Der Chief Cyborg Officer trägt ein blau-grauen Sakko mit Einstecktuch und steht freundlich lächelnd in einem unscheinbaren Zelt auf dem Gelände der MediaMarkt-Saturn-Zentrale in Ingolstadt. Um ihn herum flirrt und piept es. Schließlich hat Europas größter Elektronikhändler zum "Digital Campus" geladen. Alle zwei Jahren werden Mitarbeitern bei der internen Veranstaltung neue Technologien und Produkte präsentiert. Diesmal gehörte Chief Cyborg Officer Jens-Peter Labus wohl zu den Hauptattraktionen des Events.
Warum die Metro sich aufspaltet
Die Geschäfte beim Düsseldorfer Handelsriesen liefen zuletzt nicht gerade berauschend. Die Konkurrenz ist groß und das Unternehmen schrumpft seit Jahren. Immer wieder wurden große Konzernteile verkauft – wie etwa die Warenhäuser Galeria Kaufhof oder das Auslandsgeschäft der Supermarktkette Real. Die Folge: Der Konzern verlor nicht nur den inoffiziellen Titel des größten deutschen Handelskonzerns, er musste auch seine Platz in der höchsten Börsenliga, dem DAX-30, räumen. Die Aufspaltung soll nun zu neuem Schwung verhelfen.
Mehr Wachstum und mehr Börsenwert. Mehr Wachstum, weil die getrennten Unternehmen sich besser auf ihre jeweilige Kundengruppe konzentrieren und dynamischer agieren können. Mittelfristig soll der bereinigte Umsatz bei beiden Gesellschaften um mindestens drei Prozent pro Jahr steigen. Im zurückliegenden Jahr schaffte die Metro als Ganzes weniger als ein Prozent. Mehr Börsenwert, weil Mischkonzerne wie die Metro an der Börse schlechter bewertet werden als klar fokussierte Unternehmen. Tatsächlich hat die Metro-Aktie seit Bekanntgabe der Aufspaltungspläne rund 25 Prozent an Wert gewonnen.
Viele Analysten halten die Teilung für sinnvoll. Laurence Hofmann vom Investmenthaus Oddo sieht mehr Spielraum für Zukäufe und Partnerschaften. Dies hat aus seiner Sicht vor allem Media-Saturn nötig, will die Tochter ihre Stellung als größter Elektronikhändler Europas gegen mächtige Internetriesen wie Amazon auf Dauer verteidigen. Der Lebensmittelteil wiederum dürfte sein Geschäft mit der Belieferung sowie Kooperationen mit Start-Up-Unternehmen für das Hotel- und Restaurantgewerbe ausbauen, erwartet Christian Bruns von der Investmentbank Equinet. Der Experte verspricht sich zudem schnellere Entscheidungen auf Managementebene und insgesamt mehr Transparenz.
Heute vereint die Metro unter ihrem Dach zwei Geschäftsbereiche, die eigentlich wenig gemeinsam haben: die Lebensmittelsparte mit den Metro-Großmärkten und den Real-Supermärkten auf der einen Seite, sowie die Elektroniksparte mit den Ketten Media Markt und Saturn auf der anderen. Nach der Trennung Mitte 2017 sollen diese Sparten als eigenständige Unternehmen getrennte Wege gehen. Dabei behält die Lebensmittelsparte den Traditionsnamen Metro. Die Elektroniksparte erhält den neuen Kunstnamen Ceconomy. Die Elektronikketten selbst werden aber weiter unter den altbewährten Namen Media Markt und Saturn firmieren. Beide Unternehmen werden weiterhin an der Börse notiert sein.
Erst einmal wenig. Denn der Verkauf wird in den Großmärkten ebenso wie bei Real, Media Markt oder Saturn unverändert weitergehen. Auf Dauer würden aber auch die Verbraucher profitieren, meint Koch, weil sich die spezialisierten Gesellschaften besser auf die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse einstellen könnten.
Wenig, außer vielleicht den hohen Kosten. Denn Gemeinsamkeiten zwischen den Geschäftsbereichen gibt es kaum. Konzernchef-Koch meint sogar, der Zusammenschluss der Metro-Großmärkte, der Real-Supermärkte und der Elektronikketten Media Markt und Saturn unter einem Dach habe zuletzt die Geschäfte eher behindert als gefördert. Die Aufspaltung ist allerdings nicht billig. Der Konzern beziffert die Kosten auf rund 100 Millionen Euro.
Ja. Die Leitung des Lebensmittelgeschäfts übernimmt Koch selbst, Aufsichtsratsvorsitzender soll der bisherige Metro-Chefkontrolleur Jürgen Steinemann werden. An der Spitze der Elektronikkette wird der Media-Saturn-Chef Pieter Haas stehen. Für den Aufsichtratsvorsitz ist der frühere Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, vorgesehen.
