„Die Oetker-Story“ Frauenversteher, Nazis und Marketingpioniere

Familienunternehmen sind spannend – vor allem, wenn sie eine schicksalhafte Geschichte wie die Oetkers zu bieten haben. Heute startet das ZDF seine Reihe über „Deutschlands große Clans“ mit dem Konzern aus Ostwestfalen.

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Dr. August Oetker, gespielt von Frank Auerbach, beim Experimentieren in der heimischen Küche. Quelle: ZDF und Marcus Simaitis

Düsseldorf Mancher Gründer wird heute gern belächelt, wenn er eine Idee hat. Als August Oetker einst das Backpulver in kleine Tütchen füllte und zu einem vermeintlich geringen Preis, je Gramm gerechnet aber deutlich teurer an die Hausfrauen verkaufte, legte er damit den Grundstein für einen Familienkonzern.

Zu dem zählen nicht nur die berühmten Backmischungen und Puddingpulver der Marke „Dr. Oetker“, sondern zum Beispiel auch die Tiefkühlpizzen, die in 40 Länder weltweit verkauft werden, oder das Bankhaus Lampe. Ende des Jahres wird der amtierende Firmenchef Richard Oetker – ein Vertreter der vierten Generation – die Führung der Unternehmensgruppe abgeben. Doch noch ist unklar, wer ihm nachfolgen wird.

Die Dokumentation von Heike Nelsen-Minkenberg im ZDF am heutigen Dienstag zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr gibt darauf auch keine Antwort. Aber für sie haben der frühere Firmenchef August und der amtierende Unternehmenslenker Richard Oetker ihre privaten Archive geöffnet. Nelsen-Minkenberg erläutert die Geschichte des Unternehmens, das von einer Idee zu einem Familienkonzern mit heute mehr als zwölf Milliarden Euro Umsatz geworden ist. Offen berichten aber auch der frühere und der amtierende Unternehmenschef von ihren schwersten Stunden.

Doch zunächst erzählt der Film vom Ehrgeiz des Firmengründers August Oetker, einem Bäckersohn aus bescheidenen Verhältnissen, der gern eine eigene Apotheke betreiben will. Doch ihm fehlt das Geld. Seine Frau Caroline Jacobi hat es. Und weil die nächste freie Apotheke in Bielefeld steht, gehen August und seine Frau von Berlin aus dorthin. Ein Umzug, von dem Bielefeld bis heute profitiert.

Wie manches Start-up heute stellte August Oetker schon im ersten Jahr 75 Mitarbeiter ein. Im Unterschied zu den aktuellen Gründern erwirtschaftete er aber sofort Gewinne. Denn die Marge war groß, allein durch den Umstand, dass August Oetker das Backpulver in die berühmten Päckchen füllt, die genau für ein Pfund Mehl reichen.

Auch kennt Oetker schon, was Content Marketing heißt: Er druckt Rezepte auf die Rückseite der Päckchen, vergibt die „Geling-Garantie“, macht die erste deutsche Kinowerbung und versteht, welche Sorgen die Hausfrauen umtreiben, wenn sich zum Beispiel unangemeldeter Besuch einstellt.


Verstrickungen ins Nazi-Regime

Doch die Schicksalsschläge kommen auch. Rudolf, der Sohn des Patriarchen August, wächst in der Firma auf, doch er fällt 1916 im ersten Weltkrieg. Seine Frau hat bereits eine Tochter und bringt nach seinem Tod Sohn Rudolf-August zur Welt. Am kommenden Dienstag wäre er 100 Jahre alt geworden. 1918 aber stirbt auch der Firmengründer. Wieder ist es seine Frau Caroline, die die Firma rettet.

Und dann tritt Richard Kaselowsky auf den Plan, ein Freund des verstorbenen Rudolf. In ihn verliebt sich dessen Witwe Ida. Kaselowsky tritt ins Unternehmen ein, er kauft einen Verlag, weil auch er verstanden hat, dass Inhalte also Kochrezepte für den Absatz der Produkte wichtig sind. Doch Kaselowsky tritt 1933 der NSDAP bei und später auch dem Freundeskreis Reichsführer SS. Er setzt bei Tochterfirmen Zwangsarbeiter ein. Im Jahr 2000 zahlt Oetker freiwillig in einen Entschädigungsfonds ein.

Der junge Rudolf-August wird wegen Verstrickungen in der Nazizeit interniert, übernimmt aber nach dem Tod seines Ziehvaters Kaselowsky die Firmenleitung. Er diversifiziert und investiert ins Reederei- und Brauereigeschäft. Er war dreimal verheiratet und hinterließ bei seinem Tod acht Kinder. Im Film erzählt Rudolf-Augusts ältester Sohn August, wie er einst das Unternehmen nach New York verließ und ihn sein Vater per Schiff wieder zurückholte. Und auch sein Bruder Richard berichtet von den schwersten Stunden seines Lebens, als er 1976 entführt und in eine Kiste gesperrt wurde.

Nelsen-Minkenberg ist es gelungen, die Geschichte der Familie und des Unternehmens kompakt zu erzählen. Doch es bleibt spannend, wie es weiter geht. Auf der Bilanzpressekonferenz Ende Juni sagte der Finanzchef der Oetker-Gruppe, Albert Christmann, dass der Nachfolger von Richard Oetker rechtzeitig bekannt gegeben wird. Seine Amtszeit wird am 31.12.2016 enden. Dann wird der Oetker-Geschichte ein neues Kapitel hinzu gefügt.

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