
Im Herbst 2004 als die ersten Risse in der Erfolgsgeschichte von Schlecker sichtbar wurden, gab sich Patriarch Anton Schlecker gegenüber Journalisten der WirtschaftsWoche noch siegessicher. „Die Konkurrenz wird auch nicht mehr so stark wachsen", war er damals überzeugt. Sein Unternehmen? „Das Konzept stimmt, es muss nur weiter verfeinert werden", befand der Drogeriefürst und deutete voller Stolz auf eine Karikatur an der holzgetäfelten Wand des Besprechungsraums: Anton Schlecker als strahlender Gondoliere, seine Frau als Galionsfigur am Bug der schönsten und größten Gondel. Dahinter paddeln Schleckers Rivalen, dm-Gründer Götz Werner und Dirk Roßmann. „Bis die anderen Schlecker überholt haben, gibt es mich nicht mehr", sagte der Drogeriekönig damals.
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Ende 2010 übernehmen die Kinder von Anton Schlecker Lars und Meike mehr Verantwortung im Konzern. Als "Schneiden und Wachsen" beschreiben die Geschwister gegenüber der WirtschaftsWoche ihre Rettungsmission. Denn auch wenn die Familie das Unternehmen offiziell als "kerngesund" ansieht, ist der wirtschaftliche Niedergang der vergangenen Jahre nicht mehr zu übersehen. Rund 2500 kleinere Filialen hat Schlecker mittlerweile in Deutschland dichtgemacht und zog sich aus Auslandsmärkten wie Dänemark, den Niederlanden und Ungarn zurück.
Allein 2010 verlor Schlecker europaweit jeden vierten Kunden. Auch der Rivale dm hat Schlecker nun bereits überholt. Die Geschwister nehmen die Wachablösung nach außen hin gelassen auf: "Man liegt im Spiel auch mal 1:0 hinten", sagt Meike Schlecker. "Gucken wir mal, wie es ausgeht." Auch ihr Bruder gibt sich optimistisch: "2012 melden wir uns zurück - mit steigenden Umsätzen und Filialzahlen." 2011 sei allerdings ein "Restrukturierungsjahr", es würden weitere Läden geschlossen.
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Der Schock: Am 23. Januar 2012 meldet Schlecker Insolvenz an. Arndt Geiwitz wird zum vorläufigen Insolvenzverwalter der Drogeriekette Schlecker bestellt und lässt mitteilen: Angestrebt werde „das Unternehmen als Ganzes zu erhalten und somit einen großen Teil des Filialnetzes und damit auch der Arbeitsplätze".
Eine Woche später klingt echter Optimismus durch, als es wiederum in einer Pressemitteilung hieß: "Im Unternehmen sieht der Insolvenzverwalter nach erster Bestandsaufnahme in vielerlei Hinsicht Substanz." Zudem schreibe der größte Teil der Verkaufsstellen in Deutschland schwarze Zahlen. "Eine Sanierung des Unternehmens habe daher Priorität."
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Nicht alle sind optimistisch. "Ein Unternehmen zu Lasten der Mitarbeiter, der Lieferanten, vor allem aber auf Kosten des Staates zu sanieren, hat nichts mehr mit Marktwirtschaft zu tun", empört sich Trigema-Chef Wolfgang Grupp bei wiwo.de kurz nach der Insolvenzanmeldung von Schlecker. "Hier werden diejenigen belohnt, die dem Größenwahn und der Gier frönen, während die Anständigen die Dummen sind", sagt Grupp.
Schlecker habe das Geld, das er Hilfe seiner Beschäftigten hier verdient habe, für sich behalten beziehungssweise in die Expansion gesteckt. "Und jetzt, nachdem er gescheitert ist, wirft er das Deutschland vor die Füße", so Grupp.
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Kurz nach der Insolvenzanmeldung meldet sich auch Schlecker-Konkurrent Dirk Roßmann in einem Interview zu Wort: „Ich wage die Prophezeiung, dass der Insolvenzverwalter nicht viele Läden weiter betreiben wird können.“ Sein Unternehmen habe nur Interesse an 50 bis 80 der 7000 Schlecker-Märkte in Deutschland.
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Bei Schlecker selbst gibt man sich noch optimistisch. Zum ersten Mal seit über 20 Jahren lädt die Drogeriemarktkette Schlecker zu einer Pressekonferenz nach Ehingen. "Es ist nichts mehr da", sagt Meike Schlecker, die Tochter des Firmenpatriarchen. Die Familie habe ihr gesamtes Vermögen verloren. Die Insolvenz sei letztlich notwendig geworden, weil ein zweistelliger Millionenbetrag nicht aufgebracht werden konnte. Dennoch: "Wir geben uns kämpferisch", sagt sie. Mit der Einführung eines neuen Konzeptes sei Schlecker auf einem guten Weg gewesen. "Wir haben zu spät begonnen, und wir waren zu langsam, das ist traurig, aber wahr."
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Die Lage spitzt sich zu. Schlecker muss drastisch schrumpfen: Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz will jede zweite Filiale schließen, 11.750 Stellen fallen weg. „Das ist ein überlebensnotwendiger Einschnitt“, sagt Geiwitz Ende Februar. Der Verwalter räumt ein, die Probleme bei Schlecker unterschätzt zu haben. Abgefedert werden sollen die Entlassungen über die Gründung einer Transfergesellschaft, in der die betroffenen Mitarbeiter für sechs Monate weiterbeschäftigt werden sollen – doch dafür sind Staatshilfen in Form von Bürgschaften erforderlich.
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Demnach fordert Meike Schlecker 48,43 Millionen Euro, ihr Bruder Lars die Summe von 48,9 Millionen Euro, geht aus der Forderungsliste hervor. Hinzu kommen Forderungen der privaten Logistikfirma LDG in Höhe von 76 Millionen Euro. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Warenkreditversicherer Euler Hermes haben laut Wirtschaftswoche dreistellige Millionenbeträge als Forderungen angemeldet.
Zudem hat das Finanzamt noch 73,2 Millionen Euro von der Drogeriekette zu kriegen.