Dirk Roßmann wird 70 Was wir vom Drogeriekönig lernen können

1946 kam Dirk Roßmann zur Welt. In seinen Zwanzigern erfand er die deutsche Handelswelt neu. Heute ist er einer der reichsten Deutschen. Und ein Mann mit Prinzipien. Sieben Dinge, die wir von ihm lernen können.

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Drogeriemarktketten-Gründer Dirk Roßmann. Quelle: dpa Picture-Alliance

Dirk Roßmann hat die deutsche Handelswelt umgekrempelt und ein Drogerie-Imperium geschaffen, das seines gleichen sucht: 2000 Rossmann-Märkte gibt es in Deutschland, fast 3500 in ganz Europa. Damit ist Roßmann, gemessen an der Zahl der Filialen, der größte deutsche Drogist. Der umsatzstärkere Konkurrent dm betreibt nur 1800 Filialen.

Die Drogeriemarktkette hat ihn zu einem der reichsten Menschen Deutschlands gemacht, das Magazin Forbes beziffert sein Vermögen auf 3,2 Milliarden Euro. Besonders viel macht er sich aus dem Geld indes nicht: „Ich habe kein Flugzeug und keine Immobilie im Ausland. Und das Haus, in dem ich lebe, habe ich vor 30 Jahren gebaut“, sagte er einmal.

Roßmann gibt sich lieber als Mensch und Unternehmer, nicht als Milliardär. „Er ist überzeugend, offen, ehrlich, zuverlässig und hört aufmerksam zu. Er kann aber auch egoistisch sein und direkt und konsequent in seiner Kritik und seinen Entscheidungen“, erzählt Martin Kind, Geschäftsführer der KIND Gruppe und seit bald 20 Jahren ein Freund Roßmanns. „All das macht ihn als Mensch so liebenswürdig und als Unternehmer so erfolgreich.“ Heute wird Roßmann 70. Was wir von ihm lernen können.

Zur Person

Wage etwas

Im Drogeriegeschäft sind die Roßmanns schon lange. Der Großvater eröffnete 1909 in Hannover den ersten Laden. Seine ersten Schritte als Drogist machte Roßmann 1963 im elterlichen Geschäft in der Podbielkistraße in Hannover: 30 Quadratmeter Verkaufsfläche, 700 Mark Tagesumsatz. Dort lernte er das klassische Drogeriegeschäft.

Mit 18 habe er die „kleine Drogerie in Hannover geführt, in der die Ware noch über den Tresen verkauft wurde und die Telefonrechnung 20 Prozent einer Tageseinnahme betrug“, erzählte er dem Handelsblatt.  

Dass das nicht zukunftsfähig war, wurde ihm 1971 klar, als die Preisbindung für Drogerieartikel aufgehoben wurde. Die Folge: Große Läden mit entsprechender Einkaufsmacht konnten die Preise drücken und die kleinere Konkurrenz ausbooten.

„Als die Preisbindung für Drogerien fiel, ist er voll ins Risiko gegangen. Diese Risikobereitschaft zeichnete den jungen Dirk Roßmann aus“, sagt Albrecht Hertz-Eichenrode, Gründer der Hannover Finanz Gruppe, der seit 36 Jahren mit Roßmann zusammenarbeitet.

Die größten Drogerieketten in Deutschland

Der damals 25-Jährige ging ein Wagnis ein und eröffnete 1972 in der Jakobistraße 6 den ersten Selbstbedienungs-Drogeriemarkt in Deutschland. Der Kunde ließ sich die Waren nicht mehr vom Verkäufer hinter dem Tresen anreichen, sondern suchte wie im Lebensmitteldiscounter selbst die hellerleuchteten Regale ab. Statt 700 Mark lagen am Ende des Tages 20.000 Mark in der Kasse. „Wir haben abends im Keller das Geld vor Freude in die Luft geworfen“, sagte Roßmann zu Inge Michler, die ihn in ihrem Buch „Deutschlands Familienunternehmer erobern die Weltmärkte“ porträtiert hat.

