Ernährung Wie die Pandemie unseren Speiseplan verändert

Ungesunde Tiefkühlkost Quelle: Getty Images

Die Pandemie stellt den Alltag vieler Menschen total auf den Kopf. Das verändert auch Speisepläne und Verzehrgewohnheiten. Chips, Riegel und Limo statt ein warmes Mittagessen in der Schule, regelmäßig Pizza, Pommes und Fischstäbchen aus der Tiefkühltruhe, weil neben Kinderbetreuung und Homeoffice wenig Zeit bleibt. Dabei sind Markenartikel gefragter denn je. Nur Bonbons lutscht kaum noch jemand.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Deutschland isst daheim. Kein Wunder also, dass nahezu alle der 316 unterschiedlichen Warengruppen in Supermärkten, Discountern und Drogerieketten, die von den GfK-Marktforschern in Nürnberg erhoben werden, im vergangen Pandemiejahr ein Umsatzplus verbuchen konnten.

Zu den Profiteuren von Lockdown, Homeoffice und Schulschließungen zählen dabei vor allem die Hersteller von Tiefkühlkost und Speiseeis. Unter dem Strich verzeichnete der Gesamtmarkt ein starkes, zweistelliges Umsatzwachstum. Dabei konnten beide Segmente gleichermaßen profitieren. Tiefkühlkost wuchs um 13,6 Prozent, Speiseeis um 13,4 Prozent. Während die Haushalte zu Beginn des ersten Lockdowns im März verstärkt Fischstäbchen, Pommes oder Pizza horteten, um sich daheim mit zusätzlichen Essens-Alternativen zu wappnen, nahm im weiteren Verlauf, vor allem in den Sommermonaten, die Nachfrage nach Eis deutlich zu.

Dabei folgte das Wachstum einem Trend, der sich nahezu durch alle Warengruppen zog: Der Verbraucher griff verstärkt zu bekannten Markenprodukten. Bei Tiefkühlkost etwa betrug das Umsatzplus von Markenartikelherstellern wie Oetker, Frosta oder Iglo mehr als 14 Prozent, während die Produkte der Händler lediglich um 12,5 Prozent zulegten. Besonders deutlich zeigte sich die Marken-Präferenz bei Speiseeis. Hier wuchsen Marken wie Langnese, Häagen-Dazs oder Schöller um knapp 17 Prozent, während Handelsmarken von Aldi, Lidl, Rewe oder Edeka lediglich auf ein Plus von neun Prozent kamen. Die Tiefkühl-Segmente mit dem stärksten Wachstum im Corona-Jahr waren laut GfK tiefgefrorenes Obst (plus 22 Prozent) sowie Gemüse und Fertiggerichte (plus 18 Prozent).

Tiefkühlkosthersteller reiben sich die Hände

So legte etwa die Marke Frosta mit einem Absatzplus von mehr als 23 Prozent stärker zu als der Tiefkühlkostmarkt. Die Zuwächse hätten Umsatzverluste wettgemacht, die durch die Schließung von Gastronomie und Kantinen und höhere Kosten für Hygienemaßnahmen und Logistik in der Pandemie entstanden seien, sagte Frosta-Finanzchef Maik Busse. Der Umsatz des Konzerns stieg 2020 um 5,4 Prozent auf 552 Millionen Euro. Mit der guten Entwicklung steht Frosta keineswegs alleine da. Auch Wettbewerber wie Iglo, Costa und Follow Food wuchsen kräftig. So steigerte Europas größte Tiefkühlkost-Lebensmittelgruppe, die britische Nomad Foods Limited, zu der Marken wie Iglo, Birdseye oder Findus gehören, den Umsatz im vergangenen Jahr um mehr als acht Prozent auf 2,5 Milliarden Euro.

Noch erfolgreicher, wenn auch nur knapp vor der Tiefkühlkost, schlugen sich Obst und Gemüse. Mit 16 Prozent konnten sie das stärkste Wachstum einer Hauptkategorie verbuchen. Frisches Gemüse hat laut GfK-Daten im Dezember mit fast 30 Prozent sogar das höchste Mengenwachstum des gesamten Jahres erzielen können.

Vergleichsweise schwach fallen dagegen die Wachstumsraten bei Molkereiprodukten aus. Das Corona-Jahr bescherte sowohl der Weißen- (Milchprodukte) als auch der Gelben-Linie (Käse) ein gut zehnprozentiges Umsatzplus. Bei den Milchprodukten profitierte die H-Milch vom Bevorratungseffekt. Der Umsatz mit H-Milch stieg im Jahresverlauf um mehr als 14 Prozent, während die frische Milch nur um 7,4 Prozent zulegen konnte.

Pandemie hin oder her: Pflanzliche Alternativen bleiben seit Jahren auf ihrem überproportionalen Wachstumskurs: Milchalternativen wie etwa Hafer-, Mandel- oder Sojadrinks schafften ein Umsatzplus von fast 50 Prozent.

Auch wenn der Dezember wegen erneuter Lockdown-Zeiten mit einem Umsatzwachstum von rund 20 Prozent im Vergleich zum Vormonat glänzte, blieb die Kategorie Brot und Backwaren im Jahresverlauf mit einem einstelligen Umsatzwachstum deutlich hinter anderen Hauptkategorien zurück. Innerhalb der Kategorie ist das Abschneiden differenziert. Während Brot mit kaum mehr als plus sechs Prozent abschnitt, gewannen frische Backwaren und Kleingebäck mit zwölf Prozent fast doppelt so stark. Ordentlich zugegriffen wurde jedoch bei Toast und Sandwichbroten. Jeder Haushalt kaufte im Schnitt laut GfK-Daten ein Kilogramm mehr als im Vorjahr. Das entspricht einem Mengenwachstum von rund neun Prozent.

