Edeka darf Kaiser's Tengelmann schlucken Die Nummer 1 im Lebensmittelhandel wird mächtiger

Wirtschaftsminister Gabriel genehmigt die Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka. Das macht den Händlerverbund mächtig wie nie, Konkurrent Rewe kündigt rechtliche Schritte an. Für die Kunden wird sich einiges ändern.

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Wirtschaftsminister Gabriel hat die Übernahme der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann durch Edeka genehmigt. Quelle: dpa

Es ist das Ende einer monatelangen Hängepartie. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erlaubte am Donnerstagmittag die Übernahme der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann durch Edeka. (Die Ministererlaubnis im Wortlaut.)

Karl-Erivan Haub, Patron der Tengelmann-Gruppe, und Edeka-Chef Markus Mosa sind am Ziel. Edeka kann in Zukunft rund 450 Filialen von  Kaiser's Tengelmann mit rund 16.000 Beschäftigten führen - wenn Edeka alle Auflagen wie etwa den Erhalt von Arbeitsplätzen erfüllt habe, geht aus der der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Ministererlaubnis hervor.

Schon im Januar hatte Gabriel deutlich gemacht, die Fusion genehmigen zu wollen – gegen den Beschluss des Bundeskartellamts und den Rat der Monopolkommission. Sowohl Edeka und Tengelmann als auch 13 weitere Verfahrensbeteiligte, darunter Gegner und Konkurrenten, hatten in den vergangenen Wochen die Chance, eine Stellungnahme abzugeben. An Gabriels Entscheidung hat es nichts geändert. "Der Erhalt der Arbeitsplätze und Arbeitnehmerrechte der Beschäftigten von Kaiser's Tengelmann lässt sich aus meiner Sicht nur durch eine Gesamtübernahme durch Edeka wirkungsvoll realisieren", so der Wirtschaftsminister.

Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands

Einfluss auf den Lebensmittelhandel

Dabei warnen Wettbewerbshüter, dass die Markmacht von Edeka durch die Fusion in einigen Gebieten über Gebühr anwachsen könnte. Der Vorsitzende der Monopolkommission, Daniel Zimmer, hatte schon nach der Vorentscheidung von einer „Entscheidung zulasten des Wettbewerbs“ gesprochen. Am Donnerstag trat er aus Protest gegen die Entscheidung von seinem Amt zurück.

Zwar kommt Kaiser’s Tengelmann nach eigenen Angaben bundesweit nur auf einen Marktanteil von 0,6 Prozent. In Berlin, München und in Nordrhein-Westfalen dürfte der Marktanteil jedoch deutlich höher liegen. „Aufgrund der Schwerpunkte der Tengelmann-Filialen in einigen großen Ballungsräumen mit großer Kaufkraft sorgt die Übernahme durch Edeka doch dafür, dass die Handelslandschaft regional umgekrempelt wird“, sagt Fred Hogen, Handelsexperte beim Marktforschungsunternehmen Nielsen.



Bereits jetzt ist Edeka die unangefochtene Nummer 1 im ohnehin konzentrierten deutschen Lebensmittelhandel. Lieferanten kritisierten im Gespräch mit der WirtschaftsWoche die Art des Unternehmens, Geschäfte zu machen. Auch Bauern und Hersteller hatten sich gegen eine Fusion ausgesprochen – aus Sorge, der Händlerverbund werde mit seinem Einfluss die Preise diktieren.

Konkurrenten wie Rewe hatten sich ohnehin gegen die Fusion ausgesprochen - und will auch jetzt noch dagegen vorgehen. Gabriel habe "eine schlechte Entscheidung für die Beschäftigten bei Kaiser’s Tengelmann und zugleich für alle Verbraucher, für die kleinen und mittelständischen Lieferanten, für die Landwirtschaft und für den fairen und gesunden Wettbewerb im gesamten deutschen Lebensmitteleinzelhandel" getroffen, so Rewe-Chef Alain Caparros. Er will Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf gegen die Ministererlaubnis einreichen. Der Beschluss Gabriels sei schlecht für die Beschäftigten von Kaiser's Tengelmann, die Verbraucher, die Lieferanten und den Wettbewerb im gesamten Lebensmittelhandel, kritisierte der Rewe-Chef. Caparros warf Gabriel vor, die Bedenken des Bundeskartellamtes und der Monopolkommission gegen den Zusammenschluss einfach beiseite gewischt zu haben. Die vorhandenen Alternativen zum Zusammenschluss habe er völlig unberücksichtigt gelassen.

Die Ministererlaubnis ist nicht nur umstritten, sondern auch selten: In der Geschichte der Bundesrepublik waren zuvor lediglich acht bewilligt worden. Minister Gabriel ist aber überzeugt, dass im Fall Tengelmann-Edeka die gesamtwirtschaftlichen Vorteile der Fusion deutlich schwerer wiegen als rein wettbewerbsrechtliche Kritikpunkte. Er habe "dabei einen Ansatz gewählt, der Arbeitnehmervertretern und Gewerkschaften eine starke Position einräumt", teilte Gabriel mit

Genehmigt ist die Fusion nur unter Auflagen. In deren Zentrum steht vor allem der Erhalt von Arbeitsplätzen. (Nebenbestimmungen der Ministererlaubnis im Überblick).