Das Wagnis lohnte sich: Zehn Jahre später nannte Roßmann bereits 100 Märkte in Norddeutschland sein Eigen, als die Konkurrenz um dm, Schlecker und Müller noch nicht einmal auf dem Markt war.

Konzentriere dich auf das Wesentliche

Waghalsig war auch das Vorgehen zur Finanzierung der Expansion. Roßmann stieß auf den Kapitalgeber Hannover Finanz und damit auf Hertz-Eichenrode. Roßmann verkaufte dem Kapitalgeber über Jahre hinweg fast 40 Prozent seines Unternehmens – ein außerordentlich großer Anteil für ein junges Familienunternehmen. Ausgezahlt hat sich das am Ende ebenfalls.  

Ohne das Geld hätte er in den Achtzigern niemals den Preiskampf überstanden, denen viele Drogeriemärkte wie Drospa, Idea, kd zum Opfer fielen. Die Expansion ins Ausland, ein weiteres Risiko, wäre ohne das Geld ebenfalls kaum zu realisieren gewesen.

Heute steuert das Auslandsgeschäft mit 1,85 Milliarden Euro ein Viertel des Konzernumsatzes bei – Tendenz steigend. Vom Unternehmenssitz in Burgwedel aus hat Roßmann eigenständige Ableger in Albanien, Ungarn und Tschechien aus der Taufe gehoben. Von den aktuell rund 1500 Rossmann-Filialen im Ausland stehen allein 1150 in Polen, seinem wichtigsten Auslandsmarkt.

Deutsche Drogeristen in Europa



Die Karte zeigt die Vebreitung der Drogeristen dm, Rossmann und Müller in Europa

Daten: Unternehmen // Stand: Anfang 2015



Doch nicht überall läuft es so glatt. 2010 wagte Rossmann den Sprung in die Türkei. Bislang bleibt der wirtschaftliche Erfolg aus, der Kundenstrom ebenso. Die gut 30 Märkte in der Region haben der Drogerie-Kette im vergangenen Geschäftsjahr ein Minus von 5,5 Millionen Euro eingebrockt. Wer wagt, kann eben nicht immer gewinnen.

Konzentriere dich auf das Wesentliche

Roßmann ist Manager mit Augenmaß und verliert nie den Blick für das Wesentliche. „Andere wären vielleicht schon in 30 Ländern. Das möchte ich gar nicht. Wir sind Marktführer in Polen, wir haben mehr als 3000 Läden in ganz Europa. Da ist genug Power drin“, sagt er. Im Gegensatz zu Anton Schlecker hat Roßmann die Expansion niemals so stark forciert. Mit seinem jetzigen Auslandsgeschäft reicht es ihm. Weitere Expansionen sind nicht geplant. Vom „Neuland“ E-Commerce einmal abgesehen.

Hier ist ihm, nach mehr als zehn Jahren, die er nun seinen Online-Shop betreibt, wenig Erfolg beschieden: „Wir machen im Internet rund 23 Millionen Euro Umsatz im Jahr, schreiben aber keine Gewinne“, sagt er. Die Margen bei Drogerieartikeln im Netz seien viel niedriger als im Textil- oder Elektronikhandel. „Daher bin ich persönlich vorsichtig. Aber die Experten im Haus und meine Söhne sehen das anders.“

Überhaupt: Das Internet ist seine Sache nicht, lenke es doch nur ab: „Wann kommen junge Menschen denn heute noch dazu, eigene Fantasien zu entwickeln, über Sachverhalte länger als eine Minute nachzudenken, wenn ständig ihr Smartphone klingelt?“, fragt Roßmann in einem Interview.

Der WirtschaftsWoche sagte er: „In der digitalen Welt bin ich nicht zu Hause, und meine Söhne haben mir schon verboten, über den Online-Handel zu sprechen, weil ich davon keine Ahnung hätte.“ So findet sich auch in seinem Büro weder ein Laptop noch ein Tablet oder ein Smartphone. Und sein Handy ist meist ausgeschaltet. Keine Ablenkung.

