50 Jahre Lidl Der Discounter-König und seine sechs Erfolgs-Geheimnisse

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Dieter Schwarz: Der Experte für die rationale Seite des Geschäfts

4.    Vertraue auf unkonventionelle Mitarbeiter!

Schwarz gilt als Experte für die rationale Seite des Geschäfts. Seine Stärke ist, dass er weiß, dass Logik und Zahlen allein nicht ausreichen, um das Unternehmen auf Dauer voranzutreiben. „Niemand kann so schnell Aktenberge durchdringen und ist so schnell mit Zahlen. Vor allem aber hat er ein Gespür dafür, auf die richtigen Menschen zu setzen“, sagte Walter Pötter, der langjährige Lidl-Chefeinkäufer und Mastermind hinter dem Aufbau der konzerneigenen Produktionsbetriebe, dem „Manager Magazin“. Auch der im April 2022 verstorbene Walter Herrmann, den Dieter Schwarz schon 1968 zum Prokuristen bestellte und vor allem für Kaufland prägte, gehörte zu Schwarz‘ Vertrauten. „Zwischen uns beide passte kein Blatt Papier. Wir haben uns perfekt ergänzt“, beschrieb Hermann vor wenigen Jahren die Zusammenarbeit mit dem Lidl- und Kaufland-Inhaber. So machte Schwarz anfangs Preise und die Werbung, Herrmann kümmerte sich um Personalpolitik, Verkauf und alles, was außerhalb der Zentrale angepackt werden musste. 

Herrmann war es auch, der 1976 einen Manager einstellte, ohne den der Aufstieg des Discounters zu heutiger Größe und Stärke kaum vorstellbar ist: Klaus Gehrig. Der Manager ist die ideale Ergänzung zu dem zurückhaltenden Unternehmer. Typ: zupackender Bauchmensch. Einer, der nicht groß redet, sondern handelt und den Laden auf Kurs hält. Seinen Spitznamen hatte Gehrig schnell weg: „Killerwal“. Schnell steigt er zum wichtigsten Manager der Gruppe auf. Schwarz dagegen zieht sich nach und nach aus dem operativen Geschäft zurück. 

Krisen wie Lidls Überwachungsskandal übersteht der Manager unbeschadet, sein Verschleiß von Führungskräften ist bald schon legendär. Doch Schwarz lässt Gehrig machen: Die Zahl der Filialen wächst, die Auslandsexpansion nimmt Fahrt auf, Lidl wächst zu einer Billigmacht heran. „Lieber Herr Gehrig“, schreibt Schwarz später in einer Festschrift zum 40. Dienstjubiläum von Gehrig, „Sie haben aus dem kleinen Lidl, der am 1.2.1976 gerade einmal zwölf Filialen hatte, das größte und beste Discount-Unternehmen in Europa gemacht.“ Und weiter: „Ihre wichtigste Aufgabe wird einmal sein“, schreibt Schwarz, „zu gegebener Zeit Ihre Nachfolge zu regeln“.

5.    Behalte stets die Kontrolle!

Trotz seines Rückzugs aus dem Tageskleinklein ist Schwarz bestens über die Lage seines Konzerns informiert. „Er ist ein Zahlenmensch“, sagte Gehrig einmal über Schwarz. „Wir reden auch über Ergebnisse. Wenn Schwarz eine Statistik liest, dann weiß ich, dass er sich jedes Komma anschaut. Dann brauche ich sie nicht mehr zu lesen“, sagte er. „Wir haben da eine gewisse Arbeitsteilung. Wenn Dieter Schwarz etwas bemerkt, dann meldet er sich bei mir“. Und wenn seine Wünsche nicht umgesetzt werden, dann handelt er, wie am 2. Juli 2021. 

Mittags ging die Mail an die Mitarbeiter, einige Minuten später folgte die Pressemitteilung: „Klaus Gehrig ist nicht mehr Chef der Schwarz Gruppe“. Vorübergehend übernehme der damals 81-jährige Schwarz den Job. Streitpunkt war Gehrigs Nachfolgeplanung – und damit die Zukunft des Konzerns. Mit Gerd Chrzanowski war offiziell zwar ein langjähriger Manager als Thronfolger auserkoren. Doch Gehrig brachte mit Melanie Köhler auch eine vergleichsweise junge Managerin für höhere Weihen in Stellung. Als es zwischen den Titelaspiranten zu einem Schlagabtausch kam, soll Schwarz Gehrig aufgefordert haben, „den Machtkampf im Sinne der Zukunft des Unternehmens zu entscheiden“, wie die „Lebensmittelzeitung“ berichtete. 

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Den Patron beschäftigte offenbar die Frage, wer sein Lebenswerk fortführt, falls ihm etwas zustoßen sollte: eine Jungmanagerin oder ein gestandener Discountexperte? Seine Entscheidung war eindeutig: Als Gehrig sie nicht wie gefordert umsetzte, zog Schwarz die Konsequenzen und stieg für ein paar Monate selbst in den Ring. Inzwischen hat Chrzanowski wie geplant das Kommando übernommen, Schwarz wirkt wieder im Hintergrund. 

6.    Schütze die Privatsphäre!

„Das wohl bestgehütete Geheimnis des nördlichen Schwabenlands ist das Gesicht von Dieter Schwarz“, schreibt die „Lebensmittelzeitung“. Fotos von ihm sind rar und das soll auch so bleiben: Auszeichnungen und Ehrungen lehnt Schwarz schon mal ab, um öffentliche Auftritte zu vermeiden. Interviewanfragen werden regelmäßig mit nein beantwortet, traditionell ist man bei Lidl ja sparsam mit Auskünften. So bedauerlich die Medienabstinenz auf der einen Seite ist, so nachvollziehbar ist sie auf der anderen: Bis heute kann der Lidl-Gründer und reichste Deutsche, ohne Sorge durch seine Heimatstadt Heilbronn flanieren. Das dient der Sicherheit, schützt aber auch vor lästigen Geschäftsangeboten, unseriösen Spendenanfragen oder sonstigen Zudringlichkeiten. 

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Mit medialer Zurückhaltung allein ist es indes nicht getan. Würde Schwarz sich Luxusyachten leisten, sein Geld in Fußballclubs stecken oder Opernhäuser errichten, stünde er wohl trotzdem im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Doch derlei Extravaganzen sind ihm fremd. Sein Ferienhaus am Chiemsee gehört nicht in die Bling-bling-Kategorie. Sein Wohnhaus in Heilbronn soll sich unauffällig zwischen andere Einfamilienhäuser in seiner Heimatstadt reihen. Ab und zu spielt er eine Partie Golf, gönnt sich einen guten Rotwein, lebt für einen Milliardär aber durchaus bescheiden. All das trägt dazu bei, dass seine Privatsphäre in Heilbronn respektiert wird. 

Wenn er in der Region in Erscheinung tritt, dann vor allem als Spender und Mäzen. Da ist zum Beispiel die Experimenta, eine Wissens- und Mitmachausstellung, die sich als „Deutschlands größtes Science-Center“ bezeichnet und von Schwarz‘ Stiftung finanziert wird. Von seinem Geld profitiert auch die Wissenschaftsszene. Einen mutmaßlich dreistelligen Millionenbetrag hat er für 20 Professuren gespendet. Einen Bildungscampus ließ er seit 2010 in mehreren Abschnitten in Heilbronn errichten. 

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Transparenzhinweis: Dieser Beitrag erschien erstmals im September 2022. Er wurde im Juni 2023 redaktionell aktualisiert und neu veröffentlicht. Wir zeigen ihn aufgrund des Leserinteresses erneut.

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