Viele Romane, die rein digital erscheinen, haben mit dem üblichen 250-Seiten-Werk aus Papier nur noch wenig gemein.
Enhanced E-Books – erweiterte Bücher – nennt Sherisse Hawkins, woran die Unternehmerin aus dem US-Bundesstaat Colorado mit ihrem Start-up Beneath the Ink (deutsch: Jenseits der Tinte) derzeit arbeitet. Es sind Texte, die mit vertiefenden Informationen angereichert sind: Tippt der Leser auf seinem E-Reader einen Ortsnamen an, erscheint die Landkarte dazu, tippt er auf den Namen einer Kirche, erscheint ihr Foto. Die Neugierde der Leser, glaubt Hawkins, werde so viel besser befriedigt als mit herkömmlichen Texten.





Der Neuseeländer Paul Cameron wiederum hat eine Tonspur für Bücher erfunden. Auf seiner Seite Booktrack bietet er Werke mit einem eigens produzierten Soundtrack an, darunter Klassiker wie Sherlock Holmes. An passenden Stellen knistert Kaminfeuer, wiehern Pferde, läuten Kirchenglocken. Spannende Passagen sind mit dramatischer Musik unterlegt. Mit akustischer Untermalung, glaubt Cameron, werde das Lesen emotionaler.
Eine neue Ära für Leser
Für Leser bricht eine neue Ära an. Bücher werden so spannend, interessant und zugänglich wie nie: Lehrbücher in Apples iBooks-Store zeigen 360-Grad-Animationen von Planeten oder Molekülen. Kochbücher wie die des Hamburger Start-ups Caramelized führen in Videos vor, wie der Hobbykoch Gemüse blanchiert. Auf US-Plattformen wie Atavist und Byliner oder in Apps wie Snippy erleben Kurzgeschichten eine neue Blüte – angereichert mit Animationen, Videos und Bildergalerien.
Das Smartphone, auf dem 59 Prozent der E-Book-Leser zumindest zwischendurch lesen, fördert die Entstehung knapper, griffiger Literatur. „Kürzere Texte sind ideal für die Bahnfahrt oder das Wartezimmer“, sagt Leander Wattig, Blogger und Verlagsberater aus Berlin. „Und sie decken den Bedarf nach günstiger Lektüre.“
Das große Geschäft mit kurzen Geschichten
Schon immer haben Produktionsbedingungen und Vertriebsstrukturen den Inhalt von Büchern beeinflusst. Alexandre Dumas erhielt von seinem Verleger Zeilengeld – darum führen die „Drei Musketiere“ in seinem Roman ewige Stakkato-Dialoge. Charles Dickens verkaufte Fortsetzungsromane an Zeitungen – darum sind seine Geschichten voller Cliffhanger, die den Leser bei der Stange halten.
Nun wittern die ersten Investoren bereits das große Geschäft mit kurzen, schnellen Geschichten. So finanziert etwa das Venture-Capital-Unternehmen Andreessen Horowitz aus dem Silicon Valley, das unter anderem an Facebook beteiligt ist, die Plattform Atavist. Geldgeber wie die Kalifornier glauben fest an die neuen Büchermacher. Anders als manche aus der Verlagsbranche, die noch in der Welt von Druckfahnen und Buchrücken leben.