Ebay-Manager Klinck „Bei Weihnachtsdeko sehen wir eine extreme Nachfrage“

Das Firmengelände von Ebay Deutschland in Kleinmachnow bei Berlin. Quelle: Ebay

Ebays neuer Deutschlandchef Oliver Klinck spricht über das anstehende Weihnachtsgeschäft, teilt gegen die Konkurrenz aus – und verlängert im Interview kurzerhand das Soforthilfeprogramm von Ebay für stationäre Händler.

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WirtschaftsWoche: Herr Klinck, die Pandemie wirbelt den Handel durch: Der E-Commerce erlebt seit dem Frühjahr einen Höhenflug und profitiert nun durch den „Lockdown light“. Gleichzeitig macht die Impfstoffsuche große Fortschritte und bedroht das beachtliche Wachstum. Sie sind gerade mal seit September im Amt. Haben Sie sich Ihren Start so turbulent vorgestellt?
Oliver Klinck: Turbulent ist es im Onlinehandel ja immer. Und schnelllebig sowieso. Im positiven Sinn. Trotzdem ist das Jahr natürlich besonders. Ich bin jetzt seit zwei Jahren bei Ebay und seit dem Beginn schon für das B2C-Geschäft zuständig gewesen. Es ist also kein komplett neues Gefühl als Deutschlandchef. Es ist nicht so, dass ich gerade sämtliche Dinge erst erlernen müsste und jetzt noch zusätzlich mit Corona und dem Weihnachtsgeschäft kämpfe.

Letzteres steht gerade vor der Tür. Wie gut sind Sie gerüstet?
Sehr gut, wir haben nämlich einen Vorteil als globaler Marktplatz: Wir haben kein Lager, da wir keine eigene Ware führen. Es kommt bei uns nicht zu Lagerengpässen, wir müssen nicht mit Logistikrestriktionen kämpfen. Bei uns kommt die Ware von hunderttausenden Händlern in Deutschland und Millionen weltweit. Selbst wenn wir eine Ware bei keinem deutschen Verkäufer mehr haben, schalten wir die Welt hinzu. In der Regel müssen wir das aber erst gar nicht tun. Selbst bei besonders gefragten Produkten. Bei uns gab es zum Beispiel immer Masken. In jeder Farbe und in jeder Ausführung.

Wie wollen Sie für gute Geschäfte in den nächsten Wochen sorgen?
Wir stellen gerade sehr stark heraus, dass man bei uns alles findet: Neue, gebrauchte oder super seltene Produkte. Auch das Kaufen-und-Verkaufen-Prinzip betonen wir besonders: Bei den vielen Produktneuheiten, die im Weihnachtsgeschäft rauskommen, wollen viele Konsumenten die Vorgängermodelle verkaufen und sich das neue Modell holen. Beides können sie bei uns tun. In der stillen Jahreszeit wird auch gerne das Zuhause aufgeräumt, davon profitieren wir sehr stark.

Oliver Klinck übernahm im September die Leitung von Ebay in Deutschland. Quelle: Ebay

Klingt alles ein bisschen nach „Business as usual“.
So ist es natürlich nicht. Das Wachstum in diesem Jahr ist schon besonders stark. Aber natürlich merken wir einen Corona-Effekt. Wir sind eine Technologiefirma – kein Händler. Wir schauen uns permanent Daten an und identifizieren Nachfragepeaks, um dort das Angebot zu optimieren. Diese Arbeit ist während der Pandemie nochmal deutlich intensiver geworden.

In welchen Produktkategorien sehen Sie gerade „Nachfragepeaks“?
Im zweiten Quartal waren es Masken und generell Gesundheitsprodukte. Auch Cocooning boomte: Möbel oder Elektronik für ein schönes Zuhause. Im Sommer haben wir dann einen Boost bei Swimming Pools gesehen. Die wurden teilweise echt knapp – und sind immer noch gefragt. Zeitweise hatten wir nicht – wie sonst üblich – tausende Pools im Angebot. Sondern auch mal nur fünfzig. Dann konnten wir mit der globalen Vernetzung nachhelfen: In Italien waren noch viele Pools verfügbar, die wir dann in das Angebot bei ebay.de eingebunden haben. „Ausverkauft“ gab es bei uns nicht.

