Erfinder Elmar Mock "Was die Swatch geworden ist, war nicht mein Traum"

Elmar Mock gilt als Erfinder der Swatch und ist nun für sein Lebenswerk beim Europäischen Erfinderpreis nominiert. Im Interview spricht Mock über die Möglichkeiten der Smartwatches und seine Sucht nach Innovation.

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Die beliebtesten Uhren 2016
Auf Platz 10 der umsatzstärksten Uhren landete bei Chronext eine Rolex. Das ist kaum eine Überraschung, denn die Schweizer Marke aus Genf, dominiert den Markt der mechanischen Uhren. Zwar mögen Unternehmen wie Patek Philippe, die in Sichtweite von Rolex ihre Manufaktur haben, teurere und kompliziertere Uhren produzieren, an der schieren Zahl der Uhren, die Rolex jährlich herstellt kann sich jedoch kein Luxusuhrenhersteller messen. Modelle, die seit Jahrzehnten existieren werden gepflegt. So wie die Explorer II, deren Grundform mit den markanten runden Indizes und dem weißen Zifferblatt schon 1971 entstand. Aus der Entfernung unverwechselbar als Rolex zu erkennen - auch das eines Erfolgsrezepte der Schweizer. (Alle Fotos von Marco Woyczikowski) Quelle: PR
Die Oyster Submariner in Schwarz ist so etwas wie die Brot- und Butteruhr der hochwertigen mechanischen Uhren. Heerscharen von jungen aufstrebenden Beratern investieren ihr erstes Geld in eine Submariner. Damit tätigen sie auch eine Wertanlage, denn die Preise für dieses beliebte Modell bleiben auch im Sekundärmarkt stabil. 1953 als Taucheruhr vorgestellt, hat sie in den nun mehr als 60 Jahren ihres Daseins kaum an Anziehungskraft verloren. Was der Submariner ebenfalls gelang - der Sprung ans Handgelenk von Frauen. Das durchaus große Modell mit Stahlarmband bringt einiges an Gewicht mit sich, was in den vergangenen Jahren dennoch zahlreiche Frauen nicht davon abgehalten hat, diese Uhr zu tragen. Quelle: PR
1963, in den Zeiten vor ferngesteuerten Aggregaten, Traktionskontrolle und anderen technischen Hilfsmitteln in Rennwagen, brachte Rolex die Daytona auf den Markt, speziell für Rennfahrer. Das Modell mit den drei kleinen Kreisen und der sogenannten Tachymeter-Skala gehört zu den aufwändigeren Uhren aus dem Rolex Programm. Der Chronograph stoppt die Zeit, das gilt im mechanischen Uhrenbau als Komplikation. Mit diesen beiden Informationen soll der Rennfahrer Durchschnittsgeschwindigkeiten pro Stunde errechnen könne. Auch wenn das vermutlich kaum einer seiner Besitzer tut - das Modell gehört weiterhin zu den beliebtesten Uhren bei Chronext. Quelle: PR
Neben Seglern, Tauchern und Rennfahrern, sind es vor allem die Piloten, auf die es die Uhrenunternehmen abgesehen haben. In den frühen Tagen der Fliegerei war die Armbanduhr wichtiges Instrument. Große Ziffern, großes Zifferblatt, gut abzulesen - das zeichnet sämtliche Vertreter dieses Genres aus, denen allen die Optik eines Fliegerinstruments gemein ist. Die Schaffhausener Marke IWC, die neben Lange & Söhne und Jaeger-LeCoultre zum Luxuskonzern Richemont gehört, pflegt ihr maskulines Image gerne mit Fliegeruhren, wie diesem Chronograph. Quelle: PR
Spätestens mit Platz 6 der umsatzstärksten Uhren des E-Commerce-Unternehmens Chronext ahnt der Betrachter, dass vor allem maskuline Stahlmodelle mit klarer Optik und massivem Auftritt beliebt sind. Same same but different - denn die Seamaster Planet Ocean nutzt die Lünette nicht für ein Tachymeter sondern einer klassischen 60 Minuten-Anzeige. Die lässt sich drehen und der Taucher - für den die Uhr gedacht ist - weiß, wie lange er schon unter Wasser ist. Die Planet Ocean ist darüber hinaus ein sogenannter Chronometer, eine Uhr, die besonders exakt geht und dies in einer Prüfung nachweisen muss. Wer mag, kann diesen Chronometer mit auf einen Tauchgang von 600 Metern nehmen, ohne dass die Garantie erlischt. Zur Erinnerung: Sporttaucher stoppen meist bei 40 Meter, Apnoetaucher gehen bis zu rund 200 Meter tief und bei 600 sind es schon nur noch wenige Fische, mit denen man die Freude über die Haltbarkeit der Uhr teilen könnte. Quelle: PR
Kaum eine Innovation der Uhrenbranche bereitet solches Kopfzerbrechen wie die Smartwatch, sei sie von Apple, Samsung oder anderen Anbietern. TAG Heuer hat mit der "Connected" einen Versuch gestartet, die Fans hochwertiger Uhren und moderner Kommunikationstechnologie mit einem ähnlichen Modell zu bedienen. Denn die Schnittmenge beider Gruppen ist größer als den Herstellern der mechanischen Uhren lieb sein kann. Quelle: PR
Allen Smartwatches mit ihren funkelnden Displays geht eine Faszination ab, die in der Welt der analogen Zifferblättern schon immer die Nutzer begeistert hat: Fluoreszierende Ziffern oder Indizes. Die Omega Seamaster mit ihren großflächigen Indizes weckt den Spieltrieb seines Nutzers, die Uhr unter Licht zu halten und sie anschließend in der hohlen Hand, unter der Bettdecke oder der Schreibtischplatte glühen zu sehen. Heute sind die Uhren auch sicher - in der Frühzeit der Verwendung von selbstleuchtenden Materialen strahlten diese leicht radioaktiv. Quelle: PR

