Sie alle profitieren von der gestiegenen Bereitschaft der Deutschen, mehr Geld für Fahrräder auszugeben. Denn der Durchschnittswert eines gekauften Fahrrads bzw. E-Fahrrads hat sich kontinuierlich erhöht. Laut ZIV von 648 Euro (2016) auf 756 Euro (2018). Laut dem IFH Köln liegt der aktuelle Durchschnittspreis sogar annähernd bei 1000 Euro. Getrieben ist die Entwicklung vor allem durch die Popularität der Elektrofahrräder, die im Schnitt deutlich teurer sind als Fahrräder ohne Motor. 3,2 Millionen herkömmlichen Fahrrädern stehen mittlerweile fast eine Million verkaufte E-Fahrräder gegenüber – nahezu eine Verdopplung gegenüber 2015 (damals wurden 535.000 E-Fahrräder verkauft).
Zwei Trends also, die den Markt verändern – die aber losgelöst voneinander zu betrachten sind. Dies wird deutlich bei einem Vergleich der Zahlen vom Zweirad-Industrie-Verband mit jenen des Institut für Handelsforschung: Laut dem IFH liegt der Online-Anteil der Fahrräder und E-Fahrräder in Deutschland bei rund 13 Prozent, während der Industrieverband ZIV den Online-Anteil bei genannten 23 Prozent verortet. Die Erklärung: Die 13 Prozent stehen für den Wert aller verkauften Fahrräder, die 23 Prozent hingegen für die Menge. Bedeutet: Es wird zwar bald jedes vierte Rad im Internet gekauft, für die wertvollen Räder aber suchen die Kunden nach wie vor mehrheitlich die stationären Händler auf. Velobiz-Herausgeber Fritsch erläutert: Rennräder und sportliche Mountainbikes würden zunehmend im Internet gekauft, weil deren Käufer „in der Regel schon explizite Vorstellungen davon haben, welches Rad sie möchten, und entsprechend nicht mehr so stark auf Berater angewiesen sind.“
Elektro-Fahrräder: Was ist was?
Das Pedelec (kurz für: Pedal Electric Cycle) ist das, was umgangssprachlich in der Regel gemeint ist, wenn von einem E-Bike gesprochen wird. Dabei unterstützt ein Motor den Radfahrer. Hört dieser auf zu treten, hört auch der Motor auf. Die Trittkraftunterstützung geht bis zu einer Geschwindigkeit von 25 Stundenkilometern. Möchte der Radfahrer noch schneller sein, muss er das allein mit Muskelkraft erstrampeln.
Das Wort wird inzwischen oft als Oberbegriff für alle Arten von Rädern mit Elektromotor verwendet. Ursprünglich handelt es sich im Gegensatz zum Pedelec nur um Fahrräder, die auf Knopfdruck fahren, ohne dass der Fahrer dafür treten muss. Ein Versicherungskennzeichen, eine Betriebserlaubnis und mindestens eine Mofa- Prüfbescheinigung sind notwendig.
Man ist auf die eigene Leistungsfähigkeit angewiesen, wenn man schneller als 20 Stundenkilometer fahren möchte. Bis zu einer Motorleistung von 500 Watt und einer Höchstgeschwindigkeit mit Motorantrieb von 20 Stundenkilometern gelten sie als Kleinkraftrad. Eine Helmpflicht besteht bei den E-Bikes nicht.
Der ADFC definiert schnelle Pedelecs auch als "Schweizer Klasse oder S-Klasse". Sie gehören nicht mehr zu den Fahrrädern, sondern zu den Kleinkrafträdern. Hier wird die Motorunterstützung erst ab 45 Stundenkilometer abgestellt. Für diese Räder ist eine Betriebserlaubnis oder eine Einzelzulassung nötig. Das Rad braucht ein Versicherungskennzeichen.
Der Fahrer muss mindestens 16 Jahre alt sein und im Besitz einer Fahrerlaubnis der Klasse AM sein. Sie dürfen nicht auf Radwegen benutzt werden. Pflicht ist ein geeigneter Helm. Was aber als "geeignet" gilt, ist nicht eindeutig geregelt.
Für Pedelecs gelten die gleichen Gesetze wie für Fahrradfahrer ohne Motorunterstützung. Die Radwegepflicht besteht und wird durch das blaue Schild gekennzeichnet.
