vkusno & tochka“ (dt. Lecker und auf den Punkt).

Im Monat zuvor hat McDonald’s bekanntgegeben, sein komplettes Russlandgeschäft und damit alle 850 Filialen an den russischen Geschäftsmann Alexander Gowor zu verkaufen. Zuvor betrieb Gowor als Lizenznehmer 25 McDonald’s Filialen in Sibirien. Die Markenrechte wurden ihm dabei nicht übertragen – das goldene „M“ musste gehen.

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Auf der Fassade einer Moskauer Filiale steht übersetzt „Der Name ändert sich, die Liebe bleibt“. Bestellt werden können die meisten Gerichte mit neuem Namen aus der alten Speisekarte, mit einigen Ausnahmen: Nicht zu finden ist zum Beispiel der ehemalige „Big Mac“ oder das „McFlurry“-Eis.

„Vkusno & tochka“ ersetzt McDonald's Quelle: imago images

Bereits vor dem Rebranding bezog McDonald’s rund 98 Prozent der verwendeten Lebensmittel aus Russland – die Lieferanten bei „Vkusno & tochka“ sind die selben geblieben.

Laut der Unternehmenswebsite wurden seit Juni über 500 Filialen wiedereröffnet. Außerdem, so CEO Oleg Paroev auf der „Vkusno & tochka“-Website, arbeite das Unternehmen an einem neuen Branding: „In letzter Zeit sind in einigen Unternehmen bereits neue Schilder aufgetaucht, und sehr bald werden wir aktualisierte Verpackungen unserer Gerichte präsentieren“.

Das wohl am häufigsten gerebrandete Lebensmittel ist Coca Cola. Die Coca-Cola Company gab ebenfalls im März bekannt, ihre Geschäfte in Russland einzustellen. Anstelle von Coca Cola, Fanta und Sprite, können die Menschen in Russland seit Mai zwischen „CoolCola“, „Fancy“ und „Street“ des russischen Getränkeherstellers Ochakovo auswählen. Ochakovo wirbt auf seiner Website mit einem „ausdrucksstarken“ und „kultigem“ Geschmack.

„CoolCola“, „Fancy“ und „Street“ sollen CocaCola, Fanta und Sprite ersetzen Quelle: imago images

Neben CoolCola wurde außerdem in der nördlichen Region Komi eine eigene „Komi Cola“ auf den Markt gebracht. Im Osten Russlands lässt sich derweil „Grink Cola“ des lokalen Unternehmens Slavda Group auf dem Markt finden.

KFC und Pizza Hut

Die Restaurantketten KFC und Pizza Hut gehören zu dem amerikanischen Konzern Yum! Brands. Dieser kündigte Anfang März an, dass Pizza Hut und KFC den russischen Markt verlassen werden. So hat Yum! Brands im Juni die Rechte aller Pizza-Hut-Franchise-Assets an einen lokalen, russischen Betreiber übertragen. Dieser benannte die rund 50 Pizza-Hut-Filialen in „Pizza H“ um – und ließ damit lediglich zwei Buchstaben weg. Die Schriftart blieb dieselbe.

Ähnliches passiert gerade mit KFC: Hier sei man in einem „fortgeschrittenen Stadium der Übertragung des Eigentums an den KFC-Restaurants, dem Betriebssystem und den Master-Franchiserechten, einschließlich des Netzwerks der Franchise-Restaurants, an einen lokalen Betreiber“, heißt es in einer auf der Yum!-Brands-Website veröffentlichten Erklärung. Ende 2021 gab es insgesamt 1086 KFC-Restaurants in Russland. Es bleibt abzuwarten, in welchem Ausmaß die Restaurants bald noch dem Original entsprechen.

Rebranding als Marktstrategie

Brand-Strategist Andrea Yildiz erklärt, dass das Rebranding der großen Marken in Russland vor allem einen wirtschaftlichen Auslöser hat. Die neuen Investoren können mit dem Rebranding Erfolg haben, weil die Macht bei der Zielgruppe liegt. Diese hat sich über die vergangenen Jahre an die Marken gewöhnt, so gab es beispielsweise seit 15 Jahren Starbucks-Filialen in Russland, McDonald’s eröffnete die erste Filiale 1990 in Moskau. Die Konsumierenden identifizieren sich durch Coca Cola, KFC und Co. mit dem amerikanischen Lifestyle, so Yildiz. „Es gibt genügend Alternativen, trotzdem sind amerikanische Ketten ein Erfolg in Ländern wie Russland“.

Eröffnen Personen die in der Öffentlichkeit stehen neue Restaurants, dient das auch als eine eigene Image-Politur. So zeigt sich der russische Rapper Timati nicht nur als Musiker und Influencer, sondern auch als erfolgreicher Unternehmer. „Die Kombi aus Personen- und Produktmarke funktioniert extrem gut, das sieht man zum Beispiel auch bei Nespresso und George Clooney“, so Yildiz.

Aber wieso reagieren Ketten wie McDonald’s oder Pizza Hut nicht auf die Nachahmungen? „Die Unternehmen profitieren auch von Imitaten. Wenn jemand seinen Burger in dem neuen Restaurant isst, dann ist dieser Person bewusst, dass sie in einem ehemaligen McDonald’s sitzt“ sagt Brand Strategist Andrea Yildiz, „die emotionale Bindung zur Marke bleibt bestehen und sobald man im Ausland ist, sucht man die originalen Filialen wieder auf“.

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Dabei spielt auch das Markenerlebnis eine große Rolle: Der Kunde erfährt die Marke immernoch auf gleicher Weise, teilweise bleiben die Möbel stehen, die Angestellten sind dieselben und der Name wird auf den Becher geschrieben. All das holt den Kunden und die Kundinnen zurück zu der Marke. Vor allem zu Zeiten der Isolation, gebe das ein Gefühl der Normalität zurück, beschreibt die Markenexpertin.

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