Und im jüngsten Lockdown?
Jetzt sind Masken immer noch begehrt. Allerdings nicht mehr in dem Ausmaß, sie sind kein Geschäftstreiber. Bei DIY- und Heimwerkerprodukten wie Bohrmaschinen sehen wir gerade nochmal einen zusätzlichen Peak in der zweiten Welle. Die Marke Makita zum Beispiel geht bei uns durch die Decke. Und wenn ich von Peaks rede, meine ich Steigerungen von 100 bis 500 Prozent – riesige Ausschläge.

Bei welchen Produkten verzeichnen Sie ganz konkret 500 Prozent Wachstum?
Bei vielen DIY-Produkten und Sportwaren wie Hantelbänken aufgrund der geschlossenen Fitnessstudios. Viele Produkte, die im ersten Lockdown beliebt waren, sind jetzt nochmal beliebter als im Frühjahr. Auch bei Weihnachtsdeko sehen wir jetzt schon eine extreme Nachfrage. In diesem Jahr startet das Weihnachtsgeschäft ja deutlich früher, das hat ein Wettbewerber schon stark gepusht (Amazon bietet schon seit dem 26. Oktober „frühe Black-Friday-Angebote“ an; Anm. d. Red.). Wir haben schnell reagiert und spielen jetzt schon Kampagnen aus, die die Weihnachtsshopper direkt ansprechen: „Wenn Du Weihnachtsgeschenke suchst, hier findest Du sie.“

Wie nachhaltig ist das Wachstum? Ein Impfstoff könnte das Leben ja wieder ein Stück weit normalisieren. Trauen Sie sich hier eine Prognose zu?
Auf der Marktseite ist es auf jeden Fall nachhaltig: Mehr Konsumentinnen entdecken den E-Commerce. Und diejenigen, die schon vorher online eingekauft haben, tun das jetzt deutlich breiter aufgrund der gesunkenen Offline-Verfügbarkeit. Das wird bleiben. Wir gewinnen sehr stark bei den aktiven Kunden. Also bei denen, die regelmäßig bei uns einkaufen – hier wachsen wir nachhaltig. Wir haben dieses Jahr auch sehr viele neue Kunden in Deutschland gewinnen können. Im ersten Halbjahr waren es mehr als im gesamten vergangenen Jahr zusammen. Mit vielen Marketingmaßnahmen versuchen wir gerade, diese Kunden an uns zu binden. Das läuft sehr gut und macht mich zuversichtlich.

„Nicht alle Produktsegmente sind Corona-Gewinner“

Was tun Sie konkret, um langfristig zu profitieren?
Wir wissen etwa, dass Kunden, die bei Ebay gleichzeitig kaufen und verkaufen, eine deutlich engere Bindung an unsere Plattform entwickeln als Kunden, die nur kaufen. Deshalb läuft gerade eine Aktion, bei der wir Käufer zu Verkäufern machen wollen: Sie erhalten einen Teil des Verkaufswertes als Ebay-Gutschein. So wollen wir sie zum Verkaufen animieren.

Ebay hat aufgrund der guten Geschäfte die Umsatzprognose für das laufende Jahr angehoben. Wie gut können Sie für den deutschen Markt planen?
Nur schwer. Ein prozentgenauer Forecast für das erste Quartal 2021 ist unmöglich. Corona spielt eine zu große Rolle. Sowohl die gesellschaftlich negativen Auswirkungen als auch die positiven für den E-Commerce. Und auch andere globale Themen haben einen Einfluss auf unser Geschäft: die Wahlen in den USA oder der Brexit. Deutsche Verkäufer verkaufen zum Beispiel stark in England. Und englische wiederum sehr stark in Deutschland. Es gibt gerade zu viele Unbekannte. Wir können nur sagen: Wir rechnen mit einer weiterhin positiven Entwicklung. Wie positiv genau die ausfallen wird? Das können wir nicht beurteilen. Und auch nicht alle Produktsegmente sind Gewinner: Bei Ebay werden etwa auch Tickets für Veranstaltungen verkauft. Das Geschäft boomt jetzt natürlich nicht gerade. In Summe kann man sagen, dass etwa zehn Prozent unserer Kategorien gerade schlechter laufen als im Vorjahr.

