Ehemaliger Tengelmann-Chef Die düstere Geschichte von Karl-Erivan Haub

Quelle: imago images

Ein neues Buch befasst sich mit der Frage, ob der frühere Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub wirklich tot ist. Fast interessanter sind die Erkenntnisse über dubiose Berater aus dem Firmenumfeld.

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Am Morgen des 7. April 2018 verlässt der Chef des Handelsimperiums Tengelmann und damit Herrscher über Ketten wie Obi und Kik, sein 5-Sterne-Hotel im schweizerischen Zermatt. Er nimmt die erste Gondel auf den Berg. Eine Kamera am Skilift der Bergstation „Klein Matterhorn“ filmt ihn ein letztes Mal. Dann verliert sich die Spur von Karl-Erivan Haub. Die einen sind sicher, dass der Milliardär am 7. April 2018 bei einem Skiausflug in den Schweizer Alpen tödlich verunglückte. Andere sind es nicht, so wie die Journalistin Liv von Boetticher. Sie hat hierzu bereits eine Doku für RTL gedreht und jetzt ein Buch geschrieben mit dem Titel: „Die Akte Tengelmann und das mysteriöse Verschwinden des Milliardärs Karl-Erivan Haub“.

Und dieses Buch beginnt erfrischend ehrlich:

Anfang Januar 2021 habe sie von ihrer Chefin den Auftrag erhalten, sich mit Haub zu befassen und sei zunächst nicht sonderlich begeistert gewesen. „Weder von Karl-Erivan Haub noch vom Rest seiner Familie habe ich bis dato gehört“, schreibt von Boetticher. Aber den Auftrag abzulehnen, sei auch nicht infrage gekommen. Und so begann ihre Recherche zum möglichen Unfalltod von Karl-Erivan Haub, die sie nicht nur nach Zermatt, sondern auch nach Moskau führen sollte. Die Autorin gibt sich überzeugt, dabei mindestens gute Indizien dafür gesammelt zu haben, dass Haub nicht am 7. April 2018 tödlich verunglückt ist. Zu diesen Indizien zählen etwa Fotos aus einem biometrischen Überwachungssystem in Moskau, die einen lebendigen Karl-Erivan Haub nach seinem offiziellen Todestag zeigen sollen. Im Buch sind die Fotos nicht abgebildet. Es ist nicht möglich, Herkunft und Authentizität zu prüfen.

Aufschlussreich sind die Recherchen aber auch unabhängig von der Frage, ob Karl-Erivan Haub noch lebt. Denn sie geben Einblick in die Arbeit einiger zweifelhafter Berater, die sich offensichtlich im Firmenumfeld tummelten und – laut Autorin – Teil eines Katz-und-Maus-Spiels „im Erbschaftsstreit um Macht und Milliarden bei Tengelmann“ waren.

Um den wichtigsten Mann aus der Truppe geht es gleich zu Beginn. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes sei es ihr nicht möglich, „diese Person beim Namen zu nennen“, schreibt von Boetticher. Und das bedauere sie zutiefst, „denn bei dieser Person handelt es sich meiner Wahrnehmung nach um einen der skrupellosesten Akteure der ganzen Geschichte.“ Erstmals habe sie den Mann im Januar 2021 kontaktiert, weil sie davon ausgegangen sei, dass er einen sehr guten Draht zu Christian Haub habe, dem Bruder des verschwundenen Karl-Erivan Haub. Und dieser Mann scheint anfangs ein großes Interesse daran gehabt zu haben, von Boetticher bei ihrer Recherche zu unterstützen. Es gab offenbar Telefonate und Treffen. Mails und Unterlagen wurden ausgetauscht. Haubs Kontakte in Russland wurden thematisiert, genauso Geschehnisse rund um den Tag, an dem der Milliardär verschwand und auch innerfamiliäre Streitigkeiten. Der Mann kannte sich scheinbar aus.

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von Claudia Tödtmann

Viel wichtiger aber ist: Er brachte von Boetticher mit zwei Sicherheitsberatern zusammen, die sich bereits seit Monaten mit der Frage befassten, ob Haub noch leben könnte oder besser gesagt: Die Herren suchten offenbar bereits seit Monaten Indizien dafür, dass Haub noch lebt. Von Boetticher schreibt, die Berater seien seinerzeit davon ausgegangen, dass Karl-Erivan Haub in Russland untergetaucht sei. Die beiden Männer hätten angegeben, dass sie „über Kontakte vor Ort“ und gegen eine Bezahlung von Hunderttausend Euro sowohl ein Foto von Haub als auch Informationen dazu besorgen könnten, wo und unter welchem Namen er mittlerweile lebt.

Anfangs hätten sie sich noch gesträubt, mit der Journalistin zusammenzuarbeiten. Aber ihr Kontakt habe Druck gemacht. Von Boetticher vermutet, dass das Ziel war, „die internen Ermittlungsergebnisse durch unsere journalistische Recherche nicht nur unabhängig prüfen zu lassen, sondern vielmehr die Theorie zu unterfüttern, der ehemalige Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub könne sein Verschwinden absichtlich herbeigeführt haben.“ Und offenbar war es dem Berater auch wichtig, dass darüber breit berichtet wird.

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Ziemlich plötzlich – so klingt es jedenfalls im Buch – wollten die Unterstützer mit der Suche nach dem verschollenen Manager dann aber nichts mehr zu tun haben. Karl-Erivan Haub wurde für tot erklärt. Von stichhaltigen Indizien dafür, dass er noch leben könnte, war nun keine Rede mehr – was zeitlich im  Zusammenhang mit einer Einigung innerhalb der Familie Haub hinsichtlich des Tengelmann-Erbes stand.

Zufall?

Die Akte Tengelmann und das mysteriöse Verschwinden des Milliardärs Karl-Erivan Haub – ein Buch von Liv von Boetticher, erschienen im Finanzbuch Verlag

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