Deutscher Kaffeegigant verkauft in den USA Tchibos Angriff auf Starbucks' Heimatmarkt

Tchibo will mit seinen Produkten in den USA mit den großen nationalen Einzelhändlern vor Ort und in gewissem Maße mit den Platzkirschen unter den Coffeeshops, Starbucks und JDE Peet’s, konkurrieren.

Tchibo will im US-Markt Fuß fassen. Um es mit Größen wie Starbucks und Peet’s aufzunehmen, setzt der deutsche Kaffeegigant auf über 70 Jahre Branchenerfahrung. Reicht das, um in Amerika erfolgreich zu sein?

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Es ist ein mutiger Schritt, den Thomas Linemayr bei Tchibo plant: Schon in den kommenden Wochen wird das Hamburger Unternehmen seine Röstspezialitäten und gemahlenen Kaffees in den USA einführen. Es ist die jüngste Initiative von Chief Executive Officer Linemayr. Dabei ist ihm der US-Markt nicht unbekannt. Vor seiner Zeit bei Tchibo hat er unter anderem das Amerika-Geschäft der Lindt & Sprüngli AG leitete. Mit diesem Wissen erscheint der Schritt weniger überraschend.

Nachdem Tchibo-Kaffee bereits in ganz Europa verkauft wird, möchte der Tchibo-Chef nun die Kaffeegenießer in den USA gewinnen. „Wir werden die wohlhabenderen, jüngeren Verbraucher und Kaffeeliebhaber im Visier haben“, sagte Linemayr, 59. „Wir wollen unser Unternehmen als Qualitätsführer etablieren.“

Tchibos Kaffee-Spezialitäten werden von Rainmaker Food Solutions vertrieben und bei einer breiten Auswahl von Einzelhändlern im Mittleren Westen, von Illinois, Indiana, Iowa, Ohio, Michigan, Minnesota, Missouri bis Wisconsin, erhältlich sein. Das Produktsortiment umfasst gemahlene Kaffeesorten sowie ganze Bohnen – die zwei Kategorien erhielten durch die Lockdowns Schub. Eine Kaffeemaschine mit Mahlwerk wird ebenfalls angeboten.

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von Thomas Kuhn

Die 1949 gegründete Tchibo kommt laut dem CEO auf einen Jahresumsatz von „knapp“ 4 Milliarden Dollar (3,4 Milliarden Euro), wobei etwa die Hälfte davon auf Kaffee entfällt. Das Unternehmen wolle mit den großen nationalen Einzelhändlern in den USA und in gewissem Maße mit den Platzkirschen unter den Coffeeshops, Starbucks und JDE Peet’s, konkurrieren, sagte Linemayr. Letzteres gehört zum Imperium der deutschen Milliardärsfamilie Reimann und ging erst Ende Mai an die Börse.

Dessen Erfolgsbilanz im alten Job sehr wahrscheinlich ein Verkaufsargument für diesen Schritt war: Während Linemayr von 1999 bis 2016 das US-Geschäft von Lindt & Sprüngli leitete, verhalf er dem Chocolatier, gemessen am Umsatz zur Nummer drei im Land aufzusteigen. „Wir haben versucht, den Verbraucher zu verstehen und die Marke sorgfältig aufgebaut – es war eine ziemliches Auf und Ab“, sagt er zu den Erfahrungen dieser Zeit. „Was ich gelernt habe, ist, dass Sie wirklich vergessen müssen, was Sie in Europa erfolgreich gemacht hat – Sie müssen lernen, wie man in Amerika Geschäfte macht.“

Von Tchibos Engagement auf dem US-Markt dürften sich die Verantwortlichen viel versprechen. Der deutsche Kaffeegigant drängt in einen Markt für gerösteten und gemahlenen Kaffee, der in den USA im vergangenen Jahr einen Umsatz von mehr als 4 Milliarden Dollar generierte, sagt James Watson, ein Marktanalyst für Rabobank in New York. Dieser Markt erlebt einen Schub in Richtung hochwertiger Produkte. „Es gibt einen erheblichen Trend zu Premium-Produkten, der unserer Meinung nach darauf zurückzuführen ist, dass Verbraucher von Coffeeshops zu Lebensmittelgeschäften wechseln“, sagte Watson in einem Interview. „Marktanteile gewinnen die Unternehmen, die am größten sind und die hochwertigsten Produkte haben.“


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Die Coronapandemie hat das Verbraucherverhalten verändert – was bedeutet, dass die Verbraucher eine neue Infrastruktur für ihren Kaffeekonsum zu Hause aufbauen, sagte Watson. Die Verbraucher verbringen mehr Zeit zu Hause und sparen Geld, weil sie nicht auswärts Kaffee trinken gehen. Daher sei anzunehmen, dass eine beträchtliche Zahl von Konsumenten während der Pandemie mehr Geld für den Kaffeekonsum ausgeben wird als vor Covid-19, schätzt Matthew Barry vom Marktforscher Euromonitor International in Chicago. „Die Amerikaner trinken im Büro viel weniger Kaffee als früher, und ein großer Teil davon verlagert sich stattdessen auf gerösteten und gemahlenen Kaffee zu hause“, sagte Barry. „Es gibt Chancen bei mehr Premium-Kaffee für den Eigenbedarf.“ Die Verschiebung ist jedoch möglicherweise nicht dauerhaft, wenn Verbraucher sich wieder wohler dabei fühlen, in Coffeeshops zu gehen.

Tchibo ist übrigens nicht die einzige europäische Kaffeeverkäufer, der den US-Markt in den Blick genommen hat. Ein Konkurrent wird dort auch Illycafe SpA sein. Die europäische Rösterei, die Premiumprodukte verkauft und bereits in den USA expandiert, hat durch Covid-19 allerdings bereits einen Umsatzrückgang in Kauf nehmen müssen. Der Grund ist der Fokus auf Gastro statt Handel: 60 Prozent der US-Einnahmen wurden mit Restaurants, Cafés, Fluggesellschaften und Transportunternehmen erzielt, sagte Chairman Andrea Illy. Hier zumindest startet Tchibo den Marktforschern zufolge in dem pandemiesichereren Zweig mit seinem Fokus auf den Handel.

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