Und da erwarten Sie eine Angleichung, wenn die Normalität stückweise zurückkehren könnte?
Genau.

Zu Ihren Kunden gehören auch viele stationäre Händler. Wie hat sich dieses Geschäftsfeld in den vergangenen Monaten entwickelt?
Gerade in Deutschland leben wir sehr stark von den kleinen und mittelständischen Händlern, die sind tatsächlich in großer Zahl bei uns repräsentiert. Diesen Unternehmen helfen wir und versuchen hier unsere Kundenbasis auszubauen. Etwa mit unserem Soforthilfeprogramm. Das haben wir in der ersten Welle gestartet. Hier erleichtern wir Händlern den Einstieg in den E-Commerce und verzichten dabei in den ersten drei Monaten auf die Gebühren. Bei uns brauchen sie – anders als bei vielen Wettbewerbern – zu Beginn kein Warenwirtschaftssystem, um einen Onlineshop zu starten. Bislang haben sich hier mehr als 5000 neue Händler angemeldet. Die erhalten von uns zusätzlich noch spezifische Beratungsleistungen im ersten halben Jahr.

Und das Programm läuft jetzt weiter, weil aufgrund der zweiten Welle so viel Bedarf ist?
Richtig, wir haben es erstmal bis Ende des Jahres verlängert. Und werden es wahrscheinlich auch im nächsten Jahr laufen lassen.

Das könnten Sie hier jetzt natürlich konkret beschließen.
Na gut, dann sage ich es einfach: Ja, wir werden das Soforthilfe-Programm auch über den Jahreswechsel hinaus verlängern.


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Viele Konkurrenten arbeiten auch mit stationären Händlern zusammen. In einem Interview mit dem „Handelsblatt“ beschwerten Sie sich darüber, dass Zalando für sich reklamiere, diese Kooperationen erfunden zu haben. Sind wir mal ehrlich: Müssten Sie das nicht nur einfach stärker herausstellen?
Die kurze Antwort wäre: Ja. Und das machen wir jetzt auch! Der Move von Zalando ist aber clever. Und dann gibt es noch diesen anderen riesigen Onlinehändler mit „A“, der behauptet, die kleinen Händler zu retten – und jetzt in den Fokus der Europäischen Kommission rückt. Entscheidend sind allerdings die Eintrittsbarrieren: Bei uns sind die eben sehr niedrig. Bei Zalando können Händler nicht sofort loslegen. Die sind ja kein offener Marktplatz. Das soll gar nicht gegen Zalando sprechen – das ist einfach ihr Geschäftsmodell. Man muss also genau hingucken: Ja, was Zalando macht, ist gut. Ob es dem kleinen Händler in Not auch hilft, ist fraglich. Da sind wir der deutlich bessere Partner.

Zurück zur Frage: Sie stellen diesen Punkt bald stärker heraus, damit Sie in folgenden Interviews erst gar nicht mehr über die Initiativen der Konkurrenz reden müssen?
Wir müssen noch lauter werden, ja. Wir waren in diesem Jahr aber nicht tatenlos. Im Sommer haben wir TV-Spots mit authentischen Händlern ins Fernsehen gebracht. Hier werden wir weiter machen. Darüber haben wir unsere „Händler-Awards“. Hier schicken Händler ihre Geschichte ein – und werden von einer Jury ausgezeichnet. Das ist teilweise sehr berührend. Im positiven Sinn. Das Schöne ist, dass wir das funktionierende Geschäft dieser Händler nicht kaputtmachen. Wir sind ein demokratischer Marktplatz. Konkurrenz gibt es nur unter den Verkäufern.

Mehr zum Thema: Mit dem Weihnachtsgeschäft samt Black Friday und Cyber Monday erwarten Onlinehändler Rekordumsätze. Die sind auch dringend nötig.

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