Devin Wenig hat sie nach Las Vegas gerufen, und mehr als 1000 professionelle Händler sind der Einladung des Ebay-Chefs in das Luxushotel Venetian gefolgt. Zum Feiern ist ihnen kaum zumute. Sie vermissen jene Dynamik, mit der sich der große Rivale Amazon ständig neu erfindet und immer mehr Kunden zu sich lockt. „Großartige Unternehmen werden über Jahrzehnte hinweg gebaut, nicht in 90 Tagen“, wirbt Wenig um Geduld. Ebay habe ein unverwechselbares Profil: „Warum sollten wir andere Unternehmen kopieren?“
Selbstverständlich ist die Antwort auf die Frage nicht. Unter Wenigs Vorgängern ist Ebay dem großen Konkurrenten in den vergangenen Jahren hinterhergehechelt. Mit bescheidenem Erfolg: Amazon ist immer weiter enteilt und setzt mit zuletzt 107 Milliarden Dollar jährlich mehr als das Zwölffache um.
An der Börse ist Ebay derzeit 31 Milliarden Dollar wert, Amazon kommt auf 360 Milliarden Dollar. Zwischen den fast zeitgleich Mitte der Neunzigerjahre gestarteten Konzernen klaffen Welten.
Amazon und Ebay im Vergleich
Ebay: 8,6 Milliarden Dollar
Amazon: 107,0 Milliarden Dollar
Quelle: ExportX, Statista
Ebay: 1,7 Milliarden Dollar
Amazon: 0,6 Milliarden Dollar
Ebay: 32 Milliarden Dollar
Amazon: 351,2 Milliarden Dollar
(Geschäftsjahr 2015)
Ebay: 11.600 Mitarbeiter
Amazon: 230.800 Mitarbeiter
Ebay: 140 Millionen
Amazon: 237 Millionen
Ebay: 1000 Millionen
Amazon: 488 Millionen
(Flatrate in Deutschland)
Ebay: 185.000 bei Ebay Plus (Unternehmensangaben)
Amazon: 17 Millionen bei Amazon Prime (Schätzung)
Wenig will den Trend drehen. Ebay soll seine Stärke als größter Produktkatalog der Welt ausspielen, seine Kunden mit besserem Service, mehr Übersichtlichkeit und integrierten Vergleichen von Preisen und Funktionen überzeugen. Tatsächlich ist die Vielfalt des Angebots die einzige Kategorie, in der das Unternehmen Amazon noch übertrumpft. Mindestens eine Milliarde Angebote sind auf Ebay gelistet, bei Autos reicht die Palette vom Studebaker Oldtimer bis zum neuen Tesla Geländewagen. „Wir sind ein Marktplatz, kein Händler“, bekräftigt Ebay-Stratege Sankar Subramanyan.
Es geht letztlich um die eigene Existenzberechtigung. Ebay ist eine der bekanntesten Marken aus dem Silicon Valley und wirtschaftet profitabel, erreicht aber längst nicht mehr die Zuwachsraten angesagter Adressen wie Facebook und Snapchat. Mittelfristig droht Ebay ein ähnliches Schicksal wie dem Webportal Yahoo. Das ist über die Jahre immer weiter in die Krise gerutscht – und steht nun vor der Übernahme durch den US-Telekommunikationsriesen Verizon.
Die verrücktesten Ebay-Auktionen
Der bisher teuerste über Ebay verkaufte Artikel ist eine Luxus-Jacht. Für 168 Millionen Dollar ging sie 2006 an den russischen Milliardär Roman Abramowitsch. Den vorherigen Rekord hielt seit 2001 ein Gulfstream-Privatjet für 4,9 Millionen Dollar.
Der Hof Liebon bei Bautzen ist als „Ebay-Dorf“ bekannt. Liebon, aus einem Wohnhaus und mehreren Stallgebäuden bestehend, wurde 2009 als ganzes Dorf zur Auktion gestellt. Bei der Online-Versteigerung fand es nicht direkt einen Käufer. Besitzer Andreas Reitmann erwarb das Anwesen erst später.
Eine „Superman“-Ausgabe wechselte 2014 für 3,2 Millionen Dollar den Besitzer.
Ein Käsesandwich, auf dem man mit etwas gutem Willen ein Frauengesicht erkennen konnte (interpretiert als das Antlitz der Gottesmutter Maria), wurde 2004 für 28 000 Dollar verkauft.
Dem Hersteller Levi's war 2001 eine seiner Hosen aus dem 1880er Jahren über 46 532 Dollar wert.
Ein VW Golf, den einst Joseph Kardinal Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI. fuhr, wurde bei Ebay 2005 für 188 936,88 Euro von einem US-US-Kasino gekauft. Verkäufer war ein Zivildienstleistender, der den Gebrauchtwagen für knapp 10 000 Euro erworben hatte. Als die Amerikaner zwei Jahre später den Golf wieder versteigern wollten, wurde der von ihnen verlangte Mindestpreis verfehlt.
Umso stärker ist der Druck auf Wenig. Dass er den Marktplatz zu neuer Blüte führt, ist umso wichtiger, weil Ebay im Juli 2015 auf Druck einflussreicher Aktionäre seinen populären Onlinebezahldienst PayPal abspalten musste. Der hatte bis dahin den größten Teil des Wachstums, knapp die Hälfte des Umsatzes sowie gut 40 Prozent des Gewinns gebracht. Auch der Ticketvermittler Stubhub ist keine große Stütze mehr, weil sich Veranstalter zunehmend gegen den Wiederverkauf von Eintrittskarten wehren.