Anstatt sich das teure Gerät zu Hause aufzubauen, griffen die Italiener auf, was sie aus der Kaffeehauskultur schon kannten, und avancierten zu Außerhaustrinkern. Jeder Arbeitstag beginnt in einer Bar. Nahezu jeder Italiener definiert sich über „seine“ Bar, die er ein bis zwei Mal am Tag besucht und die seinen sozialen Rahmen bildet. Die Bar wechselt der Italiener nur aus triftigem Grund, und Abwechslung ist kein solcher.
So wurde der Außerhauskaffee in Italien zum Standard. Ähnlich wie der Franzose den Baguette- und der Deutsche den Milchpreis, beäugt der Italiener skeptisch den Espressopreis an der Bar. „Der italienische Kunde schätzt Qualität, neigt aber beim Kaffee dazu, hohe Preise zu bestrafen“, sagt Illy. Bei 1,10 Euro ist derzeit pro Espresso das oberste Ende erreicht, standardmäßig kostet er, stehend eingenommen, einen Euro. „Es gibt viele Gründe für das niedrige Preisniveau in den Kaffeebars Italiens“, sagt Francesco Cantini, der als Nordeuropachef von Zanetti die Verteidigungslinie gegen Starbucks halten soll. „Einer der Gründe ist sicher, dass ein Espresso außer Haus ein ,System‘ ist, das schon immer da war und das im Laufe der Zeit keinen Ansatz zum Wandel gefunden hat.“
Niedrige Preise, hohes Traditionsbewusstsein, zersplitterter Geschmack und mit 130.000 Cafés auf 60 Millionen Einwohner eine totale Überversorgung. So entstand ein einmaliges Biotop voller Marotten und selbstbewusster Akteure. Bester Unterhaltungsstoff also, wenn in dieses Biotop jemand eindringen will. Das passierte bisher immer mal wieder, aber halbherzig. Der Lebensmittelriese Nestlé schaffte mit seinem Kapselsystem Nespresso Achtungserfolge. Und Starbucks kündigte Selbiges immer wieder an.
Schließlich verbindet Schultz und Italien eine Geschichte. Als er das Unternehmen 1987 gründete, ließ er sich von der italienischen Kaffeekultur inspirieren. Viele Italiener klagen noch heute, der Starbucks-Gebieter sei reich geworden, weil er mit ihren Ideen die Welt erobert habe. Und dass ihm das gelungen ist, steht außer Zweifel: 20 Milliarden Dollar setzt Starbucks jährlich um. Dagegen wirken die Italiener, deren Branchenprimus Lavazza etwas mehr als eine Milliarde umsetzt, überschaubar.
Cliffhanger zur neuen Folge
Italien also machte Schultz und Starbucks reich – und unglücklich. Bisher ist er der tragische Held der Serie, die für ihn eine Serie voller Ernüchterungen ist. Immer wieder betonte er, wie sehr er auf den italienischen Markt schiele. Natürlich sagte er auch immer: „Wir kommen nicht nach Italien, um den Italienern beizubringen, wie man Kaffee macht.“ Sein Unternehmen käme in „großer Demut“. Doch bisher folgte drei Mal auf diese Ankündigungen: nichts. Und auch, als Schultz Ende 2017 die jüngste Offensive ankündigte, passierte niente.
Mitte 2017 sollte in Mailand die erste Filiale Kaffee verkaufen. Klappte nicht. Das gallische Kaffeedorf schien uneinnehmbar. Dann reiste der Herrscher selbst an die Front. Nun wurde in der ehemaligen Mailänder Post eine Rösterei mit Shop geplant. Schultz kündigte „einige Millionen“ Investitionen an. Es entstanden satte Bilder und ungeahnte Spannung. Denn nun entbrennt der Kampf um Italien.
Andrea Illy sagt: „Gibt es in Italien eine Nachfrage nach dem US-Ansatz? Das müssen wir mal abwarten.“ Francesco Cantini von Zanetti sagt: „Meiner Meinung nach wird die größte Herausforderung für Starbucks das Preisgefüge sein. Das könnte einer der Gründe sein, weshalb sie hier bisher nie Fuß gefasst haben.“ Francesca Lavazza sagt: „Italiens Kaffeekultur ist einzigartig. Wir sollten sie mit Blick auf unsere Werte weiterentwickeln.“
Schultz sagt: 300 Filialen in Italien sind drin.