Die Drogeriekette Schlecker wird restrukturiert. Eine geplante Zwischenfinanzierung sei gescheitert, deshalb werde nun ein Antrag auf Planinsolvenz vorbereitet. Das Unternehmen wolle den Antrag direkt mit einem Vorschlag für die Sanierung verbinden. Die Drogeriekette will den Antrag "absolut zeitnah am Wochenende oder am Montag" stellen. Falls die Gläubiger einverstanden seien, könne die alte Geschäftsführung im Amt bleiben. Der bestellte Insolvenzverwalter werde dann nur begleitend tätig.
Information Planinsolvenz
Die sogenannte Planinsolvenz, die die Drogeriekette Schlecker anstrebt, ist ein Spezialfall des Insolvenzverfahrens. Ziel ist der Insolvenzordnung (InsO) zufolge der Erhalt des Unternehmens. Damit unterscheidet sich die Planinsolvenz von der „normalen“ Pleite, bei der Unternehmen oft zerschlagen oder einfach nur noch abgewickelt werden und die Gläubiger das restliche Vermögen erhalten.
Bei der Planinsolvenz oder strukturierten Insolvenz bleibt - abweichend vom „normalen“ Insolvenzverfahren - die alte Geschäftsführung im Amt, der bestellte Insolvenzverwalter tritt nur beratend auf. Die Planinsolvenz wird in der Regel von einem Sanierer begleitet, der zusammen mit der Unternehmensführung vor der Antragstellung den Insolvenzplan ausarbeitet. Über den zusammen mit dem Insolvenzantrag beim Amtsgericht eingereichten Plan entscheiden dann die Gläubiger.
Wenn es eine Perspektive für den Fortbestand des Unternehmens gibt, soll es den Verfahrensbeteiligten durch diesen Plan ermöglicht werden, im Insolvenzverfahren ganz oder teilweise von der Insolvenzordnung abzuweichen. Der Plan soll vor allen Dingen ermöglichen, zumindest überlebensfähige Unternehmensteile zu erhalten, statt das Unternehmen zu zerschlagen.
Ziel des Verfahrens sei der Erhalt eines großen Teils des Filialnetzes und damit auch der Arbeitsplätze, hieß es in der Mitteilung. Der Geschäftsbetrieb werde unverändert weiterlaufen und auch die Zahlung der Mitarbeitergehälter sei im Rahmen des Insolvenzausfall-Geldes gesichert. „Familie und Management sind diesen schweren, aber notwendigen Schritt gegangen, um den eingeschlagenen Weg der Restrukturierung fortzusetzen und erfolgreich umzusetzen zu können“, teilte das Unternehmen mit. Die Kette befinde sich seit Mitte 2010 in einer umfassenden Restrukturierung und habe bereits eine Vielzahl von Maßnahmen auf den Weg gebracht.
Christoph Niering Vorsitzender des Verbands der Insolvenzverwalter (VID) hält eine Sanierung von Schlecker für schwierig. „Schlecker hat ein dramatisches Imageproblem, gleichzeitig gibt es starke Konkurrenten.“ Das Insolvenzverfahren verschaffe dem Unternehmen aber erst einmal Luft. Für drei Monate springe die Bundesagentur für Arbeit ein zahle den Beschäftigten ein Insolvenzausfallgeld.
Filialschließungen und Preissenkungen
Anfang der Woche hat Schlecker bekannt gegeben, innerhalb der nächsten Monate bundesweit 600 weitere Filialen schließen zu wollen, davon allein 64 im Stammland Baden-Württemberg.Schlecker musste im harten Wettbewerb auf dem Drogeriemarkt Federn lassen und kämpft seit längerem gegen Verluste an. Der Drogerieriese aus Ehingen bei Ulm hatte zuletzt noch rund 7000 Läden in Deutschland und etwa 3000 weitere in Österreich, Spanien, Frankreich, Italien, Tschechien, Polen und Portugal.
Vor allem die Karlsruher dm-Drogerien machten dem schwäbischen Familienkonzern schwer zu schaffen. Aber auch die niedersächsische Kette Rossmann ist ihm auf den Fersen. Beide Mitbewerber hatten ihre Umsätze zuletzt gesteigert - und haben aus Sicht von Branchenexperten ein erfolgreicheres Ladenkonzept und Sortiment. Immer wieder kursierende Berichte über Probleme mit Lieferanten und leere Regale dementierte Schlecker aber: „Es gab Verzögerungen während der Jahresgespräche mit den Lieferanten Ende 2011. Die Streitfälle haben wir aber beilegen können“, sagte Konzersprecher Patrick Hacker. Dennoch könne es sein, dass in einzelnen Märkten das eine oder andere Produkt fehle.
