Discounter Aldi tastet sich ins digitale Neuland

Jahrelang hat Aldi den Onlinehandel konsequent gemieden. Jetzt verkauft Deutschlands größter Discounter schon Handys und Tablets über das Netz. Und das dürften nur die ersten Schritte sein.

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Der Discounter verkauft künftig über den „Aldi Talk“ Mobilfunkshop auch Smartphones, Tablets und Zubehör. Quelle: obs

Für das Weihnachtsgeschäft kam diese Aktion etwas zu spät. Mitte Dezember verkündete Aldi, dass man künftig über den „Aldi Talk“ Mobilfunkshop auch Smartphones, Tablets und entsprechendes Zubehör anbieten will. Im Sortiment sind Produkte aller bekannten Hersteller, wie Apple, Samsung, LG oder Huawei. Für die Abwicklung haben sich Aldi Süd und Aldi Nord einen langjährigen Partner an Bord geholt: Medion.

Was auf den ersten Blick wenig spektakulär wirkt, ist für die Discountriesen ein gewaltiger Schritt. Hatten sie noch bis vor kurzem den Onlinehandel gemieden wie der Teufel das Weihwasser, tasten sie sich jetzt ins Neuland vor. „Aldi geht im E-Commerce vorsichtig vor, ihr wichtigstes Ziel ist es immer noch, die Kunden in die Märkte zu bekommen“, sagt Michael Gerling, Geschäftsführer des EHI Retail Institute aus Köln. „Aber sie werden auf Dauer nicht darum herumkommen, auch online zu verkaufen.“

Wie Aldi groß wurde

Schon dass die beiden Aldi-Konzerne hier gemeinsam vorgehen, zeigt die große strategische Bedeutung. Während fast alle Lebensmittelhändler in irgendeiner Form Onlinehandel betreiben, ist es für die Marktführer im Discount neu, dass sie in Deutschland Waren über das Internet verkaufen. Doch mittlerweile reift die Erkenntnis, dass sie sich diesem Vertriebskanal auf Dauer nicht verschließen können. „Mit unserem Mobilfunk-Shop möchten wir neue Zielgruppen ansprechen und von den Vorteilen von Aldi Talk überzeugen“, erklärt Vittorio Rotondo, zuständig für den Bereich Aldi Services bei Aldi Süd.

Ein ähnliches Motiv treibt Aldi beim Onlinehandel mit Wein. Den jedoch testet das Unternehmen nicht im Heimatmarkt, sondern in Großbritannien. „Mit Wein zu starten ist ein logischer Schritt für uns. Es ist eine Prestige-Kategorie für Aldi und ein Einstiegspunkt für Kunden, die vorher noch nicht bei uns gekauft haben“, begründete Matthew Barnes, Geschäftsführer Aldi Großbritannien das neue Angebot.

Chronologie: Der Aufstieg von Aldi

Bisher verkauft Aldi in Großbritannien Wein nur in Kisten zu sechs Flaschen. Doch das Angebot soll weiter ausgebaut werden. „Der Wein bringt uns neue Kunden aus der Mittelklasse“, beobachtet Aldi-Manager Barnes.

Es ist deshalb nur eine Frage der Zeit, wann Aldi auch in Deutschland Wein über das Internet verkauft. Der Discounter hält hierzulande schon 22 Prozent Marktanteil im Weinhandel. Wie attraktiv das Segment für den Onlinehandel ist, zeigt der Weinhändler Hawesko. Er hat sich im vergangenen Jahr von Platz 157 auf Platz 57 der größten deutschen Onlinehändler vorgeschoben. Mit einem Umsatz von 91,5 Millionen Euro ist er auch der zweitgrößte Lebensmittelhändler im deutschen E-Commerce.


Konkurrenten setzen Aldi unter Druck

Vor ihm liegt nur noch der Discounter Lidl, der zugleich der größte Konkurrent von Aldi ist. Lidl setzt im Netz bereits 150 Millionen Euro um und nimmt Platz 29 unter den deutschen Onlinehändlern ein. Einen großen Teil dieses Umsatzes macht er jedoch mit Non-Food-Artikeln.

Auch andere Lebensmittelhändler setzen Aldi unter Druck, online weiter voranzukommen. So hat die Supermarktkette Real den Onlinemarktplatz Hitmeister übernommen und will den E-Commerce deutlich ausbauen. Im vergangenen Jahr hat sich Real so von Platz 183 auf 91 vorgeschoben und macht im Netz jetzt fast 50 Millionen Euro Umsatz. Deshalb dürfte es nicht mehr lange dauern, bis Aldi den nächsten Schritt macht. Eine digitale Präsenz hat Aldi Süd für seinen Weinhandel vor kurzem bereits geschaffen. Auf dem Portal meine-weinwelt.de wird das gesamte Weinangebot präsentiert, ergänzt von Tipps von Weinexperten und dazu passenden Rezepten. Nur die Verkaufsfunktion muss noch freigeschaltet werden.

Dass Aldi auch frische Lebensmittel online anbietet, wird wohl noch lange Zukunftsmusik bleiben. Viele Experten bezweifeln auch, ob es jemals so weit kommen wird. EHI-Geschäftsführer Gerling etwa hält die Logistik für zu aufwendig, als dass sie für einen Discounter profitabel zu betreiben sei.

Schließlich tun sich damit auch gestandene Lebensmittelvollsortimenter schwer. Rewe etwa, ein Pionier in diesem Markt, setzt online gerade mal geschätzte 25 Millionen Euro mit Lebensmitteln um. Zwar hat Rewe-Chef Alain Caparros gerade angekündigt, den Umsatz auf 800 Millionen Euro steigern zu wollen. Doch wie er das profitabel betreiben will, bleibt bisher sein Geheimnis. Da tastet sich Aldi lieber vorsichtig und Schritt für Schritt ins digitale Neuland.

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