Deutsche Post Strategie 2025 „Keine Revolution, eher eine Evolution“

Gute (Konzern-)Lage, gute Laune: die beiden Deutsche-Post-Vorstände Frank Appel (Vorstandschef) und Melanie Kreis (Finanzchefin) bei der Präsentation der Konzernstrategie 2025. Quelle: REUTERS

Die neue Strategie der Deutschen Post ähnelt der alten: Konzernchef Frank Appel sieht das Unternehmen so gut aufgestellt „wie noch nie“, investiert aber sicherheitshalber zwei Milliarden Euro in die Digitalisierung.

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Die Deutsche Post beginnt ihre Präsentation zur „Strategie 2025“ mit dem Soul-Klassiker „Ain’t no mountain high enough“. Zu Beginn der Präsentation im konzerneigenen Frankfurter Veranstaltungsgebäude Holm („House of Logistics & Mobility“) erklingt das Lied aus den Boxen.

Kein Berg also ist für den Bonner Konzern hoch genug – diese Botschaft sollte die Zuversicht unterstreichen, welche die anwesenden Vorstandsvertreter, Konzernchef Frank Appel und Finanzchefin Melanie Kreis, auf der kleinen Bühne versprühten. Und in dieser Stimmung, vielleicht mit etwas mehr Sachlichkeit als ein Soul-Sänger, vermeldet Frank Appel zu Beginn seines Vortrags: „Dieses Unternehmen hatte noch nie so eine gute Position wie heute.“ Um diese Position weiterhin zu stärken, will der Logistikkonzern bis zum Jahr 2025 rund zwei Milliarden Euro in die Digitalisierung investieren.

„Die Digitalisierung wird unser Geschäft fundamental verändern, weil die Kosten dramatisch sinken“, dozierte Appel: „Das ist für uns eine enorme Chance.“ Der Einkauf im Internet werde weiterhin wachsen, in der Folge werden auch die Zustelldienste der Post zunehmend in Anspruch genommen.

Gut für die Post: Die Anzahl der Paketsendungen in Deutschland ist im Jahr 2018 um 4,9 Prozent gestiegen. Der Umsatz wuchs im selben Zeitraum um 5,2 Prozent. Konkret wurden 3,52 Milliarden Paket-, Kurier- und Express-Sendungen im vergangenen Jahr hierzulande ausgeliefert. Die Hälfte davon übernahm DHL. Nach Schätzungen der Strategieberatung Oliver Wyman dürften im Jahr 2028 schon neun Milliarden Pakete in Deutschland ausgeliefert werden.

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von Jacqueline Goebel

Was Digitalisierung für den Konzern bedeute, machte Appel an einem Beispiel fest: Sie bedeute etwa eine höhere Transparenz für Kunden bezüglich der Frage, wann ein Paket ankommt. „Die Prognosegenauigkeit ist teilweise dramatisch wichtiger als die Geschwindigkeit“, sagte Appel. Für Kunden werde es deutlich einfacher werden, mit der Post zu kommunizieren. Und auch der aktuell größte Paketkunde von DHL, Amazon, das derzeit rund 18 Prozent aller Bestellungen ausmacht, soll auch im Jahr 2025 nach wie vor ein großer Kunde des Bonner Konzerns sein, und nicht etwa ein Wettbewerber, versicherte Appel. Dass dies einer Klarstellung bedurfte, ist wohl dem Logistik-Tatendrang der US-Firma geschuldet: Amazon hat mehr als 500 seiner eigenen Paketstationen Amazon-Locker in Deutschland aufgestellt. Die stehen etwa in Supermärkten, an Tankstellen oder aber bei großen Firmen.

