Erpressung bei DHL Paket-Angst zur Weihnachtszeit

Für die Paketdienste läuft derzeit die Hochsaison. DHL, Hermes und Co. müssen zu Weihnachten neue Rekordmengen ausliefern. Der Erpressungsfall von Potsdam droht nun Unruhe in das Geschäft zu bringen.

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DHL-Erpressung in Potsdam: Paket-Angst zur Weihnachtszeit Quelle: dpa

Potsdam, Berlin Nach dem Fund einer Paketbombe in Potsdam rät die Polizei zur Vorsicht bei der Annahme von Paketen mit unbekanntem Absender in der Vorweihnachtszeit. „Wenn Leuten etwas seltsam vorkommt, sollte unbedingt die Polizei gerufen werden“, sagte ein Polizeisprecher in der Nacht zum Montag der Deutschen Presse-Agentur. Dies gelte etwa, wenn der Absender nicht eindeutig zugeordnet werden könne oder ganz und gar fehle.

Auch die Deutsche Post warnte die Bürger vor Päckchen mit unbekanntem Absender. „Wir appellieren an die Kunden, nur Sendungen anzunehmen, bei denen ihnen der Absender bekannt ist“, sagte ein Sprecher. „Bei Sendungen unbekannter Herkunft sollte man vorsichtig sein“.

Mit dem am Freitag an eine Apotheke am Potsdamer Weihnachtsmarkt gesendeten gefährlichen Paket sollte nach Einschätzung der Ermittler der Paketdienst DHL erpresst werden. Bei den Ermittlern sind bereits zahlreiche Hinweise eingegangen, aber der entscheidende Tipp war noch nicht dabei. Das teilte die Brandenburger Polizei am Montagmorgen auf Twitter mit.

In der Nacht gab es zunächst keine neuen Spuren zu dem oder den Tätern. Es werde aber rund um die Uhr ermittelt, sagte der Sprecher. Seit den ersten Erkenntnissen zu der Erpressung stehen die Brandenburger Ermittler nach Angaben von Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) mit DHL „in engstem Kontakt“. In den „nächsten Stunden und Tagen“ werde es eine sehr enge Zusammenarbeit geben, erklärte Schröter am Sonntagabend in der Nachrichtensendung RBB-Aktuell. DHL werde auch intern prüfen. Das Unternehmen selbst wollte sich am Sonntag nicht dazu äußern.

Die Brandenburger Behörden gehen von einem Täter oder einer Tätergruppe aus der Region aus. Das sei letztlich noch nicht hundertprozentig belegt, sagte Schröter. Aber Nachfragen an alle Landeskriminalämter in Deutschland hätten ergeben, dass kein anderes Land betroffen sei. Die Pakete seien jeweils in Brandenburg aufgegeben und an Adressen in Brandenburg geliefert worden.

Am Freitag war ein verdächtiges Paket bei einem Apotheker abgegeben worden, der sein Geschäft direkt am Potsdamer Weihnachtsmarkt hat. In dem Paket befanden sich Hunderte Nägel und ein sogenannter Polenböller. So werden umgangssprachlich Feuerwerkskörper bezeichnet, die wegen Sicherheitsmängel in Deutschland illegal sind. Anfang November war laut Polizei ein ähnliches Paket an einen Online-Händler in Frankfurt (Oder) gesendet worden. Dieses sei beim Öffnen in Brand geraten.

Die Bedrohung durch einen Erpresser trifft die Branche zu einem kritischen Zeitpunkt. Schon seit Wochen läuft für Deutsche Post DHL, Hermes, DPD & Co die lukrative Jahresendsaison. Der anhaltende Boom im Onlinehandel mit der Paketbranche im Schlepptau wird wohl auch in diesem Jahr wieder alle Rekorde brechen.

„Es gibt keine Anzeichen von Wachstumsschwäche“, heißt es beim Handelsverband Deutschland (HDE), der in diesem Jahr im Onlinehandel einen Zuwachs 10 Prozent auf 48,7 Milliarden Euro erwartet. Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel prognostiziert gar einen Zuwachs von 11 Prozent. Und das ist die Basis für hochschnellende Umsätze bei den Paketlogistikern.


Kleine Unternehmen besonders betroffen

Um die Weihnachtszeit müssen vor allem die Zusteller wieder schleppen und schwitzen: Der Bundesverband Paket & Expresslogistik (BIEK) rechnet damit, dass bis zu 30 Millionen Pakete mehr an der Haustür abgegeben werden als vor einem Jahr. 15 Millionen Sendungen täglich sollen es an einem Spitzentag werden. Peter Rey vom Paketlogistiker DPD aus Aschaffenburg schätzt das Paketvolumen um die Weihnachtszeit um 50 Prozent über der Menge eines durchschnittlichen Zustelltages.

Branchenprimus DHL und Konkurrenten wie UPS, Hermes und DPD finden gar nicht genug Zusteller, um das enorme Marktwachstum abzudecken. „Die Sendungsmengen wachsen jährlich um 6 bis 12 Prozent“, sagte Uwe Speckenwirth, NRW-Landesfachbereichsleiter Post der Gewerkschaft Verdi, im November. „In dem Ausmaß wird mit Sicherheit nicht eingestellt.“ So würden Zustellbezirke größer und größer, zugleich wachse der Krankenstand - „ein Knochenjob“, sagt Speckenwirth.

Nach Branchenschätzungen fehlen derzeit bundesweit knapp 6000 Zusteller – und im Weihnachtsgeschäft wächst das Zustell-Volumen noch mal kräftig. Der Paketdienstleister Hermes rechnet für 2017 mit dem mengenstärksten Weihnachtsgeschäft der Unternehmensgeschichte und bis zu 20 Prozent mehr Paketen als Weihnachten 2016. Das Unternehmen reagiert auf die Paketflut mit einem spektakulären Schritt: Erstmals soll es in besonders belasteten Regionen Obergrenzen für Online-Händler geben. Sind die erreicht, nimmt Hermes keine weiteren Lieferungen an und verzichtet auf das Geschäft.

Die Sicherheitsbehörden halten weitere Sendungen für möglich oder sogar wahrscheinlich. Der Potsdamer Sendung habe eine Nachricht beigelegen, sagte Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke am Sonntag. Diese sei als sogenannter QR-Code im Internet verschlüsselt, aber eindeutig rekonstruiert worden.

Betroffen seien bislang kleine Unternehmen. Sendungen an Privatpersonen seien aber nicht auszuschließen, hieß es. „Wer ein auffälliges Paket zugestellt bekommt, nicht öffnen, denn das könnte die Auslösung bewirken“, warnte Innenminister Schröter. Hinweise seien zum Beispiel Rechtschreibfehler oder auch aus dem Paket ragende Drähte, erklärte die Polizei, die auch eine Telefonhotline schaltete.

Für die Fahndung setzte die Polizei eine Ermittlungsgruppe „Luise“ ein - benannt nach der Apotheke, an die das Paket geschickt worden war. In der Gruppe arbeiten rund 25 Kriminalisten. Ermittelt wird laut Staatsanwaltschaft wegen versuchter Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und versuchter schwerer räuberischer Erpressung.

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