Elektronikgeräte im Test Bauen Hersteller absichtlich Schrotthandys?

Viele Deutsche gönnen sich alle zwei Jahre ein neues Handy. Doch gefühlt halten Geräte auch nicht wesentlich länger. Absicht der Hersteller? Öko-Test hat Elektronikgeräte genauer untersucht.

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Eine Frau verzweifelt über ihr Smartphone. Quelle: Fotolia, Montage

Herr Waldschik, Öko-Test hat 88 Elektronikgeräte in Hinblick auf „geplante Obsoleszenz“ untersucht. Was ist Ihnen aufgefallen?
Wir haben die Anbieter gezielt nach ihrem Sortiment befragt und wollten wissen, in welche Geräte sie Akkus fest verbauen und in welchen Akkus austauschbar sind. Aufgefallen ist, dass offensichtlich in immer mehr Produkten fest verbaute Akkus stecken und die Anbieter mit für Verbraucher wichtigen Informationen nicht herausrücken.

Daniel Waldschik ist Redakteur des Verbraucherschutzmagazins Öko-Test. Quelle: Öko-Test

Welche Anbieter stachen heraus?
Besonders auffällig ist diese Art der Bauweise bei den aktuellen Produkten der meisten Smartphone-Anbieter, darunter Apple, die nach eigenen Angaben ausschließlich auf fest verbaute Akkus setzen. Ausnahmen waren unter anderem das LG G5 oder das Fairphone 2. Bei Tablets gibt es laut Angaben der von uns befragten Anbieter derzeit keine Modelle mit Wechselakkus auf dem Markt. Fest verbaute Akkus sind allerdings nicht nur bei Mobilgeräten ein Ärgernis für Verbraucher. Auch elektrische Zahnbürsten, Rasierer oder andere Elektrokleingeräte werden so konstruiert.

Und wo liegt das Problem?
Auch wenn die Industrie stets beteuert, geplante Obsoleszenz, also der bewusste Einbau von Sollbruchstellen, sei keine Strategie, so dürfte uns allen klar sein: Akkus haben eine begrenzte Haltbarkeit. Kann man die Verschleißteile nicht selbst tauschen oder reparieren, können an sich noch funktionsfähige Geräte nicht mehr genutzt werden. Sie landen auf dem Müll oder werden ungenutzt gehortet – und letztlich durch neue Geräte ersetzt. Dass die Lebensdauer seiner Geräte hauptsächlich durch den Akku bestimmt wird, hat zum Beispiel der Mobilgeräteanbieter Axdia zugegeben.

So hat Öko-Test getestet

Hier sehen Sie eine bewusst eingebaute Sollbruchstelle, sprich Murks?
Wir sind der Meinung, dass fest verbaute Akkus, also fest verbaute Verschleißteile, als geplanter Murks ein geeignetes Mittel sind, um Geräte immer kürzer nutzbar zu machen.

Sie haben die Hersteller direkt befragt. Wie äußerten die sich?
Viele geben an, dass die Bauweise mit fest integrierten Akkus nötig sei, um die Geräte schlanker zu designen, sie wasserdicht zu machen oder vor anderen äußeren Einflüssen zu schützen. Produktentwickler und Forscher auf dem Gebiet haben im Gespräch mit Ökotest deutlich gemacht, dass solche Konstruktionen auch mit wechselbaren Akkus möglich sind. Wir kritisieren allerdings nicht nur die Bauweise der Produkte.

Nutzungsdauer von Elektrogeräten

Sondern?
Auch die fehlende Transparenz der Produktinformationen, die Verbraucher bekommen sollten. Einige Anbieter haben sich zum Beispiel bei der Frage nach der geplanten Gebrauchsdauer auf die individuelle Nutzung ihrer Kunden zurückgezogen und mitgeteilt, genau aus diesem Grund keine Angaben machen zu können. Andere Anbieter wiederum gaben an, Verbraucher könnten sich bei der Gebrauchsdauer an der Garantie- oder Gewährleistungszeit orientieren. Wiederum andere teilten mit, die Gebrauchsdauer werde gar nicht geplant. Ist diesen Firmen gleichgültig, wie lange ihr Produkt hält? Nach der Zielsetzung, langlebige Produkte auf den Markt zu bringen, klingt das unserer Meinung nach nicht.