„Nicht neu erfinden, sondern digitalisieren“

Grundsätzlich erweckte Appel den Eindruck von Zufriedenheit mit Zustand und Entwicklung des Konzerns. Man brauche keinen grundsätzlich neuen Ansatz: „Wir haben die Möglichkeiten, hinreichend zu wachsen.“ Er werde den Konzern „nicht neu erfinden, sondern digitalisieren. Unsere Geschäftsmodelle funktionieren hervorragend.“ Zur Einordnung ist es hilfreich zu wissen, dass die Deutsche Post im vergangenen Geschäftsjahr zum ersten Mal seit Jahren vom US-Rivalen UPS überholt wurde, der mit umgerechnet 63,9 Milliarden Euro gut vier Prozent mehr umsetzte und damit die Weltspitze erklomm. 2018 wuchs die Deutsche Post um 1,8 Prozent auf 61,55 Milliarden Euro Umsatz. 

Frank Appel, der die Deutsche Post seit Februar 2008 leitet, dürfte aber auch einen gewissen, selbstgemachten Druck verspüren: Vor fünf Jahren versprach er, er werden den Betriebsgewinn von damals rund drei Milliarden Euro hochtreiben auf fünf Milliarden im Jahr 2020. Im vergangenen Jahr lag der Betriebsgewinn mit rund 3,2 Milliarden Euro noch ein gutes Stück davon entfernt. Im laufenden Jahr sollen es bis zu 4,3 Milliarden Euro werden. Nicht viele glauben noch daran, dass Appel die selbstgesteckten Ziele noch erreichen wird. 

Kunden der DHL sollen mehr Infos über die genaue Zustellung ihrer Pakete erhalten. Das entsprechende System soll zunächst regional getestet werden.

Ungeachtet dessen verkündete Finanzchefin Melanie Kreis in diesem Zusammenhang auch eine Neuerung: Von nun an werde man die Prognosen nur noch auf drei Jahre im Voraus begrenzen. Bis zum Jahr 2022 soll der operative Gewinn der Post auf mindestens 5,3 Milliarden Euro anschwellen, sagte Kreis. Und im Übrigen sagte sie: „Unsere Prioritäten sind hinreichend einfach“. Sodann zählte sie die vier Kernziele auf: profitables Wachstum, branchenführende Margen, verbesserte Cash-Generierung und eine „attraktive Rendite“ für die Aktionäre.

Im Oktober 2022 läuft Appels aktueller Vertrag aus. Ob er seinen Fünf-Jahres-Plan noch vollständig als CEO erleben und gestalten will, dazu äußerte sich Appel etwas ausweichend: „Darüber treffe ich jetzt keine Entscheidung.“ Im Übrigen aber sei er „noch jung genug, um über diesen Termin hinaus weiter zu arbeiten.“ Seine Lebensplanung bezüglich der Deutschen Post sei noch abgeschlossen. „Ich weiß heute nicht, wann ich dieses Unternehmen verlassen werde.“

Horst Manner-Romberg, Hamburger Berater für internationale Postgesellschaften, beurteilt die Eckpfeiler der Post-Strategie entsprechend unaufgeregt: „Es ist keine Revolution, sondern eher eine Evolution, die die Post heute präsentiert hat.“ Das annoncierte Konzernergebnis für 2022, ein Plus von sechs Prozent, „halte ich für nicht gerade sportlich, sondern konservativ. Aber weil die Post ihre größten Baustellen Supply Chain und Spedition schon angegangen ist, ist der Optimismus in meinen Augen begründet.“ In der Tat gab es in der Sparte Lieferkettenmanagement gerade einen Wechsel: Zum 1. Oktober übernimmt Hendrik Venter die Verantwortung für Europa, Naher Osten und Afrika; der bisherige Chef Oscar de Bok rückt in den Konzernvorstand auf. 

Hauptproblem des Bonner Konzerns war in der Vergangenheit aber die Sparte mit der Abkürzung PeP: Postbriefe, E-Commerce und Pakete. Die Brief- und Paketsparte ist mit 18,5 Milliarden Euro Umsatz die größte Abteilung des Konzerns. Der zuständige Vorstand Jürgen Gerdes musste das Unternehmen im Sommer 2018 nach einer Gewinnwarnung relativ zügig verlassen. In der offiziellen Begründung war von „unterschiedlicher Auffassungen über die strategische Schwerpunktsetzung“ die Rede. 

