
Vier von fünf Deutschen finden es gut, dass sie in immer mehr Geschäften Geld für Plastiktüten bezahlen müssen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov, an der mehr als 1300 Personen teilnahmen. Nur 15 Prozent der Befragten sprachen sich dagegen aus.
Die große Mehrheit der Deutschen befürwortet also die Pläne des Handelsverbandes Deutschland (HDE), zukünftig die Herausgabe von kostenlosen Plastiktüten zu reduzieren. In einer freiwilligen Vereinbarung mit dem Bundesumweltministerium will er sich dazu verpflichten, dass bald 60 Prozent der Plastiktüten kostenpflichtig sind. Die Händler legen die Höhe des Preises dabei selbst fest.
Als Einführungstermin war der 1. April angesetzt – doch dieser wird sich wohl noch etwas verzögern, weil Ministerium und HDE erst noch Gespräche mit anderen Verbänden abschließen müssen. Sollten die Händler sich nicht einigen, will Bundesumweltministerin Barbara Hendricks eine Bezahlpflicht für Plastiktüten einführen.
H&M, Media Markt und Kik machen mit
In den Drogeriemärkten Rossmann und Dm müssen die Kunden seit Längerem für Plastiktüten zahlen. Bei Karstadt kostet die Plastiktüte seit diesem Monat je nach Größe zwischen fünf und 30 Cent. Und H&M und Media Markt verpflichten sich ab April, Geld dafür zu nehmen – der Preis ist aber noch nicht öffentlich.
Der Discounter Kik hat die Plastiktüten komplett aus seinen Filialen verbannt – und durch Mehrwegtaschen ersetzt. "Es ist zwar aufwendiger, eine wiederverwendbare Tasche herzustellen als ein Wegwerfprodukt. Eine Mehrwegtragetasche aus Kunststoff kann zum Beispiel schon nach einer dreifachen Nutzung ökologischer sein", sagt Tobias Quast von der Deutschen Umwelthilfe.
Der Kampf gegen die Plastiktüten
Plastiktüten sind für ihr Gewicht ganz schön stabil. Doch was Verbraucher freut, kann der Umwelt schaden. Hunderte Jahre kann es dauern, bis die praktischen Tragetüten sich in der Natur zersetzen. Kleinteile werden von Seetieren wie Fischen und Vögeln gefressen.
Nach Zahlen aus dem Jahr 2010 kommen jedes Jahr etwas weniger als 100 Milliarden Plastiktüten in Europa in Umlauf. Das entspricht 198 Tüten pro Jahr und Bürger, die meisten davon Einwegtüten. Deutschland steht laut Handelsverband Deutschland (HDE) gut da. Das sei auch dem durch den grünen Punkt bereits weit verbreiteten Recyclingsystem zu verdanken. In Deutschland liege der Verbrauch bei jährlich 76 Tüten pro Kopf, die EU-Kommission spricht mit Blick auf das Jahr 2010 von 64 Einwegtüten.
Genau. Nach derzeitigem Stand soll jeder EU-Bürger Ende 2019 nur noch 90 Einwegtüten verbrauchen pro Jahr, Ende 2025 nur noch 40 Tüten. Ganz dünne Tüten, die es etwa an der Gemüsetheke gibt, wären aber ebenso wie stabile Mehrfachtüten nicht betroffen. Genauso gut könnte es Abgabegebühren geben oder Steuern für den Einzelhandel. Die Regierungen hätten die Wahl - Hauptsache, die Tüte wäre nicht mehr kostenlos. Auch andere Maßnahmen mit ähnlicher Wirkung wären möglich.
„Das bedeutet für die Verbraucher und Verbraucherinnen und insbesondere den Einzelhandel eine Neuausrichtung zu bewussterem und ökologischerem Konsum“, meint Leif Miller, Bundesgeschäftsführer des Naturschutzbundes Deutschland (NABU). Die Umweltschutzorganisation European Environmental Bureau (EEB) ist zwar grundsätzlich ebenfalls erfreut. Allerdings hätte sich die Organisation auch ein Verbot spezieller neuartiger Tüten gewünscht. Diese geben aus Sicht von Kritikern vor, biologisch abbaubar zu sein, obwohl sie es nicht sind. Dies soll nun aber die EU-Kommission erst einmal untersuchen.
Der Branchenverband Plastics Europe argumentiert, man unterstütze zwar eine Gebühr für alle Taschen, egal aus welchem Material. Doch die Möglichkeit nationaler Verbote könne zu Handelshemmnissen in Europa führen. Das bemängelt übrigens auch die FDP-Europaabgeordnete Gesine Meißner.
Das scheinen auch schon die Kunden registriert zu haben: Laut dem Meinungsforschungsinstitut nehmen zwei von drei Befragten eine Stofftasche, einen Korb oder einen Rucksack mit zum Einkauf.
Doch bei einem spontanen Shopping-Trip greifen die meisten Konsumenten laut YouGov aber noch zur Plastiktüte – die sie dann anschließend zweckentfremden: Jeder Zweite gab an, die Plastiktasche als Mülltüte zu verwenden, jeder Dritte nutzt sie beim nächsten Einkauf erneut.
Andere Branchen bieten weiterhin kostenlose Plastiktüten an
Der Naturschutzbund (Nabu) ist der Meinung, dass die freiwillige Vereinbarung nicht weit genug reicht. "Viele Einzelhändler werden sicherlich auf kostenlose Papiertüten ausweichen", sagt Katharina Istel, Referentin für nachhaltigen Konsum beim Nabu. Kaum eine Tüte sei aus Altpapier, selbst die ungebleichten braunen Tüten.
Die Herstellung einer Papiertüte bedarf vieler Ressourcen wie Energie, Chemikalien sowie Zellstoff und ist deshalb nicht nur aufwendig, sondern auch teuer. Und dabei benutzen die meisten Konsumenten sie wahrscheinlich nur ein einziges Mal.





Hinzu komme, dass der Handelsverband Deutschland nur einen Teil der Händler abdeckt. Denn in Gastronomie-Betrieben, Kiosken und auf Wochenmärkten erhalten die Konsumenten weiterhin Plastiktüten gratis. In Supermärkten – wo die Kunden schon seit Längerem für Plastiktüten zahlen müssen – sei nicht unbedingt die Plastiktüte das Problem, sondern vielmehr die aufwendige Verpackung rund um Obst, Brot, Joghurt und Co.
Nabu fordert verbindlichen Preis
Den Preis für die Tragetaschen aus Plastik können die Händler beliebig festlegen. Istel fordert stattdessen einen verbindlichen Plastiktüten-Mindestpreis für alle Händler. Während die Deutsche Umwelthilfe (DUH) einen Plastiktütenpreis in Höhe von 22 Cent verlangt, geht der Naturschutzbund noch einen Schritt weiter, will sich aber nicht konkret festlegen. "50 Cent pro Tüte ist eine gute Orientierung", sagt Istel. Zehn Cent – die viele Händler für ihre Taschen verlangen – seien einfach zu wenig.
Hintergrund der Händler-Vereinbarung ist eine Vorgabe der EU, wonach der Pro-Kopf-Verbrauch von Plastiktüten bis 2020 auf 90 Taschen jährlich sinken soll. Der europaweite Durschnitt liegt bei 200 Tüten pro Kopf und Jahr – mit 76 Taschen erfüllt Deutschland schon heute die Zielvorgaben für 2020. Bis 2025 soll der Verbrauch EU-weit auf 40 Tüten pro Kopf und Jahr reduziert werden. Die Deutsche Umwelthilfe kritisiert, dass die Zielvorgaben für Deutschland zu niedrig sind.