




Was haben der US-Schauspieler Stephen Dorff und das deutsche Model Gina-Lisa Lohfink gemeinsam? Beide sollen die E-Zigarette bekannt und beliebt machen. Dorff posiert auf Plakaten in den USA mit E-Zigarette, Lohfink mit einer überdimensionalen E-Zigarette immerhin auf dem Cannstatter Wasen bei Stuttgart. Kritiker der E-Zigarette sehen in dem Auftritt der deutschen Fernsehberühmtheit den Gipfel einer gefährlichen Marketingstrategie.
E-Zigarettenhändler bedienen sich beim Marketing der Methoden der Tabakindustrie, kritisieren Martina Pötschke-Langer und ihre Kolleginnen vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in einer umfassenden Marketing-Analyse. „Das Marketing zielt ganz klar in Richtung Kinder und Jugendliche“, sagt die Leiterin der Stabstelle Krebsprävention am DKFZ.
Hersteller und Händler werben mit knallbuntem Produktdesign, auf Youtube und Facebook starten sie Mitmachaktionen und sponsorn bei Jugendlichen angesagte Sportarten wie Rallyecross. „Zentrale Werbebotschaften sind Coolness, Eleganz und Trendbewusstsein“, schreiben die Autorinnen in ihrer Studie. Die E-Zigarette solle als ungefährliches Lifestyle-Produkt etabliert werden.
Die wichtigsten Fakten zur E-Zigarette
Bei jedem Zug verdampft ein Brennelement ein sogenanntes Liquid. Dieses kann Nikotin in verschiedenen Konzentrationen enthalten - es gibt sie aber auch nikotinfrei. Außerdem können alle erdenklichen Aromen zugesetzt sein. Um die Illusion perfekt wirken zulassen, glüht bei manchen Modellen eine Leuchtdiode an der Spitze auf.
Wissenschaftliche Beweise gibt es nicht. Sicher ist, dass Nikotin schnell süchtig macht. Die Elektro-Kippen sind wenig erforscht, Auswirkungen möglicher Schadstoffen unbekannt, sagen Kritiker. Auch ist unklar, was dem Konzentrat beigemischt ist. Das wissen nur die Hersteller. Nachfragen bleiben mit Verweis aufs Betriebsgeheimnis unbeantwortet. Die US-Kontrollbehörde FDA fand im Jahr 2009 giftige Substanzen in Proben - darunter krebserregende Nitrosamine. Gegen eine hohe Qualität der E-Zigaretten spreche auch der variierende Nikotingehalt in den Kapseln. Auch in als nikotinfrei deklarierten Patronen konnte mitunter Nikotin gefunden werden.
Die gesundheitlichen Folgen für E-Dampfer und passive "Mit-Atmer" sind in der Wissenschaft äußerst umstritten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatte zuletzt im Februar 2012 betont, dass Gefahren für Dritte „nach derzeitigem Kenntnisstand nicht auszuschließen“ seien. Es gebe so viele verschiedene Flüssigkeiten, die sogenannten Liquids, dass fraglich sei, was ein Nutzer im konkreten Fall tatsächlich inhaliere.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum spricht von einem erheblichen Forschungsbedarf und fordert geeignete wissenschaftliche Studien.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO forderte im Juli 2014, Rauchverbote auch auf E-Zigaretten zu übertragen - mit einer Einschränkung: Diese Empfehlung gelte nur, solange nicht belegt sei, dass der Dampf für Umstehende ungefährlich ist.
Behörden, Forscher und Politiker warnen vor möglichen Gesundheitsgefahren – sowohl für die E-Dampfer, als auch für die Passiv-Dampfer. Sie wollen die Rauchverbotszonen auch zu dampffreien Zonen machen. Zuletzt entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster am 4. November 2014, dass Wirte ihren Gästen weiter den Konsum von elektrischen Zigaretten erlauben dürfen - zumindest in Nordrhein-Westfalen. Das strenge Nichtraucherschutzgesetz in NRW gelte nicht für die Verdampfer. Weil bei E-Zigaretten kein Tabak verbrannt werde, handele es sich nicht um Rauchen, argumentierten die Richter. Zudem seien die Gefahren für Dritte nicht mit denen des schädlichen Zigarettenqualms vergleichbar (Az.: 4 A 775/14).
Das Oberverwaltungsgericht Münster befasste sich im September 2013 mit dem Verkauf von E-Zigaretten. Die Richter entschieden damals in einem Grundsatzurteil, dass nikotinhaltige Flüssigkeiten weiterhin außerhalb von Apotheken verkauft werden dürfen. Die Produkte seien keine Arzneimittel. Der freie Handel und Verkauf von Produkten rund um E-Zigaretten ist damit nicht strafbar. Das NRW-Gesundheitsministerium hat dagegen Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt.
