Ebay-Schreck Richter stoppen den Abbruchjäger

Auf Auktionsplattformen wie Ebay lauern zahlreiche Wegelagerer, die unvorsichtige Verkäufer mit Schadenersatzklagen überziehen. Der Bundesgerichtshof hat jetzt für mehr Rechtssicherheit gesorgt – zumindest ein bisschen.

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Ebay-Logo am Hauptquartier des Konzerns in San Jose. Quelle: AP

Düsseldorf Es gibt bei Ebay eine goldene Regel: Ist eine Auktion erst einmal gestartet, darf sie nicht wieder abgebrochen werden. Bereits mit dem ersten Gebot über einen Euro ist ein Kaufvertrag zustande gekommen. Nur in Ausnahmefällen, wenn beispielsweise die Ware durch einen Unfall zerstört wurde, darf der Verkäufer das Angebot zurückziehen. Viele Verkäufer aber nehmen es damit nicht so genau, etwa wenn ihnen die Gebote bei der Auktion zu niedrig scheinen oder Ihnen ein Kumpel ein unschlagbares Alternativangebot macht.

Dann schlägt die Stunde der sogenannten Abbruchjäger. Systematisch bieten sie kleinste Summen auf teure Produkte – und lauern darauf, ob einer der Verkäufer seine Auktion unerlaubt abbricht. Dann verklagen sie ihn auf Schadenersatz, weil sie die Edel-Uhr oder das Laptop nicht für einen Euro ersteigern konnten. Bisher haben ihnen deutsche Gerichte meist Recht gegeben, haben sie doch die Geschäftsbedingungen auf ihrer Seite.

Doch nun hat erstmals der Bundesgerichtshof einem solchen Wegelagerer einen Riegel vorgeschoben. Zwar hat der BGH die Klage schon aus formalen Gründen abgewiesen. Die Richter ließen aber keinen Zweifel an ihrer Einschätzung, dass sich systematische Abbruchjäger auf Ebay, die sich nur an Online-Auktionen beteiligen, um anschließend auf Schadenersatz klagen zu können, „rechtsmissbräuchlich“ verhalten. Sie schlossen sich damit inhaltlich der Beurteilung der Vorinstanz, dem Landgericht Görlitz, an. Die „Häufung aussagekräftiger Indizien“ spreche dafür, so die Richter in der Urteilsbegründung.

Ebay begrüßte, dass das Urteil klarstellt, dass das Verhalten des Abbruchjägers rechtsmissbräuchlich war. „Wir werden auf dem Ebay-Marktplatz weiterhin Bieter sanktionieren,  wenn wir handfeste Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten feststellen können", teilte das Unternehmen mit.

In der Tat gab es im konkreten Fall einige Hinweise, dass es sich um einen Abbruchjäger handelt. So hatte der Mann über die Firma seines Vaters einen Ebay-Account und unter falschem Namen weitere Nutzerkonten eingerichtet und 2012 einen Euro auf ein dort eingestelltes Motorrad geboten. Nachdem der Verkäufer die Auktion abgebrochen hatte, ließ er zunächst ein halbes Jahr verstreichen, bevor er 4.899 Euro Schadenersatz einforderte.

Das Landgericht Görlitz, das seine Klage zuvor bereits abgelehnt hatte, wies darauf hin, dass der Mann allein im Sommer 2011 unter wechselnden Identitäten und Accounts auf Ebay Angebote in Höhe von insgesamt 215.000 Euro abgegeben hatte. Außerdem hatte er zahlreiche Schadenersatzverfahren geführt und in einem Fall sogar drei Jahre gewartet, bis er von einem Verkäufer Schadenersatz forderte.

In der Vergangenheit waren unvorsichtige Verkäufer beim BGH mit ihrer Argumentation stets gescheitert. Im Jahr 2014 etwa urteilte das Gericht, dass ein „grobes Missverhältnis“ zwischen Maximalgebot und tatsächlichem Wert der Ware nicht ohne Weiteres „auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters“ schließen lässt. Der Anbieter, der seinen VW Passat nicht für einen Euro hatte abgeben wollen, musste Schadenersatz zahlen.


Sind auch ehrliche Schnäppchenjäger betroffen?

In der Tat beruht ja gerade die Faszination von Auktionsplattformen wie Ebay darauf, dass Käufer eine Ware auch mal weit unter Wert ersteigern können und so Schnäppchen machen. „Allein aus der Tatsache, dass ein Mitglied auf eine Vielzahl von Auktionen bietet und einmalig Schadenersatz geltend macht, können wir nicht schließen, dass es sich um missbräuchliches Verhalten handelt“, beschreibt Ebay selber das Dilemma.

Das war im vorliegenden Fall allerdings eindeutiger. Außerdem hatte der Verkäufer für den Abbruch einen guten Grund: Er hatte sich bei den technischen Daten geirrt und bot das Motorrad wenig später noch einmal korrekt bei Ebay an – und konnte es dabei für 4.900 Euro verkaufen.

Experten hätten sich jedoch ein noch klareres Urteil gewünscht. „Leider zieht der BGH keine Grenzen zwischen normalen Schnäppchenjägern und Abbruchjägern“, sagt der Kölner Medienanwalt Christian Solmecke, der sich bereits mit zahlreichen solcher Fälle beschäftigt hat. Denn die Zahl der Betroffenen dürfte in die Tausende gehen. „Bei uns in der Kanzlei melden sich so pro Woche zwei bis drei betroffene Ebay-Verkäufer, die eine Auktion unberechtigt vorzeitig abgebrochen haben und nun die Ware für wenige Euro verkaufen sollen“, berichtet Solmecke. Doch nicht immer sei klar, ob dahinter ein professioneller Abbruchjäger stecke.

Grundsätzlich müssen sich aber Schnäppchenjäger auch nach dem Urteil des BGH keine Sorge machen, wenn sie mit Glück wertvolle Ware für wenige Euro ersteigern. „Im heutigen Fall ging es eindeutig nicht um einen Schnäppchenjäger. Wer also nicht massenhaft auf Auktionen bietet, kann nach wie vor für sehr geringe Preise auch bei zu Unrecht abgebrochenen Auktionen Schnäppchen erzielen“, sagt Rechtsanwalt Solmecke.

Noch in einem zweiten Fall sorgte der BGH jetzt für mehr Rechtssicherheit bei Ebay-Auktionen. Es stellte klar, dass Ebay-Verkäufer, die heimlich über ein Zweitkonto auf die eigene Ware mitsteigern und damit den Preis unerlaubt in die Höhe treiben, schadenersatzpflichtig sind. Ein Verkäufer, der auf diese Weise den Kaufpreis für einen VW Golf auf 17.000 Euro getrieben hatte, muss deswegen nun 16.500 Euro Schadenersatz zahlen.

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