dm, Görtz, Rossmann & Co. Wie der stationäre Handel im Netz bestehen kann

Warum stationäre Händler den Vorsprung von Größen wie Amazon und Zalando online nicht einholen werden. Und mit welcher Strategie sie ihr Geschäft trotzdem über das Internet ankurbeln können.

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Einkaufen in der Filiale oder im Netz? Eine Frage des Typs. Quelle: Getty Images

„Ich verstehe das Online-Geschäft nicht.“ Und außerdem: Im Laden könnten die Kunden die Waren wenigstens anfassen. Eine harsche Absage, die Dirk Roßmann, der Gründer der gleichnamigen Drogeriemarktkette Rossmann, auf der Jahrespressekonferenz Anfang April dem Online-Geschäft erteilte.

Kein Wunder ob der Zahlen, die Rossmann für den E-Commerce-Bereich vorlegte: Der Umsatz sackte 2015 ab auf 23 Millionen Euro – fünf Jahre zuvor betrug er noch mehr als 30 Millionen. Schon im vergangenen Jahr hatte die Online-Tochter der Drogeriemarktkette eine Million Miese eingebracht.

Das liegt zum einen daran, dass die Gewinnspanne bei Duschgel und Toilettenpapier ohnehin gering ist. Was im stationären Handel in der Masse Gewinne abwirft, verkommt im Netz zur Kostenstelle, weil zusätzlicher Logistikaufwand anfällt, der die Gewinne auffrisst.

Die besten deutschen Online-Shops
Qualität von OnlineshopsIn Zusammenarbeit mit dotSource hat das ECC Köln Kunden von 77 Online-Shops aus sieben unterschiedlichen Branchen nach ihrer Zufriedenheit befragt.Bewertung: Die in Klammern angegeben Punktzahl zeigt an, welchen Online-Shop-Index ein Shop erreicht hat. In die Berechnung des Online-Shop-Index fließen die Zufriedenheit der Kunden mit den in der ECC-Erfolgsfaktorenstudie untersuchten Einzelkriterien sowie die Kundenbindung ein. Ein Wert von 100 Punkten entspricht der maximalen Zufriedenheit und Kundenbindung. Das Ranking erhebt nicht den Anspruch zu beurteilen, dass ein Online-Shop allgemein besser ist als ein anderer. Es besagt, welche Online-Shops es besser schaffen als andere, ihre eigenen Kunden zufriedenzustellen. Die vollständige Studie finden Sie kostenpflichtig hier. Quelle: dpa Picture-Alliance
Rang 10: Deichmann (74,9 Punkte) Quelle: dpa Picture-Alliance
Rang 9: Hugo Boss (75,2 Punkte)Als zweiter Modeanbieter hat es Hugo Boss unter die Spitzenreiter geschafft. Die Befragten waren von den Zusatzinformationen zu Produkten sowie von den Kaufempfehlungen besonders angetan. Quelle: dpa
Rang 8: s.Oliver (75,2 Punkte) Quelle: dpa Picture-Alliance
Rang 7: Ernsting’s Family (75,4 Punkte) Quelle: PR
Rang 6: myTime.de (75,4 Punkte)       Quelle: PR
Rang 5: zooplus (76,2 Punkte) Quelle: Screenshot

Auch Konkurrent dm, der am 21. April sein Quartalsergebnis präsentieren wird, dürfte keine glänzenden Zahlen für das Online-Geschäft vorlegen, das dm-Chef Erich Harsch erst nach langem Zögern im Sommer vergangenen Jahres aufbaute. Harsch glaubte schon im Vorjahr nicht, dass dm.de auf absehbare Zeit zur „Gewinnmaschine“ werde.

Dass Händler, die aus dem stationären Bereich kommen, im Internet Probleme haben Gewinne zu generieren, ist nicht auf den Drogerie-Markt beschränkt. „Die Margen sind im Onlinehandel vielfach sehr niedrig“, sagt Bernd Skiera, Inhaber des Lehrstuhls für Electronic Commerce an der Goethe-Universität Frankfurt. „Händler müssen sich gut überlegen, ob das ein lohnenswertes Geschäft für sie ist.“

Die Omnichannel-Trends im Handel

Anfang dieses Jahres hatte der Modehändler Wormland entschieden, dass es für ihn keines ist und nahm seinen Online-Shop nach nur zwölf Monaten wieder aus dem Netz; der Tiernahrungshändler Fressnapf verzeichnete im vergangenen Jahr Online nur noch ein minimales Wachstum; und Schuhhändler Görtz stellte Ende 2015 seinen neuen Online-Shop vor, nachdem 2012 massive Umsatzeinbußen anfielen, der damalige E-Commerce-Leiter das Unternehmen verlassen musste und der Umbau eingeleitet wurde.