"Die Schuldfrage können wir nicht klären"

Gab es Ausnahmen?
Positiv zu nennen sind diejenigen, die uns die Angaben anhand eines angenommenen Nutzerprofils dargestellt haben, wie etwa die Firma Remington für ihre Rasierer. Auch für elektrische Zahnbürsten dürfte ein solches Profil leicht erstellbar sein: Zwei- bis dreimal Zähne putzen für jeweils zwei bis drei Minuten sind bekannte Empfehlungen zur täglichen Zahnreinigung. 

Wie Sie Elektronik recyclen können

Warum sollte ein Hersteller ein Smartphone für eine Lebensdauer von fünf Jahren konzipieren, wenn der Kunde ohnehin alle zwei Jahre ein neues will, weil auf dem alten die aktuellen Apps nicht mehr laufen?
Ob Kunden Smartphones wegen mangelnder Leistung neu kaufen, können wir nicht beurteilen. Dass eine längere Gebrauchsdauer grundsätzlich einen positiven Effekt auf die Ökobilanz der Geräte hat, dürfte allerdings unstrittig sein. Das haben selbst manche Anbieter im Test uns gegenüber bestätigt. Gerade bei langlebigen Produkten, etwa modular entwickelten Geräten, kann sich die teure Anschaffung über eine lange Nutzungsdauer hinweg rechnen. Sie müssen nur einzelne Teile ersetzen, etwa den Akku oder das Display und nicht das ganze Produkt, das – einmal technologisch überholt oder kaputt – komplett an Wert verliert.

Wer ist schuld? Produzieren die Hersteller Murks, weil die Konsumenten es nicht anders wollen und lieber günstig einkaufen als hochwertig oder müssen die Konsumenten ihn kaufen, weil die Hersteller es so wollen?
Die Schuldfrage können wir nicht klären. Was wir aber kritisieren, ist die Aussage von Anbietern oder einzelner Verbände, man bediene den Markt mit solchen Produkten, weil der Kunde diese haben wolle. Unserer Meinung wird dem Verbraucher hier zu viel Verantwortung zugewiesen. 

Kreative Ideen fürs alte Smartphone oder Tablet
Alte Handys und Smartphones lassen sich gut als Notfallgeräte im Auto einsetzen. Egal ob zu Dokumentationszwecken, beispielsweise um Fotos von Blechschäden zu machen, oder als immer griffbereites Notruftelefon. Wichtig ist, dass man regelmäßig den Akku überprüft, damit das Gerät im Ernstfall einsatzbereit ist. Quelle: dpa
Wer Kinder hat, der kann ihnen seine ausrangierten Geräte zur Verfügung stellen. Zum Spielen reichen die alten Handys meistens noch aus, ebenso wie für kurze Telefonate. Quelle: dpa
Ein Tipp für alle, die viel mit Zahlen hantieren: Die meisten Handys verfügen über einen integrierten Taschenrechner. Quelle: dpa
Für Seltenreisende: Ausgediente Smartphones lassen sich oft noch sehr gut als stationäre Navigationsgeräte nutzen. Bei den meisten Geräten ist grundlegendes Kartenmaterial verfügbar, sowohl kostenpflichtig als auch gratis, manche setzen allerdings eine vorhandene Datenverbindung voraus. Quelle: REUTERS
Ausgediente Tablets müssen nicht weggeworfen werden, wenn sie technisch noch in Ordnung sind. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Nutzung als digitaler Bilderrahmen? Quelle: AP
Viel unterwegs und keine Lust, Geld in einen WiFi-Hotspot zu investieren? Viele Mobilgeräte bieten die Möglichkeit, sie als einen eben solchen zu benutzen. Es empfiehlt sich bei dieser Nutzung, einen mobilen Datentarif zu haben, der nicht zu teuer ist. Quelle: dpa
Big Brother is watching you: Spezielle Smartphone-Apps ermöglichen es, iPhone und Co. zur Videoüberwachung zu nutzen. Eine sind sogar mit Bewegungs- und Geräuschmelder ausgestattet, um den Akku zu schonen. Ein gutes und solides Beispiel für solche Apps: AirBeam für iOS. Quelle: dpa

