Edeka und Tengelmann dürfen fusionieren Dieser Entscheid verändert den Lebensmittelhandel

Seite 2/2

Edekas neue Macht

Wie groß ist Edekas Marktmacht nach der Fusion wirklich?

Der deutsche Lebensmittelhandel ist insgesamt hochkonzentriert. Die vier großen Player der Zunft – Aldi, Lidl, Rewe und vor allem Edeka - beherrschen mehr als 85 Prozent des Marktes. Edeka allein kommt nach Schätzungen des Bundeskartellamts auf einen Marktanteil von 25 bis 30 Prozent. Kaiser's Tengelmann kommt gerade einmal auf 0,6 Prozent. Bundesweit mag der Zuwachs nach der Fusion zwar nicht so stark ins Gewicht fallen. Doch darauf kommt es in der Praxis nur zum Teil an.


Wer zum Wochenendeinkauf ausrückt, bevorzugt den Supermarkt um die Ecke. Und dort ist Kaiser’s Tengelmann in den drei Regionen München, Berlin und Nordrhein-Westfalen durchaus eine Größe - und bisher oft die einzige Alternative zu den Handelsriesen Edeka und Rewe. Durch die Übernahme wird sich Edeka nun in einzelnen Gebieten zum Alleinherrscher aufschwingen können.

Was löst die Fusion im Einzelhandel aus?

Obwohl Kaiser’s Tengelmann bundesweit nur einen kleinen Marktanteil hat, führt die Übernahme durch Edeka in einigen Gebieten zu einer Machtverschiebung. „Edeka ist derzeit in Berlin bereits Marktführer. Sollten alle Kaisers-Filialen dort übernommen werden, dann würde jeder fünfte Euro, den die Berliner im Lebensmitteleinzelhandel ausgeben, in einem Edeka-Geschäft umgesetzt werden“, so Fred Hogen, Handelsexperte beim Marktforschungsunternehmen Nielsen zu WirtschaftsWoche Online. Auch in der bayrischen Hauptstadt könnte Edeka deutlich an Einfluss gewinnen und hinter Aldi Süd zur zweitstärksten Kraft in München werden. Der Einfluss auf NRW dürfe insgesamt geringer ausfallen, sagt Nielsen-Experte Hogen. Aber: „Ein Effekt der Übernahme kann sich aber in den zwei bevölkerungsstärksten Städten Köln und Düsseldorf zeigen, wo Edeka seine Marktposition deutlich ausbauen kann.“





Und was bedeutet der Zusammenschluss für den Verbraucher?

Das ist umstritten. Der Vorsitzende der Monopolkommission Zimmer geht davon aus, dass durch den Zusammenschluss der Wettbewerb an einer ganzen Reihe von Standorten geschwächt wird. „Es fallen Alternativen weg. Damit dürften steigende Preise und eine verringerte Auswahl für die Kunden einhergehen“, meint er.
Andere Handelsexperten sehen das gelassener. So glaubt Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, dass der Zusammenschluss kaum Auswirkungen auf den Wettbewerb haben wird. Für die Lieferanten mache es überhaupt keinen Unterschied, denn Edeka sei heute schon übermächtig als Abnehmer. Und auch für die Verbraucher sei der Unterschied gering. „Man sollte das nicht überbewerten. Denn Tengelmann war kein Preisführer. Die Kette war gar nicht stark genug, die Wettbewerber zu Preissenkungen zu zwingen.“

Eine aktuelle Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) jedenfalls zeigt, dass sich der Zusammenschluss von Lebensmittelhändlern negativ auf die Produktvielfalt auswirken kann. Wo direkte Konkurrenten verschwinden, haben die Forscher anhand von Beispielen aus den Niederlanden festgestellt, sinkt die Markenvielfalt. Im Klartext: Es gibt weniger Auswahl bei der Wurst.

Was hat Sigmar Gabriel zu seinem Urteil bewegt?

Mosa und Haub hatten von Anfang an alle ordnungspolitischen Einwände gegen die Großübernahme mit dem Hinweis auf den drohenden Verlust von Tausenden Stellen im Fall einer Ablehnung gekontert. Alain Caparros, Chef des Wettbewerbers Rewe, nannte das zwar einen Erpressungsversuch. Für Gabriel hingegen scheint es einer der Hauptgründe gewesen zu sein, der Fusion zuzustimmen. Im Originalschreiben zur Ministererlaubnis, das WirtschaftsWoche Online vorliegt, heißt es: "Der Bundesminister für Wirtschaft und Energie beabsichtigt [...] zur Absicherung des Gemeinwohlgrundes „Erhalt der Arbeitsplätze und Sicherung der Beschäftigungsverhältnisse".




Warum wollten Edeka und Tengelmann den Deal überhaupt?

Das Geschacher um die Fusion dauerte über ein Jahr. Beide Parteien hatten sich früh aufeinander festgelegt - aus durchaus nachvollziehbaren Gründen. Die Tengelmann-Gruppe macht mit der Supermarktkette nach eigenen Angaben seit 15 Jahren Verluste - insgesamt 532 Millionen Euro seit dem Jahr 2000.

Edeka hingegen hat andere Probleme: Zusammen mit dem konzerneigenen Billigheimer Netto Markendiscount kommt der Händler mittlerweile auf  knapp 12.000 Märkte in Deutschland. Mehr geht kaum. Will das Unternehmen weiter wachsen, ohne sich selbst Konkurrenz zu machen, muss es Wettbewerber übernehmen.

Gab es denn keine Alternative?

Doch. Verschiedene andere europäische Händler darunter Rewe oder die Schweizer Migros-Gruppe hatten zumindest Interesse an einigen Filialen und Gebieten bekundet. Bis zuletzt klagten die Interessenten aber darüber, dass Tengelmann-Chef Haub kein Interesse an einem anderen Fusions-Partner zeigte.

Mit Material von dpa

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%