Fragt man Alexander Graf,  Autor des Blogs kassenzone.de und unter anderem Geschäftsführer der Softwarefirma Spryker Systems, gibt es für die Schwierigkeiten der stationären Händler im Internet einen einfachen Grund: „Klassische Händler haben E-Commerce immer nur als einen weiteren Kanal verstanden.“ Als ließe sich das stationäre Geschäft über E-Commerce ohne weiteres verlängern.

 

Amazon, die Otto-Group und Zalando teilen den Markt unter sich auf

Der stationäre Handel hat seit Jahren mit Umsatzrückgängen zu kämpfen. Nikolaus Mohr, Partner bei McKinsey & Company sagte im Interview mit der WirtschaftsWoche, dass 30 Prozent aller Ladenlokale bis zum Jahr 2020 aus den Innenstädten verschwänden, also bis zu 78.000. „Weitere 40 Prozent werden nur überleben, wenn es ihnen gelingt, ihr Geschäftsmodell grundlegend zu verändern“, prophezeite Mohr.

Warum also als Einzelhändler nicht das Heil im Online-Geschäft suchen, verdreifachte sich dort das Umsatzvolumen allein in Deutschland doch in den letzten zehn Jahren auf 42 Milliarden Euro. Es klingt ja auch verlockend einfach, schließlich sind die zu vertreibenden Produkte ohnehin vorhanden.

Jeder dritte Einzelhändler ist mittlerweile mit einem eigenen Shop im Netz vertreten. Aus Grafs Sicht ein Fehler: „Wer versucht, sein schrumpfendes stationäres Geschäft mit einer Website zu retten, scheitert.“ Und das nicht nur in Deutschland. „Weltweit findet sich kein Beispiel dafür, dass Unternehmen, die aus dem stationären Handelsumfeld kommen, eine stabile Gegenposition zu den großen Online-Händlern wie Amazon oder Zalando einnehmen konnten.“

Was den Deutschen beim Online-Luxus-Kauf wichtig ist

Natürlich locken die Umsatzsprünge im Online-Handel, doch die stationären Händler haben davon nicht viel. Allein die zehn größten Online-Shops teilen sich in Deutschland 38 Prozent des gesamten Umsatzes – 2008 waren es noch 27 Prozent. Spitzenreiter Amazon vereint 6,6 Milliarden Euro Umsatz auf sich, das entspricht fast einem Sechstel des gesamten Volumens. Auf Platz zwei, weit abgeschlagen, liegt Otto mit knapp zwei Milliarden Euro Umsatz, auf Platz drei Zalando mit 872 Millionen Euro. Der Rest rangiert unter ferner liefen. Lediglich Tchibo schaffte es aus der Filialwelt unter die zehn größten E-Commerce-Umsatzmaschinen.

 

Mängel im datengetriebenen Marketing

Für Graf ist der Hauptgrund für die zunehmende Konsolidierung im Netz und die Umsatzführerschaft der reinen Internethändler schnell gefunden: Das Online- und das Offline-Geschäft sind zwei verschiedene Welten mit völlig unterschiedlichen Anforderungen. „Das ist, als würde man versuchen mit einem Taxiunternehmen gegen eine Airline zu gewinnen“, sagt Unternehmensberater Graf. „Aber es gibt nun einmal Situationen, in denen man lieber Taxi fährt und andere, in denen man fliegt.“

Aus seiner Sicht bestimmen vor allem drei Faktoren, ob ein Shop im Netz erfolgreich ist: Preis, Angebot und Verfügbarkeit. In puncto Angebot und Verfügbarkeit können die Einzelhändler mit den Online-Platzhirschen wie Amazon und Zalando aufgrund derer über Jahre gewachsenen Logistik- und IT-Erfahrung nicht konkurrieren. „Also bleibt nur der Preiswettbewerb – und so ist kein Geld zu verdienen“, sagt Graf.

