Drogeriemarkt-Pleite Schlecker-Kinder sind Gläubiger

Die Lage bei dem Pleite-Drogisten ist vertrackt: Der Gründerclan hat Millionen in die Sanierung gesteckt – und scheiterte. Nun sind die Schlecker-Kinder Gläubiger des väterlichen Konzerns.

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Arndt Geiwitz Quelle: dapd

Der Mann, der Schlecker retten soll, trägt Schwarz. Nur der Trauerflor fehlt, als Arndt Geiwitz, Insolvenzverwalter der gestrauchelten Drogeriekette, am vergangenen Mittwoch in einem Frankfurter Hotel die drastischen Einschnitte vorstellt, mit denen er den Handelskonzern retten will. Das Signal ist klar: Es wird heftig für die Mitarbeiter. Fast 12 000 Arbeitsplätze könnten wegfallen. An Deutlichkeit fehlt es auch nicht bei Geiwitz zweiter Botschaft: Der Verwalter führt das Kommando, nicht die Familie. Anders als bei früheren Präsentationen fehlen diesmal Meike und Lars Schlecker, die Kinder des Gründers, auf dem Podium. Auch mit Kritik am „patriarchischen“ Führungsstil des früheren Seifenkönigs Anton Schlecker spart der Verwalter nicht.

Wo der Staat eingesprungen ist
Schlecker Quelle: dapd
Commerzbank Quelle: dpa
OpelBereits im Jahr 2008 hatte Opel, nach Absatzeinbruch und massiven Verlusten, als erster deutscher Autohersteller den Staat um Hilfe. Eine Bürgschaft von Bund und Ländern sollte das Unternehmen stützen. Doch diese Bürgschaft war ein großer Streitpunkt in der Politik. Schließlich preschte Thüringen als erstes Bundesland vor und beschloss einen Bürgschaftsanteil in Höhe von 24 Millionen Euro zu übernehmen. Im Sommer 2009 meldete die Opel-Tochter General Motors Insolvenz an und Opel erhielt eine erste Finanzspritze des Staates. Der neue Opel Chef Nick Reilly stellt im Januar 2010 einen Sanierungsplan vor: Der Staat sollte sich mit 1,5 Milliarden daran beteiligen. 8400 Stellen sollen in Europa fallen, 3900 davon in Europa. Im Herbst 2010 heißt es dann, das Unternehmen solle aus eigener Kraft gerettet werden, Staatshilfen werde es nicht geben. Quelle: REUTERS
Holzmann Quelle: REUTERS
Babcock Borsig Quelle: AP
Beiersdorf Quelle: dpa/dpaweb
Qimonda Quelle: dpa

Die Ansage, wer jetzt das Sagen bei dem Pleite-Drogisten hat, schien überfällig. Schon lange fragten sich Insolvenzexperten, warum Geiwitz den Clan, der letztlich verantwortlich für das Desaster ist, weiterhin öffentlichkeitswirksam agieren ließ. Doch der Verwalter hatte gute Gründe. Zum einen besitzt der Name Schlecker bei etlichen Führungskadern noch Gewicht. Die Familie war ein willkommenes Kommunikationsscharnier zwischen dem Verwalter und den altgedienten Kräften.

Zum anderen kämpfen die beiden Junioren seit eineinhalb Jahren mit Nachdruck und durchaus glaubwürdig für einen Neuanfang des Konzerns. Ein dritter Grund könnte für Geiwitz letztlich aber entscheidend gewesen sein: Lars und Meike Schlecker zählen offenbar selbst zu den großen Gläubigern des Konzerns.

Ein Fall wie für Schuldnerberater Peter Zwegat

Die Schleckers hatten in den vergangenen Jahren nach eigenen Angaben einen dreistelligen Millionenbetrag in das Geschäft gepumpt, um die Restrukturierung voranzubringen. Einen Teil davon steuerten die Kinder offenbar in Form von Krediten an den Konzern bei, was zu einer Konstellation führt, die man sonst eher in den Privatfernsehtragödien von RTL-Schuldenberater Peter Zwegat („Raus aus den Schulden“) erwartet: Vater Schlecker, 67, ehemaliger Metzgermeister, steht bei Sohn und Tochter in der Kreide. Denn als Einzelkaufmann haftet der Patron für sämtliche Konzernverbindlichkeiten, also auch für Kredite seiner Kinder an den Konzern. Seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht Schlecker senior unter Kuratel des Verwalters. De facto entspricht das einer Privatinsolvenz, der Verwalter kann Anton Schlecker bis zur Pfändungsgrenze schröpfen.

Konzern auf Kur

Geschlossene Schlecker-Filiale Quelle: dpa

Wie hoch die Forderungen von Lars und Meike Schlecker im Detail ausfallen, dürfte sich erst nach der regulären Eröffnung des Verfahrens voraussichtlich im April herausstellen, wenn die Geschwister ihre Außenstände bei Gericht beziffern.

Doch ein zweistelliger Millionenbetrag scheint realistisch zu sein, zumal intern sogar der Einzug eines Familienvertreters in den vorläufigen Schlecker-Gläubigerausschuss diskutiert wurde. „Die Frage stand im Raum“, bestätigte Geiwitz der WirtschaftsWoche am vergangenen Mittwoch. Er habe der Familie aber davon abgeraten.