Edeka muss mit den Arbeitnehmern Tarifverträge schließen, die mindestens fünf Jahre betriebsbedingte Kündigungen ausschließen. Verstößt das Unternehmen gegen die Auflagen, gilt die Ministererlaubnis als nicht erteilt. Edeka strebt nun eine rasche Einigung mit den Gewerkschaften an. Die ersten Gespräche dazu würden nun kurzfristig geplant, teilte der Handelsriese am Donnerstag mit.

Mit dem Segen des Wirtschaftsministers kann nun die Eingliederung der Tengelmann-Filialen in das Edeka-Reich beginnen. Dadurch dürfte sich für die Kunden einiges ändern.

Das ändert sich für Tengelmann-Kunden

Der Name

Das sichtbarste Zeichen, dass Kaiser's Tengelmann einen neuen Eigentümer hat, wird in den kommenden Monaten der Namenswechsel sein. Statt des traditionsreichen Schriftszugs mit Kaffeekanne und T-Logo dürfte dann der Name Edeka an den rund 450  Filialen prangen. Schließlich hatte Karl-Erivan Haub, Inhaber des Tengelmann-Konzerns, bereits im Antrag auf Ministererlaubnis formuliert dass Kaiser’s Tengelmann „definitiv aus dem Markt ausscheidet“.

Das dürfte auch für die Marke gelten, zumal das Image der Tengelmann-Filialen mangels Investitionen und Renovierungen in den vergangenen Jahren arg gelitten hat.

Ähnlich hat Edeka bereits bei der Übernahme des früheren Tengelmann-Discounters Plus und der Zusammenlegung mit dem eigenen Billigableger Netto agiert. Der Name Plus wurde zugunsten von Netto gestrichen.

Die Produkte

Kunden von Kaiser's Tengelmann werden sich aber nicht nur an einen neuen Supermarktnamen gewöhnen müssen, auch die Eigenmarken dürfte sich über kurz oder lang den Edeka-Standards angleichen. Wieder gilt der Plus-Deal als Prototyp: Das Gros der Plus-Eigenmarken verschwand aus den Regalen zugunsten der Netto-Varianten.

Im Fall von Kaiser's Tengelmann bedeutet das, dass Edeka-Labels wie "Gut & Günstig", "EDEKA" oder "Elkos" bald in den Regalen auftauchen werden.

Die Warenbeschaffung

Bei den Markenprodukten zeichnen sich auf Dauer Verschiebungen ab. Eines der Hauptprobleme von Kaiser's Tengelmann war bisher der Einkauf. Nach Angaben von Tengelmann-Chef Haub litt die Handelskette gegenüber Branchengrößen wie Aldi, Lidl, Rewe und Edeka unter gravierenden Kostennachteilen bei der Beschaffung von Ware. Durch den Zusammenschluss mit Edeka ändert sich das nun. Das bedeutet allerdings auch, dass die bisherigen Lieferbeziehungen nicht unbedingt fortgesetzt werden. Wie groß die Überschneidungen sind, welche Produkte ausgetauscht werden und welche Lieferanten dafür neu zum Zuge kommen, ist bisher allerdings unklar.

Modernere Filialen

Das Filialnetz von Kaiser's Tengelmann ist bunt gemixt. Verwinkelte Einkaufsbunker mit kleiner Fläche gehören ebenso zum Standortnetz wie moderne Filialen, die den Begriff "Supermarkt" durchaus verdienen.

Klar ist aber auch, dass sich in den vergangen Jahren ein erheblicher Modernisierungsbedarf angestaut hat. Die ungewisse Zukunft der Kette hat die Eigentümerfamilie Haub kaum dazu bewogen, weiter Geld zu investieren, um die Läden auf Vordermann zu bringen. Vor allem viele der Märkte in Nordrhein-Westfalen gelten in der Branche als veraltet.

Weil die zentrale Klausel der Ministererlaubnis besagt, dass Edeka in den nächsten Jahren keine Kaiser's-Tengelmann-Filialen schließen darf, kommt der Hamburger Handelskonzern an Investitionen nicht vorbei. Zwar ist kaum zu erwarten, dass Tengelmanns Einkaufsbrachen nun sofort in neuem Glanz erstrahlen. Aber auf Dauer dürften sich die Läden wandeln.

Zukunft von Edeka und Tengelmann

Trotz der Auflagen und der zu erwartenden Investitionen, kann Edeka-Boss Mosa mit dem Deal zufrieden sein. Edeka erfährt durch die Fusion einen ordentlichen Wachstumsschub. Anders wäre das im gesättigten deutschen Markt kaum möglich. Immerhin kommt Edeka mit dem konzerneigenen Billigheimer Netto Markendiscount schon auf knapp 12.000 Märkte in Deutschland.

Tengelmann-Patron Haub wird ohnehin glücklich sein, einen Mühlstein los zu werden, der seine Gruppe seit Jahren nach unten zog. Die Tengelmann-Gruppe macht mit der Supermarktkette nach eigenen Angaben seit 15 Jahren Verluste. Mehr als 500 Millionen Euro Miese haben sich seitdem angehäuft.

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