dm und Alnatura Ein Hauch von Stagnation

Der Streit mit dem langjährigen Geschäftspartner dm bremste zuletzt den Siegeszug der Bio-Marke Alnatura. Wie Unternehmenschef Götz Rehn jetzt gegensteuern will.

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Die spektakulärsten Machtkämpfe zwischen Handel und Industrie
Süßes oder Saures? Die Handelsketten Rewe und Penny drohen dem Süßigkeitenhersteller Storck derzeit mit einer Komplettauslistung seiner Marken Knoppers, Merci, Dickmann’s und Toffifee. Grund dafür sind höhere Einkaufspreise, die Storck verlangt. Nach Informationen der WirtschaftsWoche werden einzelne Storck-Produkte bereits nicht mehr von Rewe nachbestellt. Quelle: dpa
Eiszeit bei Kaufland: Keine Fischstäbchen, kein Spinat mit dem Blubb, kein Rahmgemüse, keine Schlemmerfilets. In den Kühltruhen des Handelskonzerns Kaufland fanden Kunden im Frühjahr 2016 keine Produkte des Tiefkühlkostherstellers Iglo mehr, nachdem sich die Unternehmen nicht auf Lieferkonditionen verständigen konnten. Quelle: obs
Ähnlich frostig lief es zwischen Kaufland und der Deutschland-Tochter des US-Konzerns Mars aus Virginia ab. Sämtliche Süßwaren des Lebensmittelriesen wie Mars, Bounty, Twix, Milky Way, Balisto oder M & M's wurden im Frühjahr ausgelistet. Quelle: dpa
Robin Hood der Drogisten: Ende August 2015 verbannte Deutschlands größte Drogeriekette dm die Zahncreme-Marke Dentagard aus den Regalen. "Gleicher Preis bei weniger Inhalt: Da streiken wir!", begründete das Unternehmen auf Hinweisschildern für die Kunden den Schritt. Zuvor hatte der Hersteller Colgate-Palmolive die Inhaltsmenge der Dentagard-Tuben reduziert. Quelle: dpa
Zuvor hatte dm bereits im Bio-Lebensmittel-Segment für Schlagzeilen gesorgt. Der Händler nahm eigene Produkte ins Angebot auf - und machte dem langjährigen Partner Alnatura dafür den Platz in den Regalen streitig. Quelle: dpa
Der Brausekrieg: Als Aldi 2013 die Softdrink-Marke Coca-Cola ins Sortiment aufnahm, unterbot Lidl den Konkurrenten daraufhin immer wieder mit Aktionspreisen und gingen mit harten Forderungen in die Preisverhandlungen mit dem Kult-Hersteller. Der wollte sein Produkt nicht verramschen lassen. Die Folge: Fast ein halbes Jahr fehlten große Teile des Coca-Cola-Sortiments bei Lidl. Quelle: dpa
Im Frühjahr 2015 wagte es der Hamburger Konsumgüterkonzern Beiersdorf bei Edeka Preiserhöhungen für die Kosmetik-Marke Nivea zu reklamieren. Die Edeka-Zentrale reagierte prompt. Als es zu keiner Einigung kam, verschwanden die weißblauen Pflegemittel aus den Regalen. Allerdings füllten viele Kaufleute die Regale bald wieder auf eigene Faust mit Nivea-Ware. Quelle: dpa

Götz Rehn hatte Mühe, die beiden Buchstaben über seine Lippen zubekommen. Dabei parlierte der Chef der Bio-Marke Alnatura in Frankfurt ausführlich über die Lage seines Unternehmens, sprach über neue Läden, Handelspartner und Produkte und erwähnte auch  leicht umständlich die "Veränderung, die Alnatura aufgezwungen wurde". Doch der Name "dm" fiel erst nach fast einer halben Stunde, als es sich wirklich nicht mehr vermeiden ließ.

Die verbale Distanz zeigt einmal mehr, wie es um die früher so erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Alnatura und dm inzwischen bestellt ist: Konfrontation statt Kooperation, Gerichtsprozesse statt Markenpartnerschaft.

Woran sich der Streit entzündet hat, ist zwischen den Parteien umstritten. Dm habe einseitig Alnatura-Produkte aus den Regalen verbannt zugunsten von Eigenmarken, behauptet Rehn. Das Drogerie-Unternehmen wiederum ist der Auffassung, dass zunächst Alnatura die exklusive Belieferung unrechtmäßig gekündigt habe.

Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands

Klar ist, dass inzwischen ein Großteil der Alnatura-Produkte aus den dm-Regalen verschwunden ist. Das hinterlässt auch Spuren im Zahlenwerk des Bio-Unternehmens. Nach Jahren des stürmischen Wachstums musst sich Alnatura im Geschäftsjahr 2015/16 mit einem homöopathischen Zuwachs 0,3 Prozent auf 762 Millionen Euro bescheiden. Auch für das laufende Jahr rechne er erneut mit stagnierenden Umsätzen, erklärte der Alnatura-Chef.

Dass der Wegfall von dm überhaupt kompensiert werden konnte, lag an neuen Kooperationspartnern. So finden sich Alnatura-Produkte inzwischen in den Filialen des größten deutschen Lebensmittelhändler Edeka, auch bei den Drogerieketten Rossmann und Müller ist die Marke neuerdings präsent. Dies sei der richtige Weg gewesen, sagte der Alnatura-Chef. "Hätten wir das nicht gemacht, säße ich heute nicht hier."

So teuer ist Bio-Ernährung
Wo Bio draufsteht, ist auch Bio drin Quelle: dpa
Bio-Produkte 42 Prozent teurer Quelle: dpa
Verbraucher können sparen Quelle: dpa
Größte Preisunterschiede bei tierischen Produkten Quelle: dpa
Bio-Supermärkte nur elf Prozent teurer Quelle: obs
Günstigste Variante: Supermärkte und Discounter Quelle: dpa
Wo ist Obst und Gemüse besonders preiswert?Besonders preiswert ist biologisch angebautes Obst und Gemüse im Discounter erhältlich. Discounter beziehen den Großteil ihres Produktsortiments nicht aus Deutschland und können so das niedrige Preisniveau halten. Für Verbraucher, bei denen der Verdienst nicht für einen Einkauf im Biomarkt reicht, sind Discounter eine Alternative - ökologisch sind die Produkte durch weite Transportwege aber häufig fragwürdig. Quelle: dpa

Zudem wurde das eigene Netz an Alnatura-Läden kräftig ausgebaut und erhöhte sich von 98 auf 107. In den kommenden Monaten soll die Zahl der Standorte weiter wachsen. Weitere 15 Läden sind geplant, die Zahl der Mitarbeiter könnte auf 3000 steigen. Und auch die Zahl der unter der Marke Alnatura vertriebenen Produkte soll weiter wachsen. Auf 1300 Bio-Artikeln prangt Alnaturas Sonnenlogo bereits. Neben Klassikern wie Bio-Milch gehören dazu auch neue Artikel von Birkenwasser bis zu Moringa Tee und Rote-Beete-Cracker. Wem die Markenrechte an Alnatura gehören und welche Mitspracherechte dm bei Vertriebsentscheidungen geltend machen kann, ist allerdings ebenfalls umstritten und ist Gegenstand zweier Prozesse in Darmstadt und Frankfurt.

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