Erfolgsgeschichte Das Weihnachtswunder der Lego-Steine

In der ganzen Branche brechen die Umsätze ein, nur bei Lego wächst weiter zweistelligen Bereich. Lego sieht sich selbst als „Apple“ der Spielzeugbranche. Dabei stand das Unternehmen vor acht Jahren noch kurz vor dem Aus.

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Die Nachfrage nach den berühmten Steinen steigt ungebremst: Kurz vor Weihnachten gerät Lego langsam in Lieferschwierigkeiten. Quelle: ap

Billund Vor Weihnachten kann es eng werden bei einigen Lego-Bausätzen vom Wunschzettel der Kinder: Die Klötze sind in Deutschland wie auch weltweit gefragt wie nie zuvor. Den Boom bei Europas größtem Spielwarenhersteller mit zweistelligen Zuwachsraten seit sieben Jahren haben auch Finanzkrise, sinkende Einkommen und Explosion der Arbeitslosigkeit in Südeuropa nicht gebremst. Für dieses Weihnachtsgeschäft rechnen die Dänen wieder mit einem Plus von mehr als 20 Prozent.

Gerade erst sei der Spielzeugmarkt im Euro-Krisenland Spanien um 25 Prozent eingebrochen, aber: „Lego ist um 17 Prozent gewachsen“, berichtet Europa-Chef Dirk Engehausen aus dem Flachdach-Hauptquartier auf dem flachen Land, 120 Kilometer nördlich der dänisch-deutschen Grenze. Gerade in der Krise würden Eltern „Qualität schenken und nicht ihre Kinder leiden lassen“ meint der Deutsche aus dem Lego-Vorstand.

Aber Eltern schenken weltweit eben auch wieder deutlich mehr Spielzeug zum Befühlen und Anfassen statt nur noch Computerspiele. Bis Mitte des letzten Jahrzehnts hatte der unaufhaltsam wirkende Vormarsch elektronischer Spielwaren Lego an den Rand des Ruins getrieben. Die Wiederauferstehung seitdem hat auch in Billund selbst überrascht, wie Engehausen unumwunden eingesteht: „2004 hätten wir bestimmt keine Verdreieinhalbfachung des Umsatzes erwartet, sondern gesagt, jedes Jahr 5 Prozent wären auch schon toll.“

Im Licht der weltweiten Stagnation bei Spielwaren in den vergangenen Jahren steht der Lego-Erfolg umso glänzender da. In Deutschland konnten die Dänen ihren Marktanteil nach eigenen Angaben von 9,2 Prozent (2004) auf jetzt 17 Prozent steigern. Auch hier hat die neue Mädchenserie „Friends“ derart eingeschlagen, dass die Spritzgussmaschinen in Billund sowie in neueren Fabriken in Tschechien und Ungarn nicht genügend Klötze für das Weihnachtsgeschäft ausspucken konnten.

„Es kann Engpässe geben, dabei haben wir schon mehr als das Doppelte an den Handel geliefert als geplant war“, sagt der Europachef mit Sitz in München. Er freut sich, dass Lego mit seinen diversen Serien wie Duplo, City, Technic und jetzt mit Friends für Mädchen „den Zeitgeist getroffen hat“. Die Freude wird nicht ganz geteilt von Kritikern vor allem in den USA, die Lego mit dem an die Barbie-Welt erinnernden „Friends“-Design die Anpassung an altertümliche Frauenklischees vorgeworfen haben.

Die Jungen unter Legos Abnehmern aber dominieren nach wie vor mit 90 Prozent klar und spielen besonders gerne mit Bausätzen aus der Filmserie „Krieg der Sterne“. Dass deren Schöpfer George Lucas sein Werk an den Disney-Konzern verkauft hat, freut die Dänen, weil nun bis 2018 drei neue Star-Wars-Filme angekündigt sind. „Eigentlich waren wir davon ausgegangen, dass es keine neuen Filme mehr geben wird,“ sagte Verkaufschef Mads Nipper der Kopenhagener Zeitung „Børsen“.


Von der Unternehmenskrise zum Branchenstar

Als Sinnbild und entscheidenden Auslöser für den hart erkämpften und mitunter trotz falscher Entscheidungen erreichten Erfolg gilt in Billund Konzernchef Jørgen Vig Knudstorp. 2004 vom Familieneigner Kjeld Kirk Kristiansen (64) in der tiefsten Krise als 35-Jähriger an die Spitze geholt, setzte der Vater von vier Kindern im Lego-Alter eine harte Kur in Gang - mit dem Verkauf der Legoland-Parks, einem deutlich verschärften Arbeitstempo und der Auslagerung der Klötzeproduktion an den nordamerikanischen Flextronics-Konzern.

Statt in Billund und der nicht minder teuren Schweiz sollte nur noch in billigeren osteuropäischen Ländern sowie für den US-Markt in Mexiko gefertigt werden. Das Outsourcing an Flextronics nahm Knudstorp nach zwei Jahren als klare Fehlentscheidung zurück. Der Stammsitz, wo ab 1932 der Tischler Ole Kirk Christiansen aus blanker Not Holzspielzeug unter dem Namen Lego („Leg godt“ = „Spiele gut“) fertigte, ist heute wieder Produktionszentrum mit 3500 der alles in allem 11.000 Lego-Beschäftigten. „Wir platzen aus allen Nähten, mehr ausweiten geht nicht mehr ohne eine ganz neue Fabrik“, heißt es in der Produktion, wo 750 Spritzgussmaschinen im Drei-Schichtbetrieb die letzten Klötze für das Weihnachtsgeschäft aus Granulat formen.

Für Besucher hermetisch geschlossen ist die Werkstatt der 140 Lego-Designer in Billund, wo Henrik Andersen (38) arbeitet. „Wir entwickeln heute innerhalb eines Jahres, was früher drei Jahre gedauert hat“, berichtet er über die kräftig gestiegenen Anforderungen. Aber andererseits bastelt er eben wie eh und je mit Hand an neuen Feuerwehrautos, Lastwagen und Containerschiffen herum, die zum Serienbausatz in einer Pappbox werden sollen.

Als entscheidende Wende durch Unternehmenschef Knudstorp gilt dessen Rückbesinnung auf die Bauklötze. An Selbstbewusstsein fehlt es dem heute 44-jährigen Lego-Chef mit freundlicher Ausstrahlung ebenso wenig wie an Härte. Bei der Vorstellung der Jahresbilanz für 2011 mit dem Rekordgewinn von 4,1 Milliarden Kronen (rund 551 Mio Euro) bei einem Umsatz von 18,7 Milliarden Kronen sagte er der Nachrichtenagentur Ritzau: „Lego ist einzigartig. In der eigenen Branche kann man unsere Position mit der von Apple in deren vergleichen.“

In etwa fünf Jahren will Lego die riesigen und noch weitgehend unbeackerten Märkte in Asien durch neue Fabriken vor Ort beliefern. Bei Gesprächen in Billund wird auf die Frage nach den größten potenziellen Gefahren für Lego oft „zu heftiges Wachstum“ genannt. Europachef Engehausen antwortet vor seinem Rückflug aus Billund nach München ohne Zögern auf die Frage, wie lange der ungewöhnliche Lego-Höhenflug wohl anhalten werde: „Ich schätze drei Jahre.“

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