Dietrich Mateschitz ist gestorben Der dem Bullen die Flügel verlieh

Multimilliardär Dietrich Mateschitz gründete in den 1980ern mit seinem thailändischen Partner das Unternehmen Red Bull. Quelle: dpa

Multimilliardär Dietrich Mateschitz ist tot. Der Red-Bull-Gründer war Marketinggenie, prägte zuletzt die Formel 1 entscheidend mit und hielt sich doch stets lieber im Hintergrund. Ein Nachruf.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Angeblich griff er selbst täglich zur Dose. Zu dem Energydrink mit dem roten Bullen, der ihn zum Multimilliardär machte. Jetzt ist Dietrich Mateschitz gestorben. Über Mateschitz' Tod hatte Red Bull die Mitarbeiter kurz vor Mitternacht deutscher Zeit in einer Mail informiert. „In diesen Momenten überdeckt Trauer alle anderen Gefühle. Aber schon bald wird die Trauer Platz machen für Dankbarkeit, dafür, was er verändert, bewegt, bewirkt und so vielen Menschen ermöglicht hat. Wir werden ihm respektvoll und liebevoll verbunden bleiben“, hieß es darin: „Unser aller Aufgabe und Verantwortung ist es, sein Lebenswerk in seinem Sinn fortzuführen.“ .

Der Österreicher, dessen Vermögen zuletzt vom Forbes-Magazin auf rund 27,4 Milliarden Euro geschätzt wurde, dürfte vor allem als Red-Bull-Gründer in Erinnerung bleiben. Als Marketinggenie und Wegbereiter des wohl bekanntesten Energydrinks der Welt – und dem dazugehörigen Marketingimperium. Der Mann, der öffentliche Auftritte gehasst und deshalb nur sehr selten Interviews gegeben haben soll, blieb all die Jahre, in denen seine Marke immer größer und bekannter wurde, im Hintergrund. Dabei ist unstrittig, dass es der Marketing-Instinkt von Dietrich Mateschitz war, der dem roten Bullen seine Flügel verlieh.

Mitte der Achtzigerjahre, so besagt es der Gründungsmythos Red Bulls, war Dietrich Mateschitz, damals noch Marketingmanager bei der Zahnpastamarke Blendax, auf einer Fernostreise, als er auf den in Thailand beliebten Aufputschdrink Krating Daeng stieß, was auf Deutsch „Roter Stier“ heißt. Die Familie Yoovidhya machte damit in ihrer Heimat bereits ein sehr gutes Geschäft. Mateschitz gelang es, mit der thailändischen Unternehmerfamilie in Kontakt zu treten, bot ihnen eine Partnerschaft an, um das Getränk auch in Europa zu verkaufen – und die Yoovidhyas schlugen ein. Sie sicherten sich 51 Prozent am Unternehmen, Mateschitz gab sich mit 49 Prozent zufrieden.

Der Österreicher veränderte das Rezept leicht: Er versetzte das Getränk mit Kohlensäure, tauschte die Glasflaschen für die Kunden im Westen gegen schlanke, silberne Dosen und verpasste der Marke einen komplett neuen Auftritt: Aus Krating Daeng wurde Red Bull. Im April 1987 kamen die ersten Dosen in Österreich in den Handel.

Marketingmann durch und durch: eine Millionen Euro für Werbung schon im ersten Jahr

Gewinn machte das Unternehmen in den ersten beiden Jahre nicht. Zwar setzte Red Bull bereits 1987 umgerechnet 800.000 Euro um, allerdings steckte Mateschitz damals auch mehr als eine Million Euro in Marketing und Werbeaktionen.

Doch schon bald darauf sollte der Siegeszug des Kultgetränks beginnen, der seines Gleichen sucht. Dank des cleveren Marketings Dietrich Mateschitz' avancierte Red Bull in den Neunzigerjahren zum In-Getränk für die Partyszene und adrenalinsüchtige Actionsportler wie Freestyle-Skifahrern, BMX-Radartisten und Surfer.

Nürnberg im September 2017: Ein Teilnehmer des Red Bull District Rides bei seinem Sprung. Quelle: imago images

Das war alles andere als ein Zufall: Gemäß dem von Mateschitz' Studienfreund, dem Werber Hansl Kastner, erfundenen Spruch „Red Bull verleiht Flügel“ sponserte Red Bull von Beginn an Fun- und Extremsportler in noch jungen Trendsportarten. Bei Events von Mountainbikern, Drachenfliegern oder Windsurfern verteilten Mitarbeiter palettenweise die silber-blauen Dosen kostenlos an Fans und Athleten. Es dauerte nicht lange, da mutierte der Werbeslogan zum geflügelten Wort.

