E-Zigaretten So lösen sich 12,8 Milliarden Dollar in Rauch auf

Juul wurde zum Verhängnis, dass das Unternehmen jahrelang auf jugendliche Kunden mit seinen Produkten zielte. Quelle: REUTERS

Der Zigarettenkonzern Altria wollte sich mit viel Geld an die Spitze eines Trends setzen. Nun schlägt die Arzneimittelbehörde FDA mit Wucht zurück. Es ist auch als Konter gegen allzu forsche Tech-Unternehmen gedacht.

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Es machte weltweit Schlagzeilen, als sich der Zigarettenkonzern Altria, ehemals Philip Morris, am 20. Dezember 2018 bei dem San Francisco Start-up Juul einkaufte, dem Pionier der E-Zigarette. Mit 12,8 Milliarden Dollar war es die bislang größte Wagnisfinanzierung auf einen Schlag, für ein damals erst dreieinhalb Jahre altes Unternehmen. Gegründet hatten es die beiden Stanford Studenten James Monsees und Adam Bowen, beides Raucher, um – so ihr Motto – „eine gesündere Alternative zur normalen Zigarette zu entwickeln“.

Für die 12,8 Milliarden Dollar bekam Altria nicht etwa das gesamte Jungunternehmen, sondern nur 35 Prozent Anteil. Damit war Juul mit 36,5 Milliarden Dollar zu diesem Zeitpunkt, kurz vor Weihnachten 2018, wertvoller als die beiden ebenfalls prominenten San Francisco Start-ups Airbnb und Lyft. Nur der Fahrdienst Uber wurde noch höher bewertet. Viel Geld, aber für den traditionsreichen Marlboro-Hersteller eine Art Rückversicherung und zugleich Chance, in dem schnell wachsenden Markt für E-Zigaretten mitzumischen. Juul, so schätzen Analysten, soll damals bereits 70 Prozent des US-Marktes gekapert haben, dank des coolen Designs seiner Verdampfer und deren vielfältigen Geschmacksrichtungen. Der Börsengang wurde vorbereitet.

Damit ist es nun vorbei. Und vielleicht auch mit Juul. Am Donnerstag gab die US-Gesundheitsbehörde FDA bekannt, dass Juul seine Produkte in den USA nicht mehr verkaufen darf. Das ist sein Kernmarkt. Mehr noch: Alle bereits im Markt befindlichen Juul-Produkte müssen aus diesem entfernt werden. Grund: In den Studien von Juul für die Zulassung, so die FDA, habe man unvollständige und widersprüchliche Angaben entdeckt, was mögliche Schädigungen von Erbgut betreffe. Dazu noch Hinweise auf schädliche Chemikalien, die aus den Nachfüll-Pods von Juul entweichen könnten. Deshalb seien die Juul-Produkte ein Risiko für die öffentliche Gesundheit.

Gegen den Ukas kann Juul Berufung einlegen. Was das Unternehmen auch tun wird. „Wir werden alles daran setzen, um weiterhin Millionen von erwachsenen amerikanischen Rauchern zu bedienen, die unsere Produkte für den erfolgreichen Übergang von brennbaren Zigaretten verwendet haben“, kündigt Joe Murillo an, der bei Juul für den Austausch mit der FDA zuständig ist. Ob sich Juul von dem Schaden erholen kann, ist fraglich. Zumal der Wettbewerb nicht davon betroffen ist. Die Konkurrenten Reynolds American, Njoy Holdings und Logic Technology Development dürfen ihre E-Zigaretten weiterhin vertreiben und haben für ihre Versionen mit Tabakgeschmack auch eine FDA-Zulassung erhalten.

Juul wurde zum Verhängnis, dass das Unternehmen jahrelang auf jugendliche Kunden oder gar Kinder mit seinen Produkten zielte. Und so, monierten Kritiker, statt einer Alternative zu normalen Zigaretten eine Einstiegsdroge offerierte. Juul stritt das kategorisch ab. Doch es offerierte für seine E-Zigaretten Pods mit Fruchtgeschmack und inserierte über soziale Medien und Jugendzeitschriften. Unter öffentlichen Druck stellte Juul vor drei Jahren den Verkauf dieser Geschmackseinrichtungen ein.

Nach Vorwürfen wegen Suchterkrankungen bei Jugendlichen, Schädigungen ihrer Lunge und Todesfällen reagierte der US-Senat wenig später und hob das Mindestalter zum Kauf von Tabakprodukten und E-Zigaretten von 18 auf 21 Jahre an. Juul setzte seinen Vorstandschef Kevin Burns vor die Tür und ernannte den früheren Altria-Manager K.C. Crosthwaite zum neuen CEO. „Wir müssen Vertrauen zurückgewinnen“, schlug dieser versöhnliche Töne an. Doch da war das Kind schon in den Brunnen gefallen. Ausgerechnet San Francisco, das Hauptquartier von Juul, hatte als erste Stadt in den USA den Verkauf von E-Zigaretten komplett verboten.

Man wollte in der Stadtverwaltung die Untersuchungen der FDA abwarten. „Looks like Tech, works like poison“ (Sieht aus wie Tech, wirkt wie Gift) ließ die kalifornische Gesundheitsbehörde vorsorglich in San Francisco plakatieren. Und konfrontierte damit direkt auch die über zweitausend Juul-Mitarbeiter, die in der Stadt arbeiteten. Auch die Internationalisierung schlingerte. In Deutschland, wo Juul Marktführer werden wollte, zog man sich Ende 2020 zurück. Hier gerät die Szene für E-Zigaretten zur Zeit in Panik, da in diesem Jahr erstmals eine höhere Steuer für E-Zigaretten eingeführt wurde.

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Für Altria ist die FDA-Entscheidung ein schwerer Schlag. Seine Investition in Juul hatte der Konzern bereits weitgehend abgeschrieben. Schon vor dem Verbot war sie auf nur noch 1,7 Milliarden Dollar beziffert worden. Zwischenzeitlich hatte Altria noch versucht, Juul günstig zu übernehmen. Aber das war am Widerstand der US-Wettbewerbsbehörde FTC gescheitert. Mit im Strudel sind namhafte Investoren wie Tiger Global Management, der Hedgefonds E Squared Capital Management und der Finanzdienstleister Fidelity Investments.

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Juul wird gegen die Entscheidung vorgehen, was jedoch mindestens ein Jahr dauern wird. In der Zeit können die Wettbewerber, die zudem noch offizielle Zulassungen haben, den Markt unter sich aufteilen. Und selbst wenn die Berufung erfolgreich ist, muss Juul sich letztlich mit der FDA einigen. Allerdings hat sich Altria beim Einstieg in Juul zusichern lassen, bei einem möglichen FDA-Verbot, eigene E-Zigaretten offerieren zu dürfen.

Für Altria ist es trotzdem bitter, hat doch nun Konkurrent Reynolds American die Marktführerschaft bei E-Zigaretten inne. Zudem hat US-Präsident Joe Biden angekündigt, den Nikotingehalt von Zigaretten verringern zu wollen, um ihre Suchtgefahr zu mindern. Das bedroht den Verkauf normaler Zigaretten.

Beobachter spekulieren derweil, dass die FDA nach jahrelangem Schlagabtausch ein Exempel an Juul statuieren will. Um zu zeigen, dass die US-Behörden durchaus gegen aggressiv agierende Tech-Unternehmen vorgehen. Und für FDA-Verhältnisse sogar relativ rasch.

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