Bislang galt Schlecker im Vergleich zur Konkurrenz als teuer. Der für das operative Geschäft zuständige Manager Thorben Rusch sagte kürzlich der „Lebensmittelzeitung“, dass die Preise im Laufe des ersten Halbjahrs 2012 bei Teilen des Sortiments auf das Niveau der Konkurrenten gesenkt werden sollten - teilweise sogar noch darunter. Mit dieser Kampagne verfolge man das Ziel, „Kunden zurückzugewinnen und wieder an uns zu binden“, sagte Rusch.
Hinter der Konkurrenz
Im Geschäftsjahr 2010 war der europaweite Umsatz von Schlecker um rund 650 Millionen Euro auf 6,55 Milliarden Euro gesunken. Für 2011 rechnete das Unternehmen erneut mit sinkenden Erlösen. Zahlen zum Gewinn oder Verlust nennt Schlecker traditionell nicht. Die Mitarbeiterzahl lag Ende 2011 bei über 30 000 in Deutschland und weiteren rund 17 000 im Ausland.
Wie schlecht es um Schlecker tatsächlich stand, wollte zuletzt auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi wissen. Schlecker sei im Dezember mit der Bitte um Verhandlungen über einen Sanierungstarifvertrag an Verdi herangetreten, teilte die Gewerkschaft am Freitag mit. Nach dem Insolvenzantrag fordert Verdi vom Eigentümer „volles Engagement“. Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger sagte, gemeinsam mit den Betriebsräten und den Betroffenen werde die Gewerkschaft nun beraten, „welche konkreten Schritte kurzfristig eingeleitet werden müssen“.
Mitarbeiter erst spät informiert
Die Nachricht der Schlecker-Insolvenz erreichte auch die Mitarbeiter des Drogeriekonzerns erst am Freitag. Einem Schlecker-Sprecher zufolge gab es eine hausinterne Mitteilung; mit der schlechten Nachricht wurden jedoch viele über Internet und Radio überrascht. „Ich habe die Nachricht von der Insolvenz aus den Medien“, sagte die Verkäuferin einer Filiale in der Münchner Innenstadt am Freitag der Nachrichtenagentur AP. Selbst die Filialleitung habe bisher keine Informationen von der Geschäftsführung bekommen. Auch in Berlin wussten Mitarbeiter bis zur Veröffentlichung durch die Medien nichts von der Pleite. „Das habe ich nicht gewusst“, sagte eine Verkäuferin im Innenstadtbezirk Mitte. Sie habe nun Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, fügte sie hinzu.
dm und Rossmann übernehmen die Spitze
Die Drogeriebranche in Deutschland ist seit Jahren umkämpft. Die Karlsruher Kette dm ist auf dem besten Weg an die Drogeriemarkt-Spitze. Auch hier gibt es keine Zahlen zum Ergebnis, das ebenfalls in Familieneigentum befindliche Unternehmen gibt sich aber nach eigenen Angaben mit einem Prozent Rendite zufrieden - und steckt das Geld ansonsten in soziale Projekte. Erlöst hat dm im Geschäftsjahr 2010/11 rund 6,17 Milliarden Euro, das war ein Plus von 9,3 Prozent Plus im Vergleich zum Vorjahr. Von den 2.536 Filialen liegen 1256 in Deutschland. Ihre Grundfläche ist grundsätzlich größer als die der Konkurrenz, insbesondere die der Schlecker-Läden. Von den rund 39 100 Beschäftigten arbeiten 25 450 in Deutschland.
Rossmann ist die drittgrößte deutsche Drogeriekette hat 2011 erstmals in ihrer 40-jährigen Firmengeschichte die Fünf-Milliarden-Umsatzmarke geknackt. Das hat das Unternehmen vor zwei Wochen bekanntgegeben. Die Insolvenz von Schlecker kommt aus Sicht des Konkurrenten Rossmann nicht unerwartet. Dirk Roßmann, Gründer der Drogeriekette Rossmann in Burgwedel bei Hannover, sagte der Nachrichtenagentur dpa am Freitag: „Die Insolvenz ist eine Katastrophe für die Mitarbeiter und die Inhaberfamilie, die ich seit über 35 Jahren persönlich kenne.“ Der Umsatz lag bei 5,12 Milliarden Euro, ein Plus von 10,5 Prozent. Zum Ergebnis macht das Unternehmen aus Burgwedel in Niedersachsen keine Angaben. Für das Jahr 2012 wird ein Gesamtumsatz von 5,6 Milliarden Euro erwartet. Rossmann betreibt in sechs europäischen Ländern 2531 Märkte und beschäftigt rund 31 000 Mitarbeiter. In Deutschland will Rossmann in diesem Jahr 110 neue Verkaufsstellen eröffnen. Dabei sollen rund 1000 neue Arbeitsplätze entstehen. (Mit Material von ap, dpa, rtr)