Investiere in Menschen

Der wichtigste Erfolgsfaktor für sein Unternehmen sind die Mitarbeiter in den Filialen, die Taschentücher, Duschgels und Babynahrung in die Regale räumen und den Kontakt zum Kunden halten. Deswegen besucht Roßmann noch immer um die 30 Filialen im Monat, gibt jedem Mitarbeiter die Hand und spricht mit ihnen. Aber nicht nur Zeit investiert er in seine Mitarbeiter.

Zum Unternehmen gehört ein Schulungszentrum in der Lüneburger Heide, in dem die Mitarbeiter Seminare besuchen können – von Bildhauerkursen bis hin zur Warenkunde.

Als die Zusammenarbeit mit der Hannover Finanz gerade begann, wollte Roßmann unbedingt dieses Schulungszentrum bauen, erinnert sich Hertz-Eichenrode. „Als ich ihm erklärte, das Geld werde für dringendere Investitionen benötigt, hat er sich mit der ihm eigenen Hartnäckigkeit durchgesetzt und damit auch gezeigt, wie wichtig ihm die Menschen sind, die bei ihm arbeiten.“

Bis heute kommen neue Führungskräfte dort fünf Mal im Jahr dort zusammen und trainieren Selbst- und Fremdwahrnehmung. „Das hat dann nichts mit Verkaufstraining oder dergleichen zu tun, sondern es geht ausschließlich um die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit“, sagt Roßmann. „Wichtig ist mir, dass Menschen die Chance bekommen, ihre eigene Kraft und Bedeutung zu entdecken.“

Überhaupt, das Menschliche steht für Roßmann weit vorne.

Pflege deine Kontakte

Roßmanns geschäftliche Unternehmungen haben ihm viele Freundschaften beschert, vor allem in Hannover. Etwa im Fall Albrecht Hertz-Eichenrode von der Hannover Finanz: „Auch nach dem Ablauf der Beteiligung durch Hannover Finanz an seinem Unternehmen blieb unsere Freundschaft bestehen“, sagt Hertz-Eichenrode. „Sein Vertrauen hat er dadurch ausgedrückt, dass er mir den Vorsitz des Beirats der Firma Rossmann angetragen hat.“

Oder Hörgeräteproduzent Martin Kind: „Mit Roßmann kann ich alles ehrlich, offen und vertrauensvoll diskutieren“, sagt Kind.

Beide verbindet seit bald 20 Jahren eine Freundschaft, sie spielen zusammen Tennis, Skat, Schach, haben aber auch unternehmerische Berührungspunkte, unter anderem bei der Sanierungsgesellschaft von Hannover 96 an der Roßmann rund 20 Prozent hält. Kind fungiert als Gesellschafter und als Geschäftsführer des Fußballvereins.

„Ich habe ihn 2012 davon überzeugt bei Hannover 96 einzusteigen, weil wir eine gemeinsame regionale Verantwortung für Hannover tragen“, sagt Kind. Bundesligafußball habe eine hohe Bedeutung für das Ansehen einer Stadt.

Als es in der vergangenen Saison mit sportlich Hannover 96 bergab ging und der Verein schließlich in die 2. Bundesliga abstieg, ließ Roßmann Kind nicht im Stich. „Gerade in Krisenzeiten erwarte ich besondere Loyalität“, sagt Kind. „Und genau das zeichnet Roßmann aus: Er ist loyal.“ 

Halte zu deinen Freunden

Das hat sich auch gezeigt, als Roßmanns Freund Christian Wulff in seiner Zeit als Bundespräsident von den Medien zerfleischt wurde.

