Edeka und Rewe Die Tengelmann-Bilanz der Handelsriesen

Ist es der Deal des Jahres oder einfach nur viel Lärm um nichts? Edeka und Rewe haben nun endlich die Verträge unterschrieben. Wie diese Übernahme von Kaiser’s Tengelmann den deutschen Lebensmittelhandel verändert.

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Durchbruch bei Kaiser's Tengelmann. Quelle: Montage

Es ist vollbracht. Die Supermarktrivalen Rewe und Edeka haben am Donnerstag die Verträge zur Aufteilung von Kaiser's Tengelmann unterschrieben. Rewe werde nun seine Klage gegen die Ministererlaubnis von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf zurückziehen, kündigte ein Rewe-Sprecher an. Damit ist der Weg für Gabriels Sondererlaubnis frei, die auf den Erhalt der über 15.000 Stellen bei Kaiser's Tengelmann abzielt. Zugleich endet einer der größten Konflikte der vergangenen Jahre im deutschen Handel.

Zwei Jahre und zwei Monate kabbelten sich Edeka-Chef Markus Mosa und Rewe-Anführer Alain Caparros um die rund 400 Läden des Unternehmens. Zwei Jahre, in denen zunächst im Wochenrhythmus - dann fast täglich - Schlagzeilen über Rettung oder Untergang des Unternehmens die Runde machten und nebenbei den Eindruck erweckten, das Schicksal von Kaiser's Tengelmann entscheide über Wohl und Wehe des gesamten deutschen Einzelhandels. Tatsächlich bringt es die Supermarktkette nur auf rund zwei Milliarden Euro Umsatz. Allein bei Edeka arbeiten mehr Azubis, als Kaiser's Tengelmann Beschäftigte zählt.

Keine Frage: Die Aufregung um Kaiser's Tengelmann stand in keinem Verhältnis zur wirtschaftlichen Bedeutung des Unternehmens. Dass die Supermarktfürsten sich dennoch mit Verve in die Schlacht stürzten und über Jahre ausfochten, lag an einer zeitweise gefährlichen Mixtur aus Emotionen und finanziellem Kalkül. 

So nutzte Rewe-Chef Caparros von Anfang an jede noch so kleine Chance, die ursprünglichen Pläne von Edeka und Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub zu durchkreuzen. Denn eigentlich sollte Rewe bei der Übernahme leer ausgehen, Edeka wollte Kaiser’s Tengelmann komplett übernehmen. Doch Rewe klagte sich erfolgreich an den Verhandlungstisch, sicherte sich letztlich einen Teil der Beute – und trieb nebenbei den Preis für den Erzrivalen Edeka nach oben. So wurden erst nach Rewes Intervention umfangreiche Arbeitsplatzgarantien für die Beschäftigten fixiert.

Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands

Tatsächlich dürfte es Jahre dauern, bis sich die Übernahme für Edeka auszahlt. Dass sich Konzernchef Mosa dennoch so vehement für den Deal einsetzte, ist der Struktur des Handelsriesen geschuldet. Zusammen mit dem konzerneigenen Billigheimer Netto Markendiscount kontrolliert die blau-gelbe Truppe ein Netz von rund 11.400 Märkten in Deutschland.

Zusätzliche Läden lassen sich kaum mehr eröffnen. Und im Ausland tritt Edeka, anders als Rewe, Aldi und Lidl nicht an. Vor diesem Hintergrund ist die Übernahme der Kaiser’s-Tengelmann-Standorte eine der letzten Möglichkeiten, auf einen Schlag das Filialnetz auszubauen.

In den drei bisherigen Tengelmann-Regionen Berlin, Nordrhein-Westfalen und Bayern kann der Händler denn auch Positionsgewinne verbuchen. So übernimmt Edeka in Bayern fast alle der188 Filialen und wird damit „nach aktuellem Informationsstand seine Marktführerschaft stärken und sich vor Lidl und Aldi positionieren", sagt Fred Hogen, Handelsexperte beim Marktforschungsunternehmen Nielsen. Auch in Nordrhein-Westfalen sollen fast alle Kaiser's Tengelmann Filialen von Edeka übernommen werden. „Vor allem in den Städten Köln und Düsseldorf kann Edeka seine Marktposition damit klar ausbauen", so Hogen.

Diffiziler ist die Lage in der Hauptstadt. Nach langem Ringen hatten sich Edeka und Rewe darauf verständigt, dass rund die Hälfte der 121 Berliner Kaiser’s-Tengelmann-Filialen an Rewe geht. Um welche Filialen es sich dabei handelt, zeigt die Übersicht oben.

„In Berlin werden die Verbraucher die Veränderungen bundesweit am ehesten spüren“, sagt auch Nielsen-Experte Hogen. Aktuell würden Edeka und Lidl in der Hauptstadt bei den Marktanteilen im Lebensmitteleinzelhandel gleichauf liegen. Rewe belegt hier nur auf Platz fünf. „Durch die Aufteilung der Geschäfte wird sich Edeka hier die Spitzenposition sichern, Rewe baut seine Position jedoch ebenfalls aus", so Hogen.

Amazon ante portas

Auch ein weiterer Aspekt des Deal ist bemerkenswert. Nicht nur die Filialen den Besitzer. Zum Gesamtpaket, das Edeka übernimmt, gehört auch der Lebensmittel-Lieferdienst Bringmeister. Noch während das Gezerre um die Übernahme lief, legte die Bringmeister-Logistik einen reibungslosen Umzug vor die Tore Berlins nach Schönefeld hin.

Das Ziel: Platz für den nächsten Wachstumsschub schaffen. Denn tatsächlich zählt das Liefergeschäft zu den wenigen Perlen im Kaiser’s-Tengelmann-Portfolio und konnte trotz des Übernahmehickhacks und aller Personalabgänge kräftig wachsen. In Zukunft könnte Bringmeister sogar zu einem zentralen Pfeiler in Edekas Digitalsstrategie werden, heißt es in der Branche. Denn anders als die Wettbewerber Rewe, Kaufland und Lidl verfügt der Marktführer bislang über keinen Onlineshop für Lebensmittel.

Das ist Kaiser's Tengelmann

Das Problem: Das Unternehmen mit 48,4 Milliarden Euro Umsatz ist in sieben Regionalgesellschaften aufgeteilt, in denen rund 4000 selbstständige Kaufleute das Sagen haben. Eine einheitliche Lieferstruktur fehlt. Das machte den Aufbau eines zentralen Onlineshops zum Geduldsspiel. Gleichzeitig stiegen für Edeka Monat für Monat jedoch die Risiken, einen zentralen Trend zu verpassen. Schließlich schickt sich der Internetgigant Amazon an, mit seinem Lieferdienst Amazon Fresh den deutschen Lebensmittelmarkt zu entern.

„Wenn Amazon einsteigt, müssen wir reagieren", sagte Edeka-Chef Mosa bereits im Frühjahr. Mit Bringmeister hat er nun auch die Möglichkeit dazu. Die Plattform könnte nun sukzessive in all deutschen Großstädten etabliert werden, erwarten Beteiligte.

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