E-Commerce „Mode kämpft mit Retouren, Elektronik mit tiefen Margen, frische Lebensmittel mit den Kosten für die letzte Meile“

Künftig tiefer stapeln? Jahrelang kannten die Umsätze im Onlinehandel nur eine Richtung: nach oben. Doch inzwischen bröckeln die Wachstumsraten – und Profitabilität wird wichtiger.  Quelle: imago images

Um Amazon & Co. Paroli zu bieten, haben viele Händler ihr Onlinegeschäft ausgebaut. Doch jetzt stockt die Entwicklung: MyToys schließt, Zalando schwächelt, P&C setzt auf „Stores first“. Ist die Wachstumsgrenze erreicht?

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Die jüngste Krisenbotschaft kam aus Hamburg: Der Handelsriese Otto stellt den Geschäftsbetrieb der Spielwarenplattform MyToys.de ein und schließt bis Februar 2024 alle Filialstandorte. Dass Otto die 19 stationären MyToys-Läden dichtmacht, sorgt nicht unbedingt für Verwunderung in der Branche. Die Krise des Offlinehandels ist schließlich ein Dauerthema in der Zunft. Dass die Hamburger aber auch den MyToys-Onlineshop einstampfen, kommt durchaus überraschend.

Die Marke MyToys werde künftig ausschließlich auf der Otto-Plattform angeboten. Angesichts des über Jahre defizitären Geschäftsmodells gebe es keine Alternative, erklärt Otto. Das Unternehmen habe trotz mehrfacher strategischer Neuausrichtung und hoher Investitionen nicht die erforderliche nachhaltige Rentabilität erreicht. Zuvor hatte bereits der chronisch defizitäre Onlinehändler windeln.de Insolvenz angemeldet, der Geschäftsbetrieb wird eingestellt.

Auch andere Handelsunternehmen sind zunehmend skeptisch – allen voran der Düsseldorfer Modeanbieter Peek & Cloppenburg (P&C): „Die Erwartungen an das Onlinegeschäft haben sich für uns nicht ansatzweise erfüllt“, sagte P&C-Geschäftsführer Thomas Freude der WirtschaftsWoche. Im E-Commerce sollen nun Logistikkosten und Marketingausgaben deutlich sinken. „Im Grunde geht es jetzt in die Richtung: Store first statt Online first“, so Freude.

Der Düsseldorfer Modehändler Peek & Cloppenburg will sich in einer Schutzschirm-Insolvenz neu aufstellen. P&C-Manager Thomas Freude erklärt, wo jetzt gespart wird und warum ein Kurswechsel im Onlinegeschäft nötig ist.
von Henryk Hielscher

Bislang galt bei vielen stationären Playern noch das Gegenteil als richtige Strategie: Um Amazon & Co. Paroli zu bieten, bauten sie ihr Onlinegeschäft aus. Die Ladenschließungen in der Corona-Pandemie befeuerten den Trend und bescherten dem Onlinehandel insgesamt eine Sonderkonjunktur. Doch die ist vorüber, was inzwischen selbst erfolgsverwöhnte E-Commerce-Player wie Amazon und Zalando spüren. Beide Unternehmen bauen Stellen ab.

Das Geld für Shoppingtouren fehlt

Die Jahre 2020 und 2021 hätten für den Berliner Onlinemodehändler durch „den starken pandemischen Rückenwind“ ein „außergewöhnliches Wachstum“ gebracht, schrieben die Zalando-Chefs jüngst an ihre Mitarbeiter und kündigten Sparmaßnahmen an. Seit der Normalisierung des öffentlichen Lebens habe sich das Wachstum und vor allem die Kauflaune deutlich abgeschwächt.

Die Inflation führte zudem zu hohen Preissteigerungen bei den Lebenshaltungskosten. Das Geld fehlt vielerorts für Shoppingtouren. Das trifft zwar nicht allein den Onlinehandel. Auch Geschäfte in den großen Einkaufsstraßen und Shoppingcentern litten zuletzt unter der Kaufzurückhaltung.




Allerdings fehlt vielen stationären Händlern zusehends der Glaube daran, dass sich mit dem Onlinegeschäft in absehbarer Zeit auch Geld verdienen lässt. „Im Grunde sehen wir schon seit mehreren Jahren eine Konsolidierung im Onlinegeschäft“, sagt Handelsexperte Jörg Funder von der Hochschule Worms. „Zuletzt verzeichneten vor allem die großen Player noch Wachstum, während kleinere Anbieter schwächeln.“

Auch deshalb setzen unter anderem Modehändler nun wieder verstärkt auf ihr klassisches Filialgeschäft, darunter etwa der Fashionanbieter Esprit. „Wegen des E-Com-Booms haben sich viele Unternehmen nicht so sehr auf den Einzelhandel konzentriert. Aber wir haben herausgefunden, und das belegen auch Studien, dass Kundinnen und Kunden immer noch eine physische Interaktion mit dem Produkt und der Marke bevorzugen. Deshalb haben wir auch unser Einzelhandels-Team verstärkt“, erklärte etwa Esprit-Chef William Pak gegenüber der „Textilwirtschaft“. Auch bei der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof und dem Modehändler Adler hat sich die strategische Ausrichtung zuletzt wieder stärker in Richtung Filialen verschoben.

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Johannes Berentzen, Geschäftsführer der BBE Handelsberatung GmbH, sieht dennoch kein generelles Ende des Aufschwungs im E-Commerce. „Das Onlinewachstum ist nicht vorbei, sondern normalisiert sich etwas“, sagt er. „Gleichzeitig schauen viele Anbieter beim Thema E-Commerce verstärkt auf die Profitabilität.“ Denn an der hapert es tatsächlich: „Mode kämpft mit Retouren, Elektronik mit tiefen Margen, frische Lebensmittel mit den Kosten für die letzte Meile“, zählt Rainer Münch, Partner und Handelsexperte der Unternehmensberatung Oliver Wyman, die unterschiedlichen Herausforderungen im Onlinegeschäft auf. Doch die Probleme ließen sich lösen: „Weitsichtige Investitionen in Logistik und IT zahlen sich jetzt aus, die Zeiten der Online-Improvisation sind für Stationärhändler vorbei.“ Strategisch mache eine Reduktion der Online-Aktivitäten für Stationärhändler jedenfalls keinen Sinn, so Münch. Aber „manche Anbieter werden sich wirtschaftlichen Zwängen ergeben müssen.“

Klingt ganz so, als hätte der Auswahlprozess im Onlinehandel gerade erst begonnen.

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