Kommt die Auffanggesellschaft zustande, könnte auch das Bundesarbeitsministerium helfen, geht aus einem „Bericht der Bundesregierung zur Insolvenz von Schlecker“ hervor. „Sollte aufgrund eines Sozialplans die Gründung von Transfergesellschaften in Betracht kommen“, heißt es darin, „können diese bis zu zwölf Monate mit Transferkurzarbeitergeld gefördert werden.“
Was ist eine Transfergesellschaft?
Eine Transfergesellschaft wird dann ins Leben gerufen, wenn sich das Unternehmen aus eigener Kraft nicht mehr retten kann, und durch diese Krise Massenentlassungen nicht zu vermeiden sind.
Der Zweck einer Transfergesellschaft ist es, Arbeitnehmer, die gekündigt werden sollen, in einen befristeten Arbeitsvertrag zu übernehmen. Dazu wird eine eigene Gesellschaft gegründet. Für die Gründung der Transfergesellschaft gibt es ein gesetzlich definiertes Verfahren. Es wird in enger Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit umgesetzt. Beim Wechsel in eine Transfergesellschaft werden die Mitarbeiter für maximal ein Jahr weiter beschäftigt.
Transfergesellschaften haben ausschließlich das Ziel, die bei ihnen angestellten Beschäftigten so schnell wie möglich in neue Beschäftigungsverhältnisse zu vermitteln. Wer in eine Transfergesellschaft wechselt, ist dort angestellt - nicht beim bisherigen Arbeitgeber. Die Schlecker-Mitarbeiter wäre also nicht mehr bei Schlecker beschäftigt, sondern in der neu gegründeten Transfergesellschaft.
Einige große Konzerne haben in schweren Krisensituationen, in denen tausende Arbeitsplätze auf dem Spiel standen, bereits Transfergesellschaften gegründet: Telekom, Opel, Infineon, der Autozulieferer Phoenix, die ehemalige Siemens-Tochter BenQ.
Rechtlich handelt es sich bei Transfergesellschaften um so genannte strukturelle Kurzarbeit. Das bedeutet, die Beschäftigten erhalten "Transferkurzarbeitergeld". Das beträgt 60 Prozent des Nettolohns für Mitarbeiter, die keine Kinder haben; Mitarbeiter mit Kind erhalten 67 Prozent des letzten Nettolohns. Diesen Betrag zahlt das Arbeitsamt aus den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung. In vielen Fällen stockt der ehemalige Arbeitgeber das Gehalt auf 80 Prozent auf.
Während der ersten Transfergesellschaft 2010 bekamen die Ex-Opelaner 80 Prozent ihres letzten Gehalts. Finanziert wurde das zu gleichen Teilen von der Arbeitsagentur und Opel. Ausgelegt war die Transfergesellschaft für zwölf Monate. Wer vorher einen neuen Job fand, bekam eine sogenannte Sprinter-Prämie: Für jeden Monat, den der Autokonzern das Gehalt nicht mehr zahlen musste, gab es 1000 Euro für die Ex-Mitarbeiter. So sollte ein Anreiz geschaffen werden, dass sich die Mitarbeiter nicht zwölf Monate lang weiterbezahlen lassen und dann erst aktiv nach Jobs suchen.
Dem TÜV Nord standen Gelder aus dem Europäischen Globalisierungsfonds (EGF) in Höhe von 6,9 Millionen Euro zur Verfügung, um die Mitarbeiter weiterzubilden und zu vermitteln. „Wir hatten 4,3 Millionen Euro von Opel und die Möglichkeit bei Bedarf bis zu 6,9 Millionen Euro vom EGF abzurufen“, sagt Hermann Oecking, Geschäftsführer des TÜV Nord Transfer.
„Beim EGF gab es zwei Fördertöpfe. Einen für die klassischen Qualifizierungsmaßnahmen und einen für sonstige arbeitsmarktpolitische Instrumente wie Job-Speed-Datings mit Arbeitgebern, Job-Messen und so weiter.“
Abgerufen wurde laut dem Bundesarbeitsministerium jedoch nur 3,182 Millionen Euro für Qualifizierung, Beratung und Betreuung der Beschäftigten nach dem Ausscheiden aus der Transfergesellschaft. Hinzu kamen nochmal 430.000 Euro für Verwaltungskosten des TÜV Nord. Nach den EU-Vorgaben habe der TÜV Nord zuerst das von Opel zur Verfügung gestellte Geld ausgeben müssen. „Danach wurden mit EGF -Gelder alle weiteren Maßnahmen ermöglicht, die für die berufliche Zukunft sinnvoll waren“, sagt er. „Mit dem Mittelabruf liegen wir im Durchschnitt vergleichbarer Transfergesellschaften. Dies hat das Bundesarbeitsministerium bestätigt."
Das Problem: Die Schlecker-Filialen sind deutschlandweit verteilt. „Für eine Auffanggesellschaft mit einer so dezentralen Struktur gibt es bislang kein Vorbild“, heißt es bei der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Vor allem Baden-Württemberg steht vor einer Herausforderung; die Schlecker Firmenzentrale befindet sich in Ehingen, in der Nähe von Ulm, die Filialen des Drogeristen sind aber über ganz Deutschland verstreut. Wirtschaftsminister Schmid fordert daher eine länderübergreifende Initiative.
Es muss schnell gehen
Parallel zu den Verhandlungen mit Verdi und den Betriebsräten will Geiwitz auch mit den Vermietern der Läden sprechen und bis Mitte April die Filialzahl herunterfahren. Die Zeit drängt. „Wir haben keine Luft für eine langsame Sanierung“, sagt Geiwitz. Denn der Minustrend der letzten Monate schreckt Investoren ab.
Zwar geht der Verwalter im Prinzip auch davon aus, Schlecker ohne externe Geldgeber weiterzuführen. Allerdings dürfte es schwerfallen, die Gläubiger, die letztlich über den Insolvenzplan entscheiden müssen, von dieser Option zu überzeugen. Mit einem Investor als Garanten für eine Weiterführung stünden die Chancen höher.
Um den zu finden, setzt Geiwitz vorerst auf eine Paketlösung: Er will das vergleichsweise attraktive Filialnetz im Ausland - vor allem in Spanien und Österreich - zusammen mit den deutschen Krisenläden verkaufen. Auch das wachstumsstarke Online-Geschäft und die Zweitmarke Ihr Platz sollen möglichst zusammen mit den Schlecker-Märkten den Besitzer wechseln.
Für Finanzinvestoren böte die Paketlösung den Reiz, später selbst mögliche Zerschlagungsgewinne einfahren zu können. Für Konkurrenten wie Rossmann ist ein Einstieg bei Schlecker derweil keine Option. Nur die Übernahme einzelner Filialen wäre im Fall einer Zerschlagung des früheren Drogerie-Dominators interessant.
Unterdessen wollen neue Konkurrenten von Schleckers Niedergang profitieren. Auch Supermärkte und Discounter wollten „als Nahversorger den Wegfall der Kleinstflächen bei Schlecker kompensieren“, heißt es in einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG.