Details aus Insolvenzakten Warum Neckermann nicht zu retten war

Vor einem Jahr wurde das Aus für den traditionsreichen Versandhändler Neckermann besiegelt. Anhand von Insolvenzakten lassen sich nun die Details des Untergangs rekonstruieren.

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Vor einem Jahr, am 14. September 2012, wurde die Einstellung des Geschäftsbetriebs und damit das endgültige Aus für den insolventen Versandhändler beschlossen. Quelle: REUTERS

Wie steht's um das Neckermann-Verfahren? Vor einem Jahr, am 14. September 2012, wurde die Einstellung des Geschäftsbetriebs und damit das endgültige Aus für den insolventen Versandhändler beschlossen. Ein Komplettverkauf war zuvor gescheitert. 25 Investoren hatten Neckermann im Detail durchleuchtet - und letztlich abgewunken.

Zu marode erschien das seit Jahren defizitäre Geschäft, zu hoch die Sanierungskosten etwa für die veraltete IT. Immerhin konnte Insolvenzverwalter Michael Frege von CMS Hasche Sigle noch allerlei Unternehmenswerte versilbern, zeigen nun Unterlagen aus dem Verfahren, die wiwo.de vorliegen. Dabei hatte Frege anfangs  mit erheblichem Gegenwind zu kämpfen. Vor allem der Neckermann-Gesellschafter Sun Capital dürfte kurz nach dem Start des Verfahrens für reichlich Stress gesorgt haben. So gut wie alle Vermögensgegenstände von Neckermann waren an den Finanzinvestor verpfändet.  Egal ob Markenrechte, Internetadressen, Kundendaten oder Kontoguthaben.

Am Wochenende nach dem Insolvenzantrag begannen denn auch hektische Verhandlungen zwischen Frege und den Sun-Capital-Vertretern. Dabei dürfte es vor allem um rund 13 Millionen Euro gegangen sein, die noch auf den Neckermann-Geschäftskonten lagen, aber an Sun Capital verpfändet waren. Die Gespräche scheiterten. Zu Wochenbeginn zog Frege die Notbremse und konnte  mit einer „Ermächtigung“ der Schuldnerin die Banken davon überzeugen, immerhin rund 12,5 Millionen Euro auszuzahlen.

Die erste Runde entschied der Verwalter damit für sich. Beim zweiten Duell punkteten derweil die Amerikaner:  Sie blockten mit ihrem Pfandrecht erst einmal den Versuch ab, die Markenrechte loszuschlagen und handelten Frege die Zusage ab, an den Verkaufserlösen teilweise  beteiligt zu werden. Die Alternative wären offenbar langwierige Anfechtungsstreitigkeiten gewesen, die das Bieterverfahren verzögert hätten.

Der Niedergang von Neckermann.de

Anschließend konnte der CMS-intern "Projekt Alpha II"  getaufte Verkaufsprozess von Namens- und Markenrechten sowie Internetadressen starten. 162 Kandidaten wurden angesprochen, mit 58 Verkaufsgespräche geführt. Am Ende machte der Hamburger Otto-Konzern das Rennen und zahlte insgesamt 4,35 Millionen Euro. Davon entfielen 2,68 Millionen Euro auf die Neckermann-Markenrechte.

Für die zeitlich beschränkte Nutzung der Kundendaten für Werbung und Marketing überwiesen die Hamburger zusätzlich 1,68 Millionen Euro. Mit dem Deal scheinen die Hamburger zufrieden zu sein. Inzwischen schreibe der vor einem halben Jahr neu gestartete Online-Shop Neckermann.de wieder schwarze Zahlen. Das Portal, das als Marktplatz für Otto-Produkte dient, sei "operativ rentabel", sagt eine Sprecherin. Bis zum Jahresende rechnen die Hamburger mit einem zweistelligen Millionenumsatz.

Für die Gläubiger sieht es nicht gut aus

Neben Otto nutzten  als "Zweitverwerter" aber auch andere Unternehmen die Kundenkartei von Neckermann und bescherten der Insolvenzverwaltung einen Erlös von 1,95 Millionen Euro. So zahlte das Modeunternehmen Ulla Popken für die Kundendaten 654.000 Euro, die Targo-Bank überwies 300.000 Euro und das Pforzheimer Versandhaus Klingel nutze die Daten und zahlte dafür 858.000 Euro an die Insolvenzverwaltung. Zuvor hatte sich Klingel bereits den früheren Neckermann-Übergrößenableger Happy Size und dessen Warenbestände einverleibt.

Die Veräußerung so genannter "zahlungsgestörter Forderungen" spielte insgesamt noch deutlich mehr ein als die Verwertung der Markenrechte. So zahlte der schwedische Inkassospezialist Hoist  über 10 Millionen Euro, um ein Portfolio offener Neckermann-Rechnungen bei säumigen Kunden einzutreiben. Der Inkasso-Dienstleister infoscore sicherte sich 37.870 zahlungestörte Forderungen für einen Kaufpreis von  1,7 Millionen Euro, Continental Inkasso zahlte gar 3,5 Millionen Euro für ein weiteres Forderungsportfolio.

Trotz der Erlöse sieht es für die ungesicherten Gläubiger nicht sonderlich gut aus. Rund 45.000 Gläubiger hatten Forderungen von über 341 Millionen Euro angemeldet, unter ihnen viele Neckermann-Kunden, die Forderungen aus Retouren und verlorenen Gutschriften auf Kundenkonten geltend machen. Ob angesichts dieser Summen  überhaupt eine Quote ausgeschüttert werden kann, ist fraglich.

Ein Sprecher von CMS wollte sich nicht zu Verfahrensdetails äußern: "Das gebietet die Pflicht zur Nicht-Öffentlichkeit des Insolvenzverfahrens und Vereinbarungen der Vertragsparteien."

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