Zwar gelang selbst Mateschitz nicht alles. Seine österreichische Coke namens Simply Cola blieb ebenso erfolglos wie das Sirupgetränk Red Rooster. Auch eine Kaffeehauskette mit dem Namen Afro Coffee zählt zu den vergeblichen Versuchen Mateschitz sein Imperium im Getränkesegment zu erweitern – es blieb bei einer einzigen Filiale in Salzburg (und einem Online-Shop). Aber seine Bilanz mit Red Bull ist mehr als bemerkenswert.

Es war Mateschitz' Masterplan für Red Bull, der den Konzern zum Erfolg führte – und Dietrich Mateschitz zum gefeierten Unternehmer und reichsten Menschen Österreichs machte. Der Masterplan des einstigen Unilever-Marketingmanagers bestand vor allem aus einem Punkt: Die Marke Red Bull erlebbar machen. „Wenn ihm das nicht so gut gelänge, wäre Red Bull nicht wesentlich bekannter als der O-Saft Valensina“, sagte einst der Chef einer Düsseldorfer Werbeagentur gegenüber der WirtschaftsWoche.

Mateschitz' Red-Bull-Marketingtruppe war nicht nur bei Extremsportarten omnipräsent, sie dachte sich sogar neue Sportarten und Wettkämpfe aus, etwa den Fliegerslalom Air Race oder das Motorradspektakel X-Fighters. Der Red-Bull-Flugtag, bei dem Amateure in selbst gebauten Klapperkisten über Rampen in einen See springen, ist heute geradezu legendär.

Legendär: der Red-Bull-Flugtag. Quelle: PR

Red Bull siedelte sich als Marke in sämtlichen Adrenalin-gespeisten Sportarten an. Kaum ein BMX-Wettkampf, kein Motorsport-Event kommt heute noch ohne Red-Bull-Embleme aus.

Klassische Werbung hingegen, war sich der Marketingprofi Mateschitz immer sicher, hätte seinem Energydrink niemals den gleichen Erfolg beschert: „Man könnte mir die ganzen Banden eines Fußballstadions schenken, ich würde sie nicht nehmen, weil mir einfach der qualitative Aspekt von dem Ganzen fehlt. Unsere Philosophie ist, dass wir ein integraler Bestandteil der Sportart sind“, sagte er einst. Sein Credo: Der Mensch kann, wenn er will, Grenzen überschreiten.

Mateschitz-Meistercoup: der Baumgartner-Sprung

Die extremste Grenze, die ein Sportler unter dem Red-Bull-Logo überquerte, dürfte dabei Felix Baumgartner gewesen sein, als er am 14. Oktober 2012 Geschichte schrieb, indem aus der Stratosphäre in die Tiefe sprang. Viele Millionen Zuschauer auf Youtube und vor den Fernsehern hielten damals den Atem an, als der Extremsportler Baumgartner, auf dessen Helm und Oberarm gut sichtbar rote Bullen prangten, aus gut 39 Kilometern Höhe auf die Erde sprang.

Sponsored by Red Bull: Felix Baumgartner kurz vor seinem Weltrekordsprung im Juli 2021. Quelle: imago images

Medienexperten nannten es den wohl größten Coup Red Bulls seit der Unternehmensgründung. Mateschitz soll für das Projekt unter dem Titel „Red Bull Mission Stratos“ damals 50 Millionen Euro investiert haben. Die Medienpräsenz wurde damals auf eine Milliarde Euro geschätzt.

Andere, wohl finanziell ähnlich erfolgreiche Coups landete Mateschitz im Rennsport und im Fußball. In der weltweit populärsten Sportart platzierte er zunächst in seiner Heimat Salzburg seine Marke in der dortigen Fußballprofiliga und machte sich so im österreichischen Fußball omnipräsent: Der FC Red Bull Salzburg steht derzeit auf Tabellenplatz eins. Was in Österreich gelang, dem Jahrzehnte-alten Bolzverein seinen Namen in voller Pracht aufzudrücken, wurde in der deutschen Fußballbundesliga zwar verweigert (laut der Satzung des Deutschen Fußballbundes ist eine Namensgebung zu Werbezwecken nicht gestattet). Dem erfolgreichen Marketing tat das letztlich aber keinen Abbruch – im Gegenteil. Spätestens seit dem Rechtsstreit ist auch den meisten Nicht-Fußballfans in Deutschland bekannt, dass RB Leipzig zwar offiziell für „Rasenballsport Leipzig“ steht, sich hinter den Initialen RB aber eigentlich etwas ganz anderes verbirgt... Da RB Leipzig direkt im ersten Jahr mit neuem Namen und neuem Investor den Aufstieg in die erste Bundesliga schaffte, gingen Werbeexperten durch die gesteigerte Aufmerksamkeit von einem Werbewert von bis zu 50 Millionen Euro für Red Bull aus.