WirtschaftsWoche: Herr Mock, die Swatch hat die Schweizer Uhrenindustrie radikal verändert und war die Antwort auf die Quarzkrise. Nun sieht sich die Uhrenindustrie einer neuen Herausforderung gegenüber, der Smartwatch. Wiederholt sich Geschichte?
Elmar Mock: Das müssen sie gesellschaftlich betrachten und ein wenig zurückblicken. Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert der Koordination. Man hat Kriege koordiniert geführt. Man hat Krieg wie Musik geschrieben. Man musste zu einer definierten Uhrzeit attackieren, man musste um diese Zeit bombardieren. Die ganze Organisation der Menschen hat einen Rhythmus gehabt, der die Zeit war, und ein Programm, das eine Planung war.

In Charlie Chaplins „Modern Times“ ist sehr schön zu sehen: Die Wichtigkeit der Zeiteinstellung. Wenn sie die Uhrenindustrie von ganz weit betrachten, dann war die Uhr ein religiöses Objekt. Es ging um Beten zum richtigen Moment. Die Genauigkeit ist erst in den Kriegszeiten gekommen, als die Engländer zur Positionsbestimmung des Schiffs auf dem Meer die Präzision benötigten. Im 20. Jahrhundert sind es die Amerikaner gewesen, die die moderne Zeit gebracht haben. Sie postulierten, dass jeder die Zeit wissen müsse, damit er pünktlich zur Arbeit komme, sein Programm abzuarbeiten. Sie hatten immer einen Kalender in der Tasche und eine Uhr. Sie mussten immer wissen, wann man jemanden trifft und wo man ihn trifft. 

Und heute nicht mehr? 
Nein. Das hat Nokia Ende des 20. Jahrhunderts eingeführt mit seinem Slogan „Connecting People“. Das meint: Die neue Gesellschaft sagt nicht mehr, wo man sich trifft, sondern nur noch ungefähr wo und nicht mehr wann genau, sondern irgendwann. Stellen Sie sich vor, man hätte sich früher so ungenau verabredet: Man hätte sich nie getroffen. Diese Möglichkeiten wird man nicht mehr hergeben. 

Der Europäische Erfinderpreis

Und was genau hat das mit der Uhr zu tun? 
Das Messgerät Uhr wird zu einem neuen Gerät werden. Es gibt für diese Funktionen am Körper des Menschen drei Orte, die Sinn ergeben. Die Brille, nah vor den Augen. Aber - die sind überstrapaziert. Ohren? Genial - das wird in Zukunft noch viel mehr genutzt. Und dann gibt es das Tasten. Blinde beherrschen das. Der Luxus, der in den kommenden Zeiten dominieren wird, ist der richtige Zeitpunkt für die Information am richtigen Ort, ohne dass es die Mitmenschen mitbekommen.