E-Zigaretten erfreuen sich in Deutschland wachsender Beliebtheit. Laut dem Portal Statista wurden im Jahr 2010 fünf Millionen Euro auf dem E-Zigarettenmarkt umgesetzt - 2013 waren es schon 100 Millionen Euro. Für 2014 werden 150 bis 200 Millionen Euro erwartet.
Die DKFZ-Analyse hat die Werbemaßnahmen der E-Zigarettenhändler in Deutschland auf die vier „Ps“ des Marketings untersucht: Price, Promotion, Place und Product (zu Deutsch: Preis, Werbung, Verkaufsort und Produktdesign). Die Ergebnisse bestätigen für Deutschland, was vergleichbare Analysen in den USA und Großbritannien bereits gezeigt haben.
„Kann keine Oma als Werbebotschafterin nehmen“
„Die Werbung erfüllt genau die Sehnsüchte der Heranwachsenden“, sagt Pötschke-Langer. Bei jungen Mädchen gehöre dazu nun einmal auch Glamour. Daher sei es ein fatales Signal Gina-Lisa Lohfink als Werbebotschafterin einzusetzen. Die selbsternannte „Werbebotschafterin Nr 1“ ist bekannt aus der Fernsehsendung Germany’s Next Topmodel, die ebenfalls vor allem bei Jugendlichen beliebt ist.
Dino Paradiso von American Heritage Europe, Lohfinks Auftraggeber, sieht das anders. Das Produkt richte sich ausschließlich an erwachsene Raucher, sagt er. „Es ist schwer abzugrenzen, aber ich kann deswegen keine Oma als Werbebotschafter nehmen.“
Fakten zum Tabakkonsum
Knapp 30 Prozent der Deutschen zwischen 18 und 79 Jahren rauchen. Zwischen den Geschlechtern gibt es Unterschiede: 33 Prozent der Männer und 27 Prozent der Frauen greifen zu Zigarette und Co.
Quelle: dpa, Stand 2014
Je höher der soziale Status, desto geringer ist laut Studien das Interesse am Nikotin.
Bei 996 Zigaretten lag der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch im Jahr 2013 - ein Rückgang von 1,2 Prozent im Vergleich zu 2012. Im Jahr 2000 hatten die Deutschen noch 1699 Zigaretten pro Kopf konsumiert. Der Gesamtverbrauch lag 2013 bei 80,3 Milliarden. Hinzu kamen knapp 3,6 Milliarden Zigarren und Zigarillos.
Bis zu 120.000 Menschen in Deutschland sterben jährlich an den Folgen, mehr als 3000 durch Passivrauchen. EU-weit sterben pro Jahr fast 700.000 Raucher.
Gut 24,3 Milliarden Euro gaben die Deutschen im vergangenen Jahr für Tabakwaren aus.
Die Einnahmen aus der Tabaksteuer lagen 2013 bei 14,1 Milliarden Euro. Damit ist sie ist nach der Energiesteuer (39,4 Milliarden Euro) die zweitergiebigste der Verbrauchsteuern.
Rund 200 Millionen Euro jährlich investiert die Tabakindustrie in die Werbung.
Die E-Zigarettenindustrie nutzt das Fernsehen auch direkt, um zu werben. So hat Deutschlands größter Hersteller, Red Kiwi, im Mai unter anderem im PRO 7-Spätprogramm einen Werbeclip ausstrahlen lassen. Darin lassen vier junge Menschen E-Zigaretten galant auf ihren Hände kreisen. Der Clip erinnert stark an das bei Schülern beliebte „Penspinning“, bei dem ein Stift auf der Hand kreist, kritisieren die Studienautorinnen des DKFZ.
Dac Sprengel vom Verband des E-Zigarettenhandels und Red Kiwi-Mitarbeiter wiegelt ab. „In dem Werbespot geht es um ein stylisches, modernes Produkt“, sagt er. An Jugendliche richte sich die Werbung nicht.
Gerade bei der jungen Zielgruppe dürften die Werber allerdings auf große Neugier stoßen, wie eine Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung im Auftrag des DKFZ zeigt. Demnach probieren am häufigsten 16- bis 19-Jährige die E-Zigarette aus. In Berlin ist das „Dampfen“ schon längst auf den Pausenhöfen angekommen. Fast jede Schule hat die Produkte deshalb in ihrer Hausordnung verboten, teilt die Senatsverwaltung mit.