Bei der Formel 1 hatte es Dietrich Mateschitz deutlich leichter die Werbemaschine in Gang zu bringen. Er kaufte einen Rennstall, gab ihm den Namen Red Bull Racing, und das Team trat 2005 bei seinem ersten Grand Prix an. Ob sich ein Investment in einen komplett eigenen Rennstall gelohnt hatte, beantwortete die Rennwertung zum Saisonende 2010: Im sechsten Jahr seines Bestehens gewann das Team erstmals beide WM-Titel, sowohl die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft als auch die Fahrer-Weltmeisterschaft. Der Goldjunge am Steuer: Sebastian Vettel. Es folgten sechs weitere Titel (vier Mal in Folge Vettel, zwei Mal Max Verstappen 2021 und 2022). Auch hier dürften den dreistelligen Millionen-Investitionen pro Jahr bis zuletzt hohe Milliardenbeträge an Werbewert gegenübergestanden haben.

Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz (links) im März 2022 in der Box des Red-Bull-Formel1-Teams beim Großen Preis von Bahrain.

Man könnte nun endlos so weitermachen: ein Fußballverein in New York, Basketball- und Eishockeyteams, Mountainbiker, Schwimmer, Klippenspringer... Doch eigentlich ist die Geschichte des Mateschitzschen Marketingimperiums hier noch längst nicht zu Ende erzählt. Zu Mateschitz' Red-Bull-Kosmos gehörte längst nicht mehr „nur“ seine eigene Sport- und Medienwelt, sondern mit Red Bull TV sogar ein weltweiter TV-Sender. Das Ziel: Red Bull rund um die Uhr, rund um die Welt.

Das vermeintliche Kernprodukt des Unternehmens, der Energydrink aus der Dose, sorgt heute wie noch nie für riesige Gewinne. Allein 2021 wuchs Red Bull im Vergleich zum Vorjahr um 54,3 Prozent, vermeldet der Bundesverband der Systemgastronomie, und ist damit absoluter Marktführer. Doch während der Energydrink die Kasse klingeln lässt, spielt er im bewussten Portfolio Red Bulls ebenso wie in der internen Kostenrechnung eher eine Nebenrolle. CEO Mateschitz pflegte bis zuletzt konsequent den Ansatz, die Erlebniswelt rund um die Dose als Vehikel zu nutzen. Der Konzern ist viel mehr Medien-Event-Imperium mit angeschlossenem Brausevertrieb als ein „Getränkekonzern“ wie Coca-Cola oder PepsiCo.

Immobilien Hat die Einzimmerwohnung ausgedient?

Die Chancen für Kapitalanleger sind so groß wie nie, sagt Immobilienexperte Florian Bauer. Und erklärt, warum eine Dreizimmerwohnung in Hannover vielversprechender ist als eine Einzimmerwohnung in München.

Bitcoin „80.000 Dollar im Blick“: Wie geht es für den Bitcoin-Kurs nach dem Rekordhoch weiter?

Die Rally geht weiter. Am Montag hat Bitcoin erneut sein bisheriges Allzeithoch gerissen und notierte auf bisher unbekannten Höhen. Wie es weiter geht – und ob Anleger noch in Kryptowährungen investieren sollten.

Hörmann So trickreich umschifft der Garagenkonzern die Russland-Sanktionen

Die Familie Hörmann ist Europas Marktführer bei Garagentoren. Nach Kriegsbeginn hat sie ihr Geschäft in Russland und Belarus ausgeweitet. Jetzt ermittelt der Staatsanwalt.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Der Weg vom Getränkeriesen zur Medien- und Marketingmaschine erklärt sich im Falle Red Bulls eigentlich von selbst. Marketingprofi Mateschitz verfolgte quasi das uralte Sprichwort „Schuster, bleib bei deinen Leisten“. Denn das österreichische Unternehmen Red Bull füllte nie auch nur eine einzige Dose Red Bull ab. Von Beginn an setzte Mateschitz auf komplettes Outsourcing. Im Hause Red Bull konzentriert sich seit jeher alles auf Werbung und Marketing.

Mit Mateschitz verliert Red Bull nun das Genie hinter dem Marketing-Imperium. Über die Nachfolge bei Red Bull hatte Mateschitz, wie über die meisten Dinge, die seine Person betrafen, nie öffentlich gesprochen. Laut dem „Manager Magazin“ soll es aber eine Vereinbarung im Gesellschaftervertrag der Red Bull GmbH geben. Demnach darf die thailändische Yoovidhya-Familie den Nachfolger bei Red Bull bestimmen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%