So wie Menschen mit den Füßen unter dem Tisch ein Signal geben können, ohne dass es die anderen merken. Dieses Objekt wird vermutlich an einem sehr empfindlichen Teil des Körpers angebracht. Und davon haben wir nicht so viele. Und die Hand gehört dazu. Sie ist selten gedeckt, sehr empfindlich. Man wird über dieses Gerät, das man heute Uhr nennt, mit Informationen versorgt. Ich sehe da fantastische Möglichkeiten. 

Die Schweizer Uhrenindustrie bislang nicht so sehr, oder? Marktführer sind bei diesen am Armband befindlichen Computern andere.  
Die Uhrenindustrie, wie sie heute existiert mit ihren mechanischen Werken, wo sie Messing in Gold umwandeln, die wird es weiter geben. Das ist schön und das wird zum kleinen Teil bleiben. Das ist Kunst. Wie eine Musiktruhe. Die traditionelle Industrie wird bleiben. Mein Ziel mit der Swatch war aber: Massenindustrie. Ich glaube, dass wenn sie die Massenindustrie verlieren, verlieren sie langfristig auch den Luxus.

Das sind die neuen Luxusuhren-Trends
Swiss Mad Watch Quelle: Thorsten Firlus für WirtschaftsWoche
Das zum Richemont-Konzern gehörende Unternehmen Baume & Mercier deckt in der Gruppe das Einstiegssegment der Luxusuhren ab. Diese Automatikuhr mit Stahlband soll die sportlich maskuline Kundschaft ansprechen. Der Preis liegt je nach Ausführung des Armbandes bei rund 2000 Euro. Quelle: PR
Der Namensgeber, Unternehmensgründer nach der Wende und Mit-Inhaber, Walter Lange, verstarb am 16. Januar. Die Entwicklung des Tourbograph pour le Mérite hat Lange, der bis zum Schluss im Unternehmen präsent war, noch verfolgen können. Der Tourbograph erhält seinen Namen aus zwei seiner Komplikationen, die verbaut wurden: Dem Tourbillon und dem Chronograph. Dazu kommt noch ein ewiger Kalender. 684 Teile sind im Uhrwerk verbaut. Der Preis für eines der 50 Modelle, die gefertigt werden: 480.000 Euro. Quelle: PR
Das Unternehmen MB&F möchte keine Uhren, sondern Skulpturen für den Arm entwerfen, die zudem die Zeit anzeigen. Für das Modell Aquapod haben sich die Gestalter an einem der unbeliebtesten und gleichzeitig faszinierendsten Tiere orientiert: Der Qualle. Das gewölbte Gehäuse soll im Profil einer aufsteigenden Qualle ähneln. Zugleich versprechen die Entwickler eine gute Ablesbarkeit. In Höhe des weißen Dreiecks auf der Unterseite der Halbkugel ist die Zeit abzulesen - in diesem Fall 8 Uhr und 35 Minuten. Der Preis für die Uhr: sechsstellig. Quelle: Thorsten Firlus für WirtschaftsWoche
Schwärzer als die Nacht - das ist nur eine der Besonderheiten der Luminor Panerai Lab-ID Luminor 1950 Carbotech. Das Zifferblatt ist ein extremes Tiefschwarz. Das Gehäuse besteht aus einer Carbonmischung, darin steckt auch der Clou: Die Carbonteile benötigen im Gegensatz zu herkömmlichen mechanischen Uhren keinen Schmierstoff mehr. Die Uhr ist damit wartungsfrei, da keine Fette enthalten sind. Panerai plant, für die Uhr eine Garantie von 50 Jahren auszuloben. Der Preis liegt bei 50.000 Euro. Quelle: PR
Drei Mitglieder einer neuen Familie. Die Schweizer Marke Jaeger LeCoultre bringt neben exorbitant teuren Preziosen dieses Jahr auch ein Friedensangebot in der Welt der Luxusuhren auf den Markt. Zwischen 6000 bis 10.000 Euro liegen diese Modelle, beginnend bei einer einfachen Dreizeiger-Uhr mit Datum über eine Weltzeituhr bis zu einem Chronographen. Nach Jahren des teurer, teurer, teurer, besinnen sich die Uhrenhersteller wieder derjenigen, die weder das Geld eines Kleinwagens, Wagenparks oder Villa in eine mechanische Luxusuhr investieren möchten. Quelle: Thorsten Firlus für WirtschaftsWoche
Von günstig oder Friedensangebot kann bei diesem Modell des Herstellers Richard Mille keine Rede sein. Die Uhr wurde in Kooperation mit dem Rennsportstall McLaren entwickelt und kostet mehr als eine Million Euro. Sie ist dafür extrem leicht dank des Graphen-Gehäuses, eines Werkstoffs, den Richard Mille in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern anfertigen konnte. Das Ergebnis ist der Superlativ "leichteste Uhr mit Tourbillon und Schleppzeiger-Chronograph". Der Schleppzeiger-Chronograph erlaubt die Messung von Zwischenzeiten, der Tourbillon stammt aus der Welt der Taschenuhren und soll größere Genauigkeit bringen. Dabei dreht sich die Unruh in einem Käfig einmal die Minute um die eigene Achse. Bei Taschenuhren, die meist die ganze Zeit in einer Lage aufrecht in der Tasche ruhten, glich das Tourbillon den Einfluss der Schwerkraft aus - in einer Armbanduhr soll es vor allem der Beweis großer uhrmacherischer Fähigkeiten sein, denn der Zusammenbau gilt als sehr kompliziert. Quelle: PR