Nun haben Konsumenten eine gewisse Marktmacht.
Das ist unbestritten. Aber wer ist in der besseren Position? Man darf nicht vergessen, dass die Anbieter ihre Produkte mit massivem Werbeaufwand auf den Markt drücken und sie Kunden mit geschickten Slogans schmackhaft machen. Das Bedürfnis ist geweckt, die Kunden greifen zu, und währenddessen gleichen sich aufgrund der Marktsituation die Sortimente der Anbieter an, bis es keine oder nur noch wenige Alternativen gibt. Bei Smartphones konnten Sie diesen Prozess in den vergangenen Jahren sehr gut beobachten.

"Verbrauchern fehlen detaillierte Informationen"

Aber als Kunde habe ich ja die Auswahl. Gemessen an Ihren Kriterien schneidet etwa das Fairphone 2 gut ab, weil es einen austauschbaren Akku hat. Das kann ich doch kaufen, wenn ich mag.
Das Fairphone ist in dem Fall kein gutes Beispiel, weil der Anbieter sein Konzept auf Modularität ausgelegt hat. Außerdem schneidet es auch gut ab, weil der Anbieter transparente Angaben zum Produkt gemacht hat. Schauen Sie sich andere Firmen an. Denn selbst wenn es Anbieter gibt, die bei den von uns abgefragten Produktgruppen Alternativen mit wechselbaren Akkus bieten, dürfte klar sein: Wenn der Kunde eine Alternative nicht kennt oder sieht, kann er sie nicht nachfragen – und greift bei Neukäufen erneut zu Produkten mit fest verbauten Akkus. Der Anbieter bekommt das Signal: Die Kunden wollen das also – und baut auf diese Art weiter. Das soll Kundenwille sein? Ich bin sehr skeptisch, wer hier über die tatsächliche Marktmacht verfügt.

Aber welcher Hersteller sollte denn aus „geplanter Obsoleszenz“ ein System machen und damit Gefahr laufen, seine Marke zu beschädigen?
Ob ein System dahinter steckt, Produkte mit einer bewusst verkürzten Lebensdauer zu entwickeln, können wir nicht beurteilen. Das Argument, dass Kunden abwanderten, wenn sie von zu kurzlebigen Produkten enttäuscht seien, halten wir für vorgeschoben. Uns Verbrauchern fehlen detaillierte Informationen über die Produkte, weshalb eine Vergleichbarkeit untereinander gar nicht möglich ist. Was kostet eine Waschladung Schmutzwäsche in Maschine A im Vergleich zu Maschine B oder C? Wie teuer ist einmal durch die Wohnung saugen? Wie häufig kann ich Akku A im Vergleich zu Akku B aufladen und entladen, bis er an Originalkapazität verliert? Kunden müssten für ihre Entscheidung sämtliche Kosten pro Nutzung kennen. Das ist aber praktisch nie der Fall. Außerdem lässt sich Markentreue nicht nur am Produkt festmachen.

Was schlagen Sie vor?
Wir raten Kunden, die die Gebrauchsdauer eines Produkts nicht von der Lebenszeit eines Akkus abhängig wissen wollen, gezielt nach Alternativen zu suchen und zu fragen. Wenn Verbraucher verstärkt langlebige Produkte fordern, werden Anbieter früher oder später darauf reagieren müssen. Wir Kunden brauchen für eine fundierte Kaufentscheidung mehr Informationen, unter anderem die, die wir in unserem Ökotest abgefragt haben. Neben dem Anschaffungspreis sind das etwa Informationen zur geplanten Gebrauchsdauer bei durchschnittlicher Nutzung, die Angaben über die Akkuladezyklen bis zum Kapazitätsverlust, wie lange Ersatzteile verfügbar sind oder auch Kosten, die zum Zeitpunkt des Kaufs uns Kunden noch gar nicht bekannt sind. Hier fehlt es unserer Meinung nach an Markttransparenz, weshalb wir diese Aussagen konkret von den Anbietern eingefordert haben. Viele Anbieter wollten genau mit diesen Informationen nicht herausrücken. Daraus lässt sich eigentlich nur schließen, dass sie gar keine informierten Kunden haben wollen. Vielleicht genau deshalb, weil sie dann abwandern.

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