„Offensichtlich räumt man weiter mit verschiedenen Problemen der PeP-Sparte der jüngeren Vergangenheit auf“, sagt Branchenexperte Manner-Romberg: „Zu wenige Paketautomaten, überschaubares Interesse für die Streetscooter, Probleme mit den Handhelds, Probleme mit leichtgewichtigen E-Commerce-Sendungen – das wirft die Frage auf, wie die Kernsparte Postbriefe, E-Commerce und Pakete solche grundlegenden Themen übersehen konnte.“ 

Wer kauft der Post die StreetScooter ab?

Auf den ersten Blick sind die StreetScooter kein Misserfolg für die Post: 2014 hatten die Bonner die Aachener Jungfirma Streetscooter übernommen. Ende August nahm DHL den zehntausendsten E-Scooter für die Paketzustellung in Betrieb – ein Fünftel der Konzernflotte fährt somit elektrisch. Der nun für das deutsche Brief- und Paketgeschäft zuständige Vorstand Tobias Meyer hat das Ziel ausgerufen, die Logistik bis zum Jahr 2050 emissionsfrei zu gestalten. Dazu hat die Post 13.500 Ladesäulen an ihren Depots und Zustellbasen installiert. Allerdings weiß der Konzern nicht so recht, wohin mit dem Zukauf: Die StreetScooter-Werke in Düren und Aachen könnten pro Jahr bis zu 20.000 Fahrzeuge der Modelle „Work“ und „Work L“ produzieren. Doch diese Menge wird bislang nicht ausgeschöpft. Das größere Modell „Work XL“ wird in Zusammenarbeit mit US-Autobauer Ford produziert. Doch auch hier hört man wenig Neues. Frank Sportolari, Deutschlandchef des Wettbewerbers UPS, erklärte noch im August, die Streetscooter seien für ihre Zwecke nicht zu gebrauchen.

Auf die Zukunft dieser Fahrzeuge angesprochen, druckste Finanzchefin Melanie Kreis ein wenig herum: Zunächst einmal seien die Streetscooter natürlich eine Erfolgsgeschichte. „Aber wir wollen uns auf unsere Kernlogistikgebiete konzentrieren.“ Aktuell suche die Post „nach dem richtigen Setup“, beziehungsweise nach „der richtigen Konstellation, um die Streetscooter-Geschichte erfolgreich weiterzuschreiben.“ Was das konkret bedeutet? „Wir können uns vorstellen, noch andere an Bord zu holen.“ Beobachter rechnen mit einem Verkauf. Aber man darf annehmen: Wenn die Post schon einen Interessenten für die Scooter hätte, dann hätte sie ihn sicherlich präsentiert. So kann man davon ausgehen, dass die Suche nach einem Investor oder Käufer weiter läuft. Potenzielle Partner könnten Autobauer sein, aber auch Zulieferer.

Zum Schluss kam Appel noch auf das Thema Umwelt- und Klimaschutz zu sprechen. Die Deutsche Post emittierte im vergangenen Jahr rund 29,5 Millionen Tonnen CO2. Der Konzern habe sich frühzeitig dazu bekannt, seinen CO2-Fußbadruck zu verringern. Und klar sei ihm auch: „Das Thema Klima wird wichtig bleiben.“ Appel wiederholte seine Aussage, er halte es für richtig, „CO2 in geeigneter Form zu bepreisen. Wir werden da im Zweifel besser aufgestellt sein als unsere Wettbewerber.“ Natürlich führe das „irgendwann zu Preissteigerungen, da muss man sich nichts vormachen.“

Die Post-Aktie brachten Frank Appel und Melanie Kreis mit ihrem Auftritt indes leicht in Bewegung – allerdings eher in ungewünschte Richtung: Post-Aktien notierten am Dienstagnachmittag mit einem Minus von rund 2,4 Prozent bei 29,90 Euro.

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