Ausgenommen sind reine E-Bikes, die auch fahren, ohne dass der Nutzer in die Pedale tritt und die Geschwindigkeiten bis zu 45 Stundenkilometern erreichen. Diese sind kennzeichenpflichtig und dürfen nicht auf Radwegen fahren – selbst dann nicht, wenn die Radwege für Mofas freigegeben sind.
Nein. Es besteht in Deutschland für E-Bike-Fahrer keine Helmpflicht. Obwohl damit die gleichen oder gar höhere Geschwindigkeiten erreicht werden können als mit einem Mofa.
Eine Erklärung für den Online-Trend bietet Lars Hofacker vom Kölner Forschungsinstitut EHI: „Am Anfang war es vielmehr eine sehr fahrrad- und onlineaffine, eher kleine Zielgruppe, die es sich zugetraut hat, Fahrräder im Internet zu kaufen und auch zu Hause selbst die Endmontage auszuführen. Die sperrigen und bei E-Bikes auch schweren Pakete sind nicht jedermanns Sache und es ist komplexer.“ Mittlerweile aber hätten viele Fahrradhändler die Marktchancen erkannt und bieten Online-Kunden vermehrt Services an: entweder durch ihre eigenen stationären Geschäfte oder aber mit Partnern – wie etwa Live-Cycle und Go-Bike-Service.
Einer der Live-Cycle-Kooperationspartner ist der Bocholter Fahrradhersteller Rose. Marcus Diekmann ist Roses Digital- und Verkaufschef. Er kennt die Branche, hat jahrelang beim niederländischen Konzern Accell gearbeitet, dem zweitgrößten Fahrradhersteller der Welt – und er kennt die Feinheiten des Internethandels. Vor der Rad- arbeitete er in der Schlaf-Branche, beim niederländischen Handelskonzern Beter Bed, dem unter anderem Matratzen Concord gehört. Davor war Diekmann selbständig mit seiner E-Commerce-Firma Shopmacher. Er hat schon Fielmann, Otto und den BVB in Sachen E-Commerce beraten.
Viele Fahrradhändler haben E-Commerce „echt verpennt“
Sein Urteil über die Rad-Gilde klingt alarmierend: „Verglichen mit Büchern, Kleidung oder Elektronik steht die Fahrradbranche noch am Anfang der digitalen Revolution. Die haben es echt verpennt.“ Viele Händler, sagt Diekmann, hätten lange geglaubt oder glaubten sogar noch immer, „man müsse Fahrräder anfassen vor dem Kauf. Das ist totaler Quatsch. Wie viele Leute kaufen Schuhe, ohne sie vorher anzuprobieren? Wie viele Menschen haben sogar einen Tesla gekauft, ohne ihn vorher angefasst oder gefahren zu haben? Da haben viele in der Fahrradbranche den Wandel der Gesellschaft zu lange ignoriert.“
Man könnte Diekmann vorhalten, er habe leicht reden: Denn der Firma Rose bleibt nicht viel übrig, als massiv auf den Internetverkauf zu setzen. Das Familienunternehmen wurde 1907 im münsterländischen Bocholt gegründet und betreibt deutschlandweit lediglich drei eigene Geschäfte. In der Konsequenz macht Rose 80 Prozent des Umsatzes von rund 96 Millionen Euro im Netz. Das Wachstum liegt zwischen 20 und 30 Prozent. Im Mai übernahm das Unternehmen die auf E-Commerce spezialisierte Agentur Kommerz aus Essen, um das Fachwissen weiter auszubauen.
„Wir werden uns zur Plattform weiterentwickeln“, kündigt Diekmann an. Ab dem kommenden Jahr bietet Rose auch anderen Herstellern aus der Fahrradbranche die Möglichkeit, über die Rose-Webseite ihre Räder und Zubehöre zu verkaufen. „Im Mittelpreis- und Premiumsegment der Fahrradbranche wollen wir die digitale Nummer eins werden.“
Seit Anfang 2017 besteht die Kooperation mit Live-Cycle. Der mobile Service werde von den Kunden „gut angenommen und lohnt sich“. Durch die zunehmende Bedeutung von Elektrofahrrädern und allgemein durch teurere Räder steige der Anspruch an Serviceleistungen. „Der Kunde stellt höhere Anforderungen“, sagt Diekmann: „Deshalb werden wir die Zusammenarbeit mit Live-Cycle auch ausbauen auf noch mehr Städte und auch noch mehr eigene Standorte eröffnen.“