In dem Gremium sind die wichtigsten Betroffenen vertreten, etwa der Schweizer Einkaufsverbund Markant und der Warenkreditversicherer Euler Hermes. Der Gläubiger-Ausschuss soll den Verwalter kontrollieren und unterstützen. Weder bei den übrigen Gläubigern noch bei möglichen Investoren wäre wohl nachvollziehbar gewesen, dass der Kontrolleur von Anton Schlecker wiederum von dessen Familienangehörigen beaufsichtigt wird. Wie könnte der Verwalter die vertrackte Gemengelage auflösen?

Denkbar wäre dereinst die Umwandlung interfamiliärer Forderungen in Anteile am sanierten Schlecker-Unternehmen. Er strebe eine Lösung an, „bei der die Familie eine Rolle spielt“, deutete Geiwitz bei der Präsentation seiner Sanierungspläne an.

Radikalkur à la Geiwitz

Doch das ist Zukunftsmusik. Derzeit verbrennt Schlecker rund 20 Millionen Euro pro Monat. Bis April will Geiwitz die Verluste stoppen und hat dem Unternehmen eine Radikalkur verordnet. Auf 3000 Standorte könnte er das Filialnetz schrumpfen - einst waren es rund 10 000. Auch einzelne Auslandsgesellschaften stehen zur Disposition. Von Mai an will Geiwitz bei Shampoo, Spüli und Schminke den Rotstift ansetzen, da der Konzern gegenüber Rivalen wie dm und Rossmann auf Preisebene seit Jahren nicht mehr satisfaktionsfähig ist.

Schließlich soll eine neue, offene Führungskultur im Unternehmen verankert werden. Letzteres ist auch ein Zugeständnis an die Gewerkschaft Verdi, deren Vertreter von der Höhe der geplanten Stellenstreichungen überrascht wurden. Ein Gewerkschafter war im Vorfeld von 8000 bis maximal 10 000 Jobs ausgegangen, die wegfallen würden. Nun sollen es nach den bisherigen Zahlen fast 12 000 werden.

Schlecker-Mitarbeiterinnen brauchen Weiterqualifizierung

Womöglich kann die Gewerkschaft die Zahl noch etwas drücken und so einen Achtungserfolg verbuchen. Doch der Spielraum ist begrenzt. In den kommenden Wochen müssen die Arbeitnehmervertreter und der Insolvenzverwalter einen Sozialplan für die Massenentlassungen in Logistikzentren und Filialen aushandeln.

Besonders bitter: Viele Schlecker-Verkäuferinnen haben wenig Chancen, sofort eine neue Beschäftigung zu finden. „Wir brauchen dringend eine Transfergesellschaft für Qualifikation und Vermittlung“, forderte bereits Verdi-Chef Frank Bsirske. Rückenwind bekommt er vom baden-württembergischen Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid. Die Schlecker-Mitarbeiter müssten für jahrelange, unternehmerische Fehler den Kopf hinhalten. "Der Staat ist gefordert, die Folgen abzumildern."

Paket für den Investor

Lars und Meike Schlecker Quelle: dpa

Kommt die Auffanggesellschaft zustande, könnte auch das Bundesarbeitsministerium helfen, geht aus einem „Bericht der Bundesregierung zur Insolvenz von Schlecker“ hervor. „Sollte aufgrund eines Sozialplans die Gründung von Transfergesellschaften in Betracht kommen“, heißt es darin, „können diese bis zu zwölf Monate mit Transferkurzarbeitergeld gefördert werden.“

Was ist eine Transfergesellschaft?

Das Problem: Die Schlecker-Filialen sind deutschlandweit verteilt. „Für eine Auffanggesellschaft mit einer so dezentralen Struktur gibt es bislang kein Vorbild“, heißt es bei der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Vor allem Baden-Württemberg steht vor einer Herausforderung; die Schlecker Firmenzentrale befindet sich in Ehingen, in der Nähe von Ulm, die Filialen des Drogeristen sind aber über ganz Deutschland verstreut. Wirtschaftsminister Schmid fordert daher eine länderübergreifende Initiative.

Es muss schnell gehen

Parallel zu den Verhandlungen mit Verdi und den Betriebsräten will Geiwitz auch mit den Vermietern der Läden sprechen und bis Mitte April die Filialzahl herunterfahren. Die Zeit drängt. „Wir haben keine Luft für eine langsame Sanierung“, sagt Geiwitz. Denn der Minustrend der letzten Monate schreckt Investoren ab.

Zwar geht der Verwalter im Prinzip auch davon aus, Schlecker ohne externe Geldgeber weiterzuführen. Allerdings dürfte es schwerfallen, die Gläubiger, die letztlich über den Insolvenzplan entscheiden müssen, von dieser Option zu überzeugen. Mit einem Investor als Garanten für eine Weiterführung stünden die Chancen höher.

Um den zu finden, setzt Geiwitz vorerst auf eine Paketlösung: Er will das vergleichsweise attraktive Filialnetz im Ausland - vor allem in Spanien und Österreich -  zusammen mit den deutschen Krisenläden verkaufen. Auch das wachstumsstarke Online-Geschäft und die Zweitmarke Ihr Platz sollen möglichst zusammen mit den Schlecker-Märkten den Besitzer wechseln.

Für Finanzinvestoren böte die Paketlösung den Reiz, später selbst mögliche Zerschlagungsgewinne einfahren zu können. Für Konkurrenten wie Rossmann ist ein Einstieg bei Schlecker derweil keine Option. Nur die Übernahme einzelner Filialen wäre im Fall einer Zerschlagung des früheren Drogerie-Dominators interessant.

Unterdessen wollen neue Konkurrenten von Schleckers Niedergang profitieren. Auch Supermärkte und Discounter wollten „als Nahversorger den Wegfall der Kleinstflächen bei Schlecker kompensieren“, heißt es in einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG.

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