Da im vergangenen Jahr überproportional viel daheim gekocht wurde, stieg auch der Absatz von Fleisch deutlich zweistellig. Davon profitierte jedoch nicht alleine der Lebensmittel-Einzelhandel. Laut GfK gehörten auch auf Metzgereien zu den Gewinnern. Bei der eingekauften Menge erzielten die Fachhändler ein Plus von zwölf Prozent, das beim Umsatz sogar noch höher ausfiel.

Kaum jemand lutscht noch Bonbons

Auch bei den Süßwaren langten die Deutschen kräftig zu. Die Tatsache, dass beispielsweise Ostern und Weihnachten daheim gefeiert wurden, befeuerte die Naschindustrie. Die Mengennachfrage stieg nicht zuletzt dadurch auf Jahressicht um zehn Prozent, der Umsatz sogar um elf Prozent. Auch bei den Süßwaren gilt: Marken wuchsen stärker als Handelsmarken. Das stärkste Wachstum mit 20 Prozent verzeichneten salzige Produkte wie Chips und Flips. Davon profitierten vor allem die deutschen Marktführer Lorenz Snack (Crunchips) und Intersnack (Chio-Chips, Funny-frisch), einer Tochter des Zuckerkonzerns Pfeifer & Langen.



Deutlich schwieriger hatten es Zuckerwaren. Sowohl Frucht- und Weingummi, wie auch Lakritz wuchsen nur leicht. Bonbons büßten – als eine der wenigen Produktkategorien überhaupt – im Handel rund fünf Prozent Umsatz ein. Laut Marktdaten aus dem Nielsen-Süßwarenmonitor verloren Soft- und Karamellbonbons knapp ein Prozent, Pfefferminzbonbons mehr als zwei Prozent, Fruchtbonbons mehr als acht Prozent, Hustenbonbons und auch Kaugummis stürzten sogar zweistellig ab. „Unsere Hustenbonbons liegen wie Blei in den Regalen“, sagte Perry Soldan, Chef des Hustenbonbon-Herstellers Soldan (Em-eukal), kürzlich dem Branchenmagazin Lebensmittel-Praxis. Es sei halt niemand mehr erkältet.

Nachfragegefälle bei Schnaps

Der vermehrte Daheim-Konsum beeinflusste auch den Verzehr von Getränken. Während Heißgetränke wie Tee oder Kaffee im Schnitt um rund zehn Prozent zulegten, entwickelten sich Wasser, Schorlen und Limonaden unterdurchschnittlich. Laut Zahlen des Marktforschers Nielsen verlor Mineralwasser rund 1,5 Prozent, während Limonaden und Cola-Getränke zwischen drei und sechs Prozent wuchsen.

Bei der Schwäche der Mineralwässer macht seit zwei Jahren vor allem der Trend zu selbst gesprudeltem Leitungswasser bemerkbar, der durch den Lockdown noch verstärkt wurde. Ganz anders zeigt sich die Lage bei den alkoholischen Getränken, die im Jahresverlauf um mehr als 15 Prozent wuchsen. Ähnlich wie Wein zählten auch Spirituosen zu den Profiteuren der pandemiebedingten Verlagerung des Konsums in die eigenen vier Wände.

Das interessiert WiWo-Leser heute besonders

Geldanlage Das Russland-Risiko: Diese deutschen Aktien leiden besonders unter dem Ukraine-Krieg

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine belastet die Börsen. Welche deutschen Aktien besonders betroffen sind, zeigt unsere Analyse.

Krisenversicherung Warum Anleger spätestens jetzt Gold kaufen sollten

Der Krieg in der Ukraine und die Abkopplung Russlands von der Weltwirtschaft sind extreme Inflationsbeschleuniger. Mit Gold wollen Anleger sich davor schützen – und einer neuerlichen Euro-Krise entgehen.

Flüssigerdgas Diese LNG-Aktien bieten die besten Rendite-Chancen

Mit verflüssigtem Erdgas aus den USA und Katar will die Bundesregierung die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland mindern. Über Nacht wird das nicht klappen. Doch LNG-Aktien bieten nun gute Chancen.

 Was heute noch wichtig ist, lesen Sie hier

Allerdings zeichneten sich lauf GfK die Hochprozenter durch ein beachtliches Nachfragegefälle aus. Während sich heimische Produkte wie Korn oder Weinbrand unterdurchschnittlich gut entwickelten, gingen bekannte Trendspirituosen wie Gin, Wodka oder Whisky durch die Decke und seien laut GfK zum Jahreswechsel auf ein „all time high“ gekommen. Recht ordentlich schlug sich auch der Biermarkt mit einem Plus von rund acht Prozent. Damit konnten jedoch die wenigsten Brauereien die dramatischen Umsatzeinbrüche in der Gastronomie oder bei Volksfesten und Festivals wettgemacht werden.

Mehr zum Thema: Der Verzehr von tierischen Lebensmitteln wird in vier Jahren seinen Höhepunkt erreicht haben. Danach übernehmen Proteine aus Pflanzen und Mikroorganismen die Speisekarten und Essenspläne. Das jedenfalls behauptet eine Studie.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%