Im Gegenteil. Zurzeit ist das Aufspalten oder Abspalten bei deutschen Konzernen geradezu in Mode. Die Energieriesen Eon und RWE spalteten sich kürzlich jeweils in zwei Teile auf, um das wenig zukunftsfähige Geschäft mit konventionellen Kraftwerken vom lukrativeren Zukunftsgeschäft um Ökostrom, Vertrieb und Netzbetrieb zu trennen. Und der Pharma- und Pflanzenschutzkonzern Bayer brachte 2015 seine Kunststoffsparte als Covestro an die Börse, um sich stärker auf das lukrativere Geschäft mit der Gesundheit für Mensch, Tier und Pflanze zu konzentrieren.
Dabei lässt allenfalls ein kleiner Verband an seiner Hand erahnen, warum dem 56-jährige Manager, der eigentlich Geschäftsführer bei der IT-Tochter der Unternehmensgruppe ist, der seltsame Titel überhaupt verliehen wurde. Labus hatte sich zuvor im Rahmen einer Präsentation zum Thema Implantate auf der Bühne live ein Implantat unter die Haut setzen lassen. Der darin integrierte Chip zur Nahfeldkommunikation (RFID/NFC) soll es unter anderem ermöglichen, die Wohnungstür ohne separaten Schlüssel zu öffnen, per Berührung zu bezahlen oder Kontaktprofile an Smartphones zu übertragen. "Für MediaMarkt-Saturn liegt die Zukunft ganz klar in der Kombination aus analog und digital", sagte Unternehmenschef Pieter Haas der WirtschaftsWoche. "Jens-Peter Labus hat das sehr konsequent interpretiert – das freut uns natürlich."
"Get Your Imlant Here!", warb denn auch eigens ein Stand der Firma Digiwell im Campus-Zelt um weitere "Cyborg"-Kandidaten und hatte regen Zulauf. Neben Labus nutzten 30 Mitarbeiter des Konzerns die Gelegenheit und ließen sich vor Ort Chips implantieren. "In ein paar Jahren könnten solche Upgrades Alltag sein", ist Labus überzeugt.
Sollen Media-Markt-Kunden im Laden also künftig zum Tuning per Implantat antreten, statt Fernseher und Computer zu kaufen?
Martin Wild, der für die digitale Strategie des Konzerns verantwortlich ist, winkt ab. Beim Digital Campus gehe es vor allem darum zu zeigen, was technisch machbar ist und welche Trends künftig womöglich an Fahrt aufnehmen. Die meisten Innovationen, die an den mehr als 30 Ständen im Zelt gezeigt wurden, dürften denn auch weitaus weniger umstritten sein als Chip-Implantate.
Besonders beliebt sind derzeit wohl Roboter. Zumindest zogen vier kleinere Roboter mit ihren Tanzeinlagen reichlich Aufmerksamkeit auf sich. Auch Paul, ein Verkaufsroboter, der sonst im Ingolstädter Saturn-Markt die Kunden begrüßt und mit ihnen auf dem Weg zu den gesuchten Produkten übers Wetter plaudert, rollte durch die Gänge. Die Maschine hat sich für den Markt in Ingolstadt bereits als Kundenmagnet erwiesen. Ähnliche Geräte sollen daher künftig auch an anderen Standorten eingesetzt werden.
Ergänzt wird Paul dabei in Zukunft wohl von Paula, einem sogenannten Augmented-Reality-System. Wer eine spezielle Brille aufsetzt, bekommt dreidimensionale Bilder und Informationen in das normale Blickfeld projiziert. So erscheint die virtuelle Figur Paula und lotst den Nutzer zum neuen Samsung Handy, um hernach das Gerät anzupreisen. Ohnehin gehören Datenbrillen zu den Hoffnungsträgern der Branche. Einzelne Virtual-Reality-Systeme bieten indes weitaus mehr als den klassischen 3-D-Effekt. Auf dem Digital Campus wurden etwa Kinosessel mit Geruchsdüsen gezeigt, die das virtuelle Erleben noch realistischer gestalten sollen. Auch Bewegungen können simuliert werden.
Nebenan hoben Drohnen ab und Amazons und Googles neue Sprachassistenten ließen sich von den Mitarbeitern des Elektronikhändlers ausfragen. Und natürlich wurden auch digitale Preisschilder gezeigt, wie sie bereits in den Märkten zu finden sind. Künftig sollen sie auch mit Apps auf den Smartphones der Kunden kommunizieren und so als Navigator durch die Regalreihen dienen. In Holland und Belgien wird die Technik bereits erprobt.
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