Amazons deutsche Logistikzentren

Die Preistransparenz im Netz befeuert den gnadenlosen Wettbewerb zusätzlich. Begrenzte sich in der Filialwelt der Preiswettbewerb noch auf umliegende Geschäfte und Städte, herrscht im Netz totale Konkurrenz – mitunter mit Händlern aus der ganzen Welt.

Erschwerend hinzu kommen die immensen Marketingkosten, die nötig sind, um über Facebook oder Suchmaschinen wie Google Kunden auf die Webseiten der Shops zu locken. Und nicht jede Werbemaßnahme verschafft treue Kunden.

Wo es beim Online-Lebensmittelhandel hakt

„Anbieter wie Zalando sind sehr stark im datengetriebenen Online-Marketing“, sagt E-Commerce-Professor Skiera. Sie wüssten genau, was es kostet, mit bestimmten Maßnahmen Kunden zu akquirieren und wie loyal die Kunden je nach Maßnahme sind. So können die Investitionen pro geworbenen Kunden verringert werden. „Händler aus der Offline-Welt tun sich mit dem datenbasierten Werben deutlich schwerer, da sie diese Möglichkeiten lange Zeit nicht hatten.“

 

Wo die Einzelhändler noch Chancen haben

Das Online-Geschäft verloren geben sollten die Einzelhändler allerdings nicht. Denn es bietet durchaus Möglichkeiten, Kunden in die Filialen zu locken. Firmen wie Görtz sollten zwar nicht erwarten, Zalando signifikante Marktanteile im Netz abzunehmen, Rossmann und dm sollten nicht versuchen, die Preise zu unterbieten, die Amazon für Shampoo verlangt.

Trotzdem können sie von den Online-Platzhirschen lernen. Warum etwa zieht es Amazon oder Zalando mit eigenen Filialen in die Innenstädte? Dort können Kunden einkaufen oder gekaufte Produkte zurückgeben ohne erst zur Post zu müssen. „Die Online-Händler sehen die Filialen als Service-Stellen, um so noch mehr Produkte über ihre Website zu verkaufen“, sagt Graf.

Das können die deutschen Online-Händler
Online-Shopping Quelle: dpa
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Einen ähnlichen Ansatz sollten die Einzelhändler im Netz verfolgen – der Webshop als Service-Leistung. Laut einer aktuellen Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) recherchieren 41 Prozent der Konsumenten erst online, um Produkte dann offline zu kaufen; drei von vier suchen zudem online nach Geschäften in ihrer Stadt, wie aus dem „Local Listing Report 2015“ hervorgeht. Es lohnt sich also durchaus, online auf sich und vor allem seine Produkte aufmerksam zu machen.

„Die Einzelhändler müssen Online- und Offlinegeschäft miteinander verknüpfen“, sagt Skiera. Kunden sollten etwa die Möglichkeit haben, online zu bestellen und das Produkt noch am selben Tag in der Filiale abzuholen. Auf diese Weise können Händler den Wettbewerbsvorteil des dichten Filialnetzes gegenüber den Onlinehändlern ins Digitale übertragen.

Die kuriosesten Ebay-Auktionen
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Papst Benedikts alter GolfFür 190.000 Euro griff das US-amerikanische Online-Casino „Golden Palace“ 2005 bei dem ehemaligen Golf IV von Papst Benedikt XVI. zu. Der Verkäufer hatte ursprünglich 9500 Euro dafür gezahlt. Quelle: dpa
BelgienScherzkekse tummeln sich gerne unter den Ebay-Verkäufern – und anscheinend auch bei den Käufern. So wurden zehn Millionen Euro für Belgien geboten, obwohl das Land mit seinen „300 Milliarden Staatsschulden“  angepriesen wurde. Quelle: dpa

Genau diesen Schritt ist Schuhhändler Görtz mit seinem neuen Online-Shop gegangen. Wollte der Kunde früher Waren online bestellen und in einer Filiale seiner Wahl abholen, mussten sie erst vom Versandlager in die Filiale geliefert werden. Der Versandhandel und das Filialgeschäft waren strikt getrennt. Mittlerweile können die Kunden online die Verfügbarkeit von Schuhen in der Filiale prüfen, sie online vorbestellen und wann es ihnen passt im Laden abholen – ein Vorteil gegenüber Zalando.

Auch dm-Chef Harsch hat verstanden – im Gegensatz zu seinem Konkurrenten Roßmann. Er sagte schon im vergangenen Jahr, dass er dm.de „als Service-Angebot und nicht als Gewinnmaschine“ sehe.

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