Heidi Kneller-Gronen ist Juristin und Gründerin der Kölner Anwaltskanzlei IP Kneller. Als Rechtsanwältin hat sie sich auf den Schutz des geistigen Eigentums spezialisiert, insbesondere auf Wettbewerbsrecht, Markenrecht und Urheberrecht.
WirtschaftsWoche: Frau Kneller-Gronen, zwischen Eckes-Granini und Edeka tobt ein Rechtsstreit um das Design von Fruchtsaftflaschen. Sie als Markenrechtlerin haben den Konflikt sicher aufmerksam verfolgt, oder?
Heidi Kneller-Gronen: Ja, so etwas macht einem Markenjuristen natürlich Spaß – auch als außenstehender Beobachter. Das ist insgesamt betrachtet ja schon ein sehr kurioser Fall: Offenbar hat Edeka versucht, im Rahmen der ganzen Auseinandersetzungen mit Granini die Saftflaschen von Granini einfach ein bisschen nachzumachen. Das ist schon ein kleiner Wirtschaftskrimi.
Eckes-Granini hat den Verkauf der fraglichen Edeka-Saftflaschen gerichtlich verbieten lassen. Edekas Widerspruch blieb vor Gericht erfolglos. Ist der Zwist damit jetzt erledigt?
Wahrscheinlich wird Edeka jetzt in die nächste Instanz ziehen. Gerade hat die Supermarktkette ja eine Umfrage unter seinen Kunden durchgeführt, bei der diese die beiden fraglichen Flaschendesigns unterscheiden sollten. Das könnte bereits ein erster cleverer Schachzug für das nächste Verfahren sein: Normalerweise versuchen Konzerne Nachahmungsvorwürfe vor Gericht zu entkräften, indem sie teure Gutachter beauftragen, die zeigen sollen, dass sich die beiden Produkte doch gar nicht so ähnlich sind. In diesem Fall aber hat Edeka bereits ein kostenloses Privatgutachten durch seine Kunden erstellen lassen.
(Lesen Sie hier unseren ausführlichen Bericht zur kuriosen Saftflaschen-Schlacht zwischen Edeka und Eckes-Granini)

Hätte Edeka aus Ihrer Sicht gute Karten, um in der nächsten Instanz doch noch Recht zu bekommen?
Auch dort werden wieder Richter mit einem neuen Blickwinkel sitzen. Die werden sich fragen: Was genau ist jetzt eine typische Granini-Flasche? Granini hat sich zwar einige Flaschenformen designtechnisch schützen lassen. Allerdings ist die Beurteilung in diesen Designfragen letztlich eben auch immer subjektiv.
Was genau ist designrechtlich denn noch erlaubt und was ist verboten? Gibt es so etwas wie eine Faustregel, ab wann ein Produkt einem anderen zu sehr ähnelt?
Eine allgemeingültige Regel gibt es da nicht. Als kleinen ersten Schritt rate ich meinen Mandanten, als Vorabprüfung ihr Produkt einmal ihrer Großmutter vorzulegen. Wenn die schon sagt, es ist ähnlich, dann ist es vermutlich ähnlich. Das ist natürlich nicht ganz so ernst gemeint, hat aber einen wahren Kern: Oft sagt das erste Bauchgefühl schon recht gut, ob die Gefahr einer Designähnlichkeit besteht. Es ist letztlich auch ein subjektiver Eindruck, der entscheidend ist.
Deshalb: Wenn man als Laie schon selbst denkt, dass das eine Produkt dem anderen irgendwie ähneln könnte, dann würde ich als Händler ganz einfach die Finger davon lassen oder es von einem Anwalt prüfen lassen, der dann nach juristischen Kriterien bewertet – etwa nach dem bereits bekannten Formenschatz.
Sonst kann es vermutlich teuer werden?
Die Streitwerte sind bei Marken- und Designrechtsverstößen oft bei 50.000 bis 100.000 Euro. Natürlich gibt es auch Unternehmen, die solche Risiken bewusst eingehen, und die Gewinne, die das vermeintlich nachgemachte Produkt einbringt, höher bewerten als die Kosten eines möglichen Verfahrens. Aber gerade jüngere Unternehmen gehen oft etwas unbedarft an die Sache heran. Man bringt da eben schnell einen Kostenapparat ins Laufen, der nicht zu unterschätzen ist.
Einmal andersherum gedacht: Wie wichtig ist ein Designschutz für kleinere Unternehmer? Vermutlich kommt es häufiger vor, dass Großkonzerne sich von Start-ups inspirieren lassen als umgekehrt?
Ja, in der Tat. Oft kriege ich Anrufe von Start-ups und Kleinunternehmen, die sagen: ‚Jemand hat mein Produkt nachgemacht.‘ Dann lautet meine erste Frage natürlich: ‚Habt ihr einen Schutz? Habt ihr das eintragen lassen?‘ Und das ist viel zu häufig eben nicht der Fall. Dann wird es vor Gericht natürlich schwierig. Viele junge Unternehmer sind einfach zu stolz auf ihr Produkt. Und sie wollen erst einmal abwarten, ob es denn auf dem Markt auch wirklich funktioniert. Das ist zwar nachvollziehbar – aber dennoch sollte man die juristische Seite nicht vernachlässigen. Mein dringender Rat: Sobald man etwas auf den Markt bringt, das man ungern von der Konkurrenz nachgebaut sähe, muss man Designschutz eintragen. Je früher, desto besser.
Mehr zum Thema: Seit Monaten streiten Edeka und Eckes-Granini erbittert um Preiserhöhungen und Markenrechte. Nun hat der Fruchtsafthersteller vor Gericht einen Sieg errungen – womöglich aber ist es nur ein Etappensieg.