Deutschlandchef von H&M „Ich sehe viele Menschen, die bei Fridays for Future mitlaufen – und anschließend zu H&M gehen“

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„Wir verschrotten keine Neuware“

Aber es wird immer noch viel produziert, was nur einmal, oder auch: nie getragen wird. Und viel Neuware wird auch immer noch verschrottet. Das ist ein Problem.
Um das einmal klar zu sagen: Wir verschrotten keine Neuware. Aber für mich gehört auch dazu: Kundinnen und Kunden aufzuklären, dass sie keinen positiven Beitrag leisten, wenn sie etwas kaufen, was sie nicht brauchen. Und umgekehrt: Auch H&M kann seinen Beitrag leisten, indem wir nur das einkaufen, was letztendlich auch gekauft wird…

…und auch getragen wird.
Wir können aber nicht in den Kleiderschrank gehen und jedem sagen: Du musst heute das anziehen, das hattest du noch nie an. Das müssen Kunden selber machen. Irgendwann wird eine Künstliche Intelligenz vielleicht mal solche Vorschläge machen. Aber wir werden dahin kommen, dass wir nur das produzieren, was wirklich nachgefragt wird. Das kann man nicht auf ein T-Shirt runterbrechen. Ich bin überzeugt, dass wir es schaffen werden, gegen die Art von Massenkonsum anzugehen, bei der zu viel Ware im Markt ist, die kein Mensch haben will.

Das ist ja das entscheidende Problem, denn bei der Produktion und dem Vertrieb der Kleidung entstehen ja die meisten CO2-Emissionen. Wie wollen Sie das schaffen?
Wir haben uns das Know-How aufgebaut, H&M wurde 1947 gegründet. Wir generieren vielfältige Daten, und gepaart mit künstlicher Intelligenz können wir Vorhersagen treffen. Wir können heute exakter einschätzen, wie die Kollektion gestaltet sein muss, damit sie möglichst genau den Geschmack unserer Kundinnen und Kunden trifft. Die Menschen sind in der Regel nicht so crazy, dass sie von einer zur anderen Saison komplett anders einkaufen, was Style, Farben und Größe betrifft.

Der gern benutzte Begriff „Wachstumsstory“ klingt im Zusammenhang mit Kleider-Überproduktion schädlich – andererseits ist H&M ein börsennotiertes Unternehmen. Benötigt der Konzern langfristig ein neues Geschäftsmodell – und wie könnte das aussehen? Sie probieren ja viel aus, etwa Recycling, Second-Hand oder Kleidung ausleihen.
Wir probieren Verschiedenes aus, aber wir sind noch nicht an dem Punkt, dass wir sagen können: Genau so muss man’s machen, damit – zum Beispiel – das Leihen von Kleidung für unsere Kunden Spaß macht und wir gleichzeitig damit Geld verdienen können. Wir sind aber bereit, da zu investieren, weil wir glauben, dass das in Zukunft gut funktionieren wird und ein wichtiger Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft.

Das Mieten von Kleidung bietet H&M bisher in zwei Filialen weltweit an, in Stockholm und seit einem Jahr in Berlin. Wie läuft’s?
Ich kann noch keine Zahlen nennen. Aber es läuft gut. Wir bieten dort kein schwarzes T-Shirt an, sondern eher solche Kleidungsstücke, für die es wenig Gelegenheiten gibt, sie zu tragen. In unserer Filiale in Berlin-Mitte kann man anhand des Barcodes eines Kleidungsstücks sehen, wie oft das Teil schon ausgeliehen wurde und wie stark der persönliche CO2-Einsparbeitrag ausfällt, dadurch, dass man es leiht und nicht kauft.

Das ist bisher aber nur ein sehr kleiner Beitrag. Gibt es Pläne, das auszubauen?
Ideen gibt es. Wir sind aber noch in der Phase, in der wir handeln, lernen und uns anpassen. Also: Ist es etwas, was wir besser im physischen Store anbieten sollten, oder ist es besser, online anzubieten?

Und?
Für eine Antwort darauf ist es noch zu früh. Ob wir das genauso, wie wir es seit einem Jahr in Berlin anbieten, in allen anderen deutschen Städten anbieten könnten – weiß ich nicht. Wir müssen es ja auch handhaben können. Wir müssen die Teile ja auch reinigen und zurückführen. Und wir können nicht immer einfach wahllos Teile hinzufügen, wir müssen eine Saisonalität drin haben. Es ist ja nicht so, dass zum Beispiel das ganze Jahr über gefeiert wird, und daher nur solche Mode getragen wird.

War das Ausleih-Projekt erst mal ein Verlustgeschäft?
Aktuell verdienen wir damit noch kein Geld. Aber das ist nichts Ungewöhnliches. Das beunruhigt mich auch nicht. Uns geht es darum, Projekte und Maßnahmen zu identifizieren, die uns helfen, unsere Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Und dafür sind Investitionen zentral, beispielsweise im Bereich Resell. Seit 2015 hält die H&M Group eine Mehrheit an der Resell-Plattform Sellpy, 2020 ist Sellpy nach Deutschland expandiert. Wir müssen es Kunden so einfach wie möglich machen, Kleidung am Ende des ersten Lebens weiterzugeben – und so Mode besser zu konsumieren.

Im Geschäftsjahr 2019/2020 gingen die Umsätze global um 18 Prozent zurück, der Gewinn schmolz gar um 91 Prozent. In Deutschland ging der Umsatz um 12 Prozent zurück. Wie ist es im nun zu Ende gehenden Geschäftsjahr gelaufen?
Zu diesem Zeitpunkt des Jahres kann ich sagen: Wir fühlen uns heute besser als vor einem Jahr. Heute vor einem Jahr wäre ich nicht so positiv gewesen. Jetzt schlage ich auch keine Purzelbäume. Aber wir führen das Unternehmen profitabel und kommen gut durch diese verrückten Zeiten. Aber natürlich nimmt zum Beispiel die Pandemie einen riesigen Einfluss auf unser Business und es wird eine Menge abverlangt.

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