Die Swatch hat nichts mit der modernen Industrie der Uhrenherstellung zu tun. Ich wollte industrielle Uhren machen. Menge, Massen. Uhren für Indien, für Afrika. Wir haben bewiesen, dass wir für fünf Franken gute Qualität aus der Schweiz liefern können. Was haben wir gemacht? Ein Luxusbilligprodukt. Wir haben eine Prolex gemacht. Wir haben einen Artikel der Mode geschaffen. Schön - aber wir haben das Ziel nicht erreicht. 

Sie ist doch eine Erfolgsgeschichte.  
Als ich die Swatch konzipiert habe, hat die Uhrenindustrie 200 Millionen Stück im Jahr gefertigt. Heute fertigt die gleiche Industrie 1,2 Milliarden Exemplare im Jahr. Und die Schweizer haben damals gut 70 Millionen gemacht, heute noch 30 Millionen. Wir sind zwar die teuersten Uhren, aber wir haben die Menge verloren. Und die Menge ist am Fuß der Pyramide, auf der die Spitze wächst.

Wenn ich mich damals darüber gefreut habe, zu beweisen, dass das möglich ist, heute muss ich gestehen: Wir haben das nicht erreicht. Das war nicht mein Traum. Die Erfinder halten ihr Versprechen nicht. Ich wollte ein Massenprodukt. Und es ist ein Luxusprodukt geworden. Es ist natürlich trotzdem super. Ich bin stolz darauf. Der Fehler ist, dass man nicht den anderen Weg des Labyrinth genommen hat. Die acht Milliarden, die mit der Swatch gewonnen wurden, sind in den Luxusbereich der Swatch Group gegangen. Ich sage nicht, dass das ein Fehler war. Es ist nur schade, dass man in dem Labyrinth nicht auch andere Wege erforscht hat. 

Welche Uhrenmarke gehört zu wem?

Sie sind für Ihr Lebenswerk für den Europäischen Erfinderpreis nominiert. Ihre wohl wichtigste Erfindung ist das Verfahren, das es erlaubte, die Swatch herzustellen. Ist das auch die beste? 
Zunächst einmal: Ein Erfinder ist nie allein. Er arbeitet immer im Team. Ich habe in meinem Leben das Glück gehabt, an etwa 180 Patentfamilien mitwirken zu können. Wenn Sie ein Projekt beginnen, ist es nicht das erste Ziel, ein Patent anzumelden. Sie suchen als erstes eine Lösung, um ein Produkt zu ermöglichen, das einen Sinn hat, das das Leben verbessert, oder die Freude an etwas, das wir tun zu steigern. Wenn sie eine gute Idee hatten, dann kommt vielleicht ein Patent heraus.

Ich habe viel gearbeitet für die Uhrenindustrie, für die Verpackungsindustrie, Lebensmittelindustrie oder Autoindustrie. Ich kann deswegen heute nicht sagen, auf was ich meisten stolz bin, weil es nie das Ziel war, ein Patent zu entwickeln. Es sind immer die jüngsten Projekte, die am meisten Spaß machen. 

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