Wie emotional er werden kann, bewies Roßmann bei seinen damaligen Fernsehauftritten. 2012 etwa bei Maybrit Illner. Das Thema der Sendung: „Die Causa Wulff“. Roßmann verteidigte das Verhalten des damaligen Bundespräsidenten und machte aus seiner Wut über die Medien keinen Hehl: „Wenn man einen Menschen niedermacht für etwas, dass er überhaupt nicht gemacht hat, ist das eine Sauerei!“

Roßmann vermutete damals eine „Kampagne“ einiger Medien, die lieber Joachim Gauck als Bundespräsidenten gesehen hätten: „Da war eine Intention da, dem Wulff was ans Zeug zu flicken!“ An der Kreditaffäre sei nichts dran. „Das Ausland, die Neue Zürcher Zeitung, die lachen doch schon über uns“, ärgerte er sich lautstark und schob hinterher. „Ich taktiere hier nicht, sondern sage einfach, was ich denke, meine Mitarbeiter kennen das.“

Auch wenn es Wulff am Ende nicht half – die Freundschaft besteht bis heute.

Streue die Risiken

Angesprochen auf seinen Reichtum sagt er, dass der Großteil des Geldes nicht auf seinen Konto liege, sondern in Form von Zahnpasta und Waschmittel in den Läden seiner Drogeriekette. Das ist Understatement.

Über die Rossmann Beteiligungsgesellschaft ist er direkt und indirekt an 100 Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen beteiligt, darunter etwa der Kunststoffhersteller Simona und die Molkerei Schwälbchen. „Wir investieren als Familie auch jedes Jahr in rund 20 Gewerbeimmobilien, und ich bin in größerem Umfang an der Börse aktiv“, verrät Roßmann.

So muss er sich nicht nur auf das hartumkämpfte Drogeriegeschäft verlassen. Zumal hier gerade die Wachstumsraten und Gewinne schmelzen. Doch das ist Jammern auf hohem Niveau. Zwar sind die Zeiten zweistelliger Wachstumsraten vorbei, aber allein 2015 verbuchte die Drogerie einen Gewinn von 270 Millionen Euro, der Umsatz stieg um 9,4 Prozent auf 7,9 Milliarden Euro.

Aber Geld ist eben auch nur eine Sache im Leben – viel wichtiger ist Roßmann der Genuss.

Führende Drogeriemarktketten

Genieße das Leben

Obwohl er die Schule nach nur acht Jahren verlassen hat, um im elterlichen Betrieb zu helfen, ist er literarisch gleichermaßen gebildet wie begeisterungsfähig. Als Autodidakt hat er sich dem Denken von deutschen Philosophen wie Schopenhauer und Nietzsche und französischen Literaten wie Zola und Balzac genähert. Alle paar Jahre liest er Dostojewskis „Der Idiot“. Auch aktuelle Romane wie „Unterleuten“ von Juli Zeh fesseln ihn.  

„Roßmann liest sehr bewusst, er saugt die Literatur ein, lebt sie gedanklich und teilt das seinen Gesprächspartnern auch mit“, erzählt Kind. Roßmann habe immer wieder versucht, ihn ebenfalls von seiner Leidenschaft zu begeistern.

Doch nicht nur auf literarischer Ebene macht er sich frei vom Alltag. „Er liebt die Heimat, die schöne Landschaft sowie Gespräche über Gott und die Welt während unserer gemeinsamen Wanderungen“, sagt Hertz-Eichenrode. „Und er nimmt sich die Zeit dafür.“

Das wichtigste für Roßmann ist aber seine Familie. „Familie steht für ihn im Mittelpunkt und ist sein Ruhepol“, erzählt Kind.

Mittlerweile sind Roßmanns Kinder selbst in Führungspositionen im Unternehmen. Eigentlich ein guter Zeitpunkt, sich auf sein Altenteil zurückzuziehen. Doch davon will Roßmann nichts wissen: „Solange ich gesund bin und alle froh sind, dass ich ihnen Arbeit abnehme, wäre es doch Quatsch, zu Hause rumzusitzen“, sagt er. „Wenn mir meine Familie das Gefühl gibt, dass sie mich im Unternehmen nicht mehr braucht, dann höre ich auf. Aber davon spüre ich noch nichts.“

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