Desigual-Chef Adell "Den Bogen nicht überspannen"

Der Chef der spanischen Modemarke Desigual über Wachstumssprünge, schräge Schnitte sowie die Unterschiede zu den Konkurrenten Zara und Hennes & Mauritz.

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Manel Adell - Chef der spanischen Modemarke Desigual

WirtschaftsWoche: Señor Adell, Desigual bedeutet „ungleich“. Was macht Ihr Unternehmen anders als andere Modehersteller?

Adell: Wenn Sie sich die Mode generell anschauen, sehen Sie viel Uniformität: Es geht doch recht gediegen zu. In diesem Einerlei fallen wir aus dem Rahmen mit unserem bunten, auffallenden Graffiti-Design, den bewusst schiefen Schnitten und disharmonischen Farben. Auch die Stoffe passen eigentlich nicht zusammen. Wir wollen mit unserer Marke ein Lebensgefühl vermitteln: Es ist gut, anders zu sein, und das über Altersgrenzen hinaus.

Der Rest der Welt hat mehr als 20 Jahre gebraucht, um das Konzept zu verstehen. Wie erklären Sie den plötzlichen Erfolg?

Unser Design war hier in Spanien schon immer erfolgreich, aber es fehlte ein richtiges Vertriebskonzept und ein ernsthafter Expansionsplan. Unsere Mode gab es lange Zeit nur in spanischen Kaufhäusern. Ich habe dann 2002 vorgeschlagen, die Modemärkte Frankreich und Italien zu testen. Desigual schlug dort ein, und wir dachten: Dann läuft es auch in Deutschland und den USA. Das hatte enorme Folgen für unsere interne Organisation: Wir mussten Vertrieb und Logistik komplett neu aufbauen. In den kleinen Besprechungsraum, in dem wir hier sitzen, passte 2002 noch unser gesamtes Lager.

Heute betreiben Sie zwei, ab 2012 drei moderne Logistikzentren, haben Verantwortung für 3000 Mitarbeiter und steuern auf einen erneut gestiegenen Umsatz zu – ist ein Börsengang für Desigual ein Thema oder der Verkauf von Anteilen an Investoren?

Zunächst: Ja, wir erwarten für dieses Jahr erneut eine Umsatzsteigerung um gut 25 Prozent auf dann 500 Millionen Euro. Und: Wir haben lieber alles selbst unter Kontrolle. Der Spaß an meiner Arbeit bedeutet für mich auch, völlige Entscheidungsfreiheit zu haben. Wir sind nicht abhängig von Banken, weil wir keine Nettoschulden haben und unser Wachstum aus dem Eigenkapital finanzieren. Daran halten wir uns auch in Krisenzeiten. Wir brauchen nicht an Fremde zu verkaufen, auch wenn es immer wieder einmal Angebote gab. Einen Börsengang würde ich nicht kategorisch ausschließen, der ist aber in naher Zukunft kein Thema.

Mode aus Fernost

Desigual - Mode für Frauen Quelle: Screenshot

Wie lange hält Desigual dieses Wachstumstempo noch durch?

Klar, wir müssen aufpassen, den Bogen nicht zu überspannen und unsere Infrastruktur nicht zu überfordern. Wir werden aber noch einige Jahre lang mit Raten von 20 bis 25 Prozent wachsen. Raum dafür sehe ich vor allem in den USA, wo wir in den großen Städten eigene Läden betreiben und 1200 Handelspartner haben, aber auch in Osteuropa, Russland und im Nahen Osten.

Angeblich braucht Desigual besonders lange für die Auswahl des richtigen Personals – sind Sie so wählerisch?

Wir rekrutieren fast nur über interne Auswahlprozesse und Headhunting. Das braucht Zeit: Bei manchen Positionen wie Designern kann sich das bis zu einem Jahr hinziehen. Aber mit dieser langwierigen Suche nach den richtigen kreativen Menschen stellen wir sicher, dass die Leute bleiben, weil sie ins Team passen. Die Fluktuation ist sehr gering, obwohl wir keine überdurchschnittlichen Gehälter zahlen.

Desigual gibt sich gern politisch korrekt und nachhaltig. Wie passt das damit zusammen, dass 90 Prozent Ihrer Shirts und Schuhe in Fernost hergestellt werden? Wie genau kontrollieren Sie die Zustände bei Ihren Zulieferern?

Wir lassen vor allem in China und Indien fertigen und arbeiten dort nur mit sehr großen Produzenten zusammen, denen wir Mindeststandards abverlangen. Aber natürlich ist die Kontrolle bei einer Produktion in Europa einfacher. Tatsächlich werden wir künftig den Anteil unserer Fertigung in Marokko von derzeit 10 auf 30 Prozent steigern.

Dadurch verkürzen Sie aber vor allem die langen Lieferzeiten aus Asien?

Ja, diese Verlagerung macht auch aus logistischen Gründen Sinn.

Zwischen Billigkonkurrenz und Designermode


Desigual - Mode für Männer Quelle: Screenshot

Im Vergleich zu anderen spanischen Modeketten wie Zara oder Mango ist Desigual teuer. Warum kostet ein Mantel 300 Euro, wenn er doch in Asien hergestellt wurde wie bei der billigeren Konkurrenz?

Wir entwerfen unsere Mode selbst, greifen Trends auf, aber bringen stets unseren eigenen Stil ein. Das macht unsere Ware wertvoller – der Kunde kauft ein Markenprodukt. Unsere Vorbilder sind Marken wie Armani und Calvin Klein. Hinzu kommt, dass unsere Produktion meist aufwendiger ist. Das Zusammennähen von unterschiedlichen Stoffen ist komplex.

Jetzt entwirft auch der französische Star-Designer Christian Lacroix für Desigual. Kopieren Sie da nicht schlicht die Strategie von H&M, die jedes Jahr einen anderen Designer für sich einspannen?

Nein. Wir arbeiten ausschließlich mit Lacroix zusammen und das nicht nur für eine einzige PR-Aktion im Jahr, sondern langfristig. Er wird von diesem Jahr an zwei Kollektionen mit jeweils zehn Artikeln für uns entwerfen. Eine ist schon auf dem Markt, sie liegt bis zu einem Drittel über unseren normalen Preislagen. Natürlich hilft uns die Kooperation mit einem so bekannten Designer auch, Desigual höher zu positionieren.

Aber passt dazu denn, dass Sie Kunden am ersten Tag des Schlussverkaufs in den Desigual-Shops dazu auffordern, sich bis zur Unterwäsche auszuziehen, um sich im Laden neu einzukleiden – und die Fotos der Fast-Nackten stehen am nächsten Tag in der Zeitung?

Absolut, ja. Wir provozieren lieber solche Marketingevents, als in klassische Werbung in Modemagazinen zu investieren. Das ist viel effizienter.

Gehört zu dieser Marketingstrategie auch die Kollektion, die Sie für den kanadischen Zirkus Cirque du Soleil entwerfen?

Natürlich ist das auch Marketing. Aber hinter solchen Kooperationen stehen fast immer persönliche Freundschaften und Gemeinsamkeiten in der Philosophie. Mode und Zirkus haben doch eines gemeinsam: Wir verkaufen Träume.

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