Im Gegenteil: Der Zahl der Verpackungen steigt und steigt. „Die Verpackungsbranche muss auf ein durchschnittliches jährliches Wachstum von zwei bis drei Prozent reagieren“, sagt Winfried Batike, Geschäftsführer des Branchennetzwerks Deutsches Verpackungsinstitut. Befeuert wird die Entwicklung durch die veränderten Lebensumstände der Deutschen. In Zeiten von Singlehaushalten und kurzen Mittagspausen, steigt die Nachfrage Convenience-Lebensmittel. Currywurst aus der Pappschale und eingeschweißter Salat mit Plastikgabel sind angesagt. Ein lukratives Geschäft: Laut jüngsten Zahlen liegt der der Jahresumsatz der deutschen Verpackungshersteller bei mehr als 32 Milliarden Euro – Rekordniveau.
Entsprechend gering ist derzeit die Sorge in der Branche, in Zukunft Aufträge zu verlieren. Einen großen Trend könne er aus den vereinzelten Versuchen, Supermärkte ohne Verpackung zu etablieren, ohnehin nicht erkennen, sagt Batike. „Bei der Gesamtzahl von etwa 200 Milliarden Verpackungen jährlich in Deutschland spielen diese Ideen eine völlig untergeordnete Rolle.“ Trotzdem schaut die Industrie mit Argusaugen auf die Entwicklung. Schließlich ist sie die radikalste Art mit dem ungeliebten Produkt umzugehen.
Worauf die Kunden beim Thema Nachhaltigkeit achten
Fragestellung: "Wenn Sie beim Einkauf von Lebensmitteln nachhaltige Aspekte berücksichtigen möchten. Welcher Aspekt ist Ihnen dabei am wichtigsten?"
Quelle: Institut für Handelsforschung // Umfrage unter 986 Deutschen
Die regionale Herkunft der Lebensmittel
Die Inhaltsstoffe der Lebensmittel
Bio- und Nachhaltigkeitssiegel
Ich berücksichtige keine nachhaltigen Aspekte bei meinem Lebensmitteleinkauf
Die umweltfreundliche Verpackung der Lebensmittel
Batzke weiß, dass seine Produkte vielen Konsumenten sauer aufstoßen. Und die Branche reagiere darauf: Mit Recyclingmaßnahmen wie dem Grünen Punkt, mit einer kontinuierliche Absenkung des Materialverbrauches pro Produkt und durch die Anpassung von Verpackungen an das veränderte Verbraucherverhalten.
Chance in der Nische
Dass sich die Verpackungsindustrie das Thema Nachhaltigkeit – nicht zuletzt aus Image-Gründen – auf die Fahnen geschrieben hat, weiß auch Marie Delaperrière. Sie hofft, mit ihrem Konzept den Druck auf die Industrie weiter erhöhen zu können. „Wenn es genug Menschen gibt, die auf Verpackungen verzichten, wird die Industrie härter daran arbeiten, den Müll zu reduzieren.“
Aber auch wenn die ganz große Revolution wohl ausbleibt, glaubt selbst Susanne Eichholz-Klein, dass verpackungslose Lebensmittelangebote in gewissen Bereichen funktionieren können. Der Handelsexpertin schwebt eine Art Teilzeitmodell vor: Während die allermeisten Kunden ihre Haupteinkäufe weiter im Supermarkt und Discounter erledigen, beruhigen sie ihr Gewissen beim gelegentlichen Shoppen mit Einweckglas und Tupper-Dose. „Innerhalb dieses Einkaufsstättenportfolios wird ein Supermarkt, der auf Verpackung verzichtet, ebenso wie Biosupermärkte einen Platz finden, aber sicherlich nur für wenige Konsumenten zur Haupteinkaufsstätte werden“, so Klein.
Bleibt die Frage, ob der Platz groß genug zum Überleben ist. Jahrelang galt der 2007 in London eröffnete Supermarkt „Unpackaged“ als Vorzeigeobjekt der Szene. Anfang 2014 musste er schließen. Das Geschäft war nicht rentabel. Angst macht Marie Delaperrière das Scheitern des Vorbilds nicht. „Die Mieten in London sind viel höher“, sagt sie. „Und vielleicht war der Laden seiner Zeit ein bisschen voraus.“ Erst jetzt sei die Richtige gekommen.