Eurowings-Streik Gähnende Leere, Resignation, Gleichgültigkeit

Durch den Streik des Eurowings-Bordpersonals fallen in Düsseldorf 50 von 88 Flügen aus. Für Empörung unter den Fluggästen sorgt das schon längst nicht mehr. Doch das Verständnis für die Streiks lässt nach.

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Viele Fluggäste informierten sich frühzeitig im Internet, ob ihr Flug ausfällt. Die verbliebenden Eurowingspassagiere sparten dadurch beim Check-In viel Zeit. Quelle: Handelsblatt Andreas Neuhaus

Düsseldorf Guido Duschanik lacht erleichtert, nimmt seine Frau in den Arm und sagt: „Wir sind total entspannt – unser Flug geht ja.“ Das Ehepaar fliegt in gut eineinhalb Stunden in den Urlaub nach Fuerteventura. Dass das Flugzeug wirklich vom Düsseldorfer Flughaben abhebt, ist keine Selbstverständlichkeit. Denn Familie Duschanik will mit Eurowings in den Süden. Doch bei der Billigtochter der Lufthansa streikt an diesem Dienstag, den 22. November, das Bordpersonal. Ganztägig, von 5 bis 20 Uhr. In Düsseldorf fallen deshalb 50 von 88 Flügen aus.

Vor dem Flughafen stehen noch ein Dutzend Eurowings-Mitarbeiter – die meisten sind wegen der kühlen Temperaturen wieder nach Hause geschickt worden. An der Wand hängen Zettel mit der Aufschrift „Auf Wiedersehen Weihnachtsgeld! Tschüss Urlaubsgeld!“ oder „Schatz ich möchte Kinder! – Schatz das können wir uns nicht leisten. Ich arbeite bei Eurowings“. Der ein oder andere tippt im Takt von einem Bein auf das andere, aus dem mobilen Lautsprecher dröhnt das Lied „Lampenfieber“ von Gitta Haenning. Doch von Aufregung ist am Düsseldorfer Flughafen nichts zu sehen oder spüren.

Mehr oder minder gleichgültig ziehen die Fluggäste ihre Trollis am Verdi-Stand vorbei. „Heute früh haben wir aber viele positive Reaktionen bekommen. Einige, die im Auto vorbeigefahren sind, haben gehupt und den Daumen nach oben gezeigt“, sagt Anja Schlosser von Verdi. Außerdem berichtet sie von langen Schlangen am Eurowings-Schalter, wo verzweifelte Passagiere ihre Flüge umbuchen wollten – das sei aber gegen sieben Uhr morgens gewesen.

Gegen zehn Uhr herrscht am Check-In-Schalter von Eurowings gähnende Leere. Nur an drei der acht Schalter stehen Fluggäste. Warten muss hier niemand. „Die Leute gucken im Internet und buchen rechtzeitig um – oder bleiben zuhause. Es ist ja nicht der erste Streik“, sagt eine Eurowings-Mitarbeiterin.

Bereits im Oktober war es bei der Lufthansa-Tochter zum Streik gekommen. Da allerdings organisiert vom Verdi-Konkurrenten Ufo. Die beiden Gewerkschaften konkurrieren um die Vertretung der Kabinenbeschäftigten. Jetzt zog Verdi nach. Im Raum steht eine Forderung eine Anhebung der Gehälter und Funktionszulagen von sieben Prozent, 500 Euro Zulage für die Kabinenleitung und weitere Verbesserungen für die 460 Kabinenmitarbeiter von Eurowings. Die letzten Verhandlungen am 11. November endeten ergebnislos, ein neuer Termin wurde nicht vereinbart.

Die Reaktionen der Fluggäste pendeln oft zwischen Verständnis und Resignation. Doch gerade Vielflieger sind genervt. Ein Passagier sagt: „Ich muss beruflich oft nach London und fliege mit Easyjet. Da gibt es komischerweise nie Probleme. Was mir auffällt. Wir reden in Deutschland immer über dieselben Fluglinien.“


Beste PR für die Deutsche Bahn

Guido Duschalik arbeitet selbst am Flughafen, allerdings in Köln. Trotzdem schwindet bei ihm das Verständnis für die Streiks: „Heute Germanwings, morgen Lufthansa. Mittlerweile ist es ganz schön viel. Und was mich stört: Es wird komplett auf dem Rücken der Fluggäste ausgetragen.“ Für Duschalik ist es bei diesem Streik gut gegangen. Er berichtet aber von Bekannten, denen es bei vorherigen Streiks weniger gut ergangen sei. Die einen landeten in Berlin statt Düsseldorf, die anderen mussten umbuchen für den kommenden Tag – gegen einen Aufpreis von 800 Euro. Erst nach einem langen Rechtsstreit gab es das Geld von der Fluggesellschaft zurück.

Bei Ehepaar Nebe überwiegt hingegen die Erleichterung. Ihre Vornamen wollen sich nicht nennen. Die Frau geht auf Krücken vom Schalter weg. Humpelnd aber glücklich, ihr Mann trägt die Tickets. Bei einem Arbeitsunfall hatte sie sich schwer an Knöchel, Knie und Unterschenkel verletzt. Erst vor zwei Wochen gab der Arzt ihr das Okay für den Urlaub. Als am Montagnachmittag der Streik verkündet worden war, war das Ehepaar geschockt. „Wir waren froh, als zwischen den ganzen Ausfall-Schildern unser Flug aufblinkte“, berichtet Nebe.

Ähnlich erging es Kathrin Heyer. Sie fliegt mit ihrem Mann und ihrem Sohn sowie ihren Eltern in den Urlaub – ebenfalls nach Fuerteventura. Stundelang war sie am Vortag in der Warteschleife vertröstet worden. „Ich war da echt genervt. Wir wohnen in Köln, meine Eltern in Wuppertal. Wie stellen sich die Leute das logistisch vor? Dass wir so schnell umplanen?“ Gerade, als Heyer ihren Flug von Eurowings auf Condor umbuchen wollte, kam die Info, dass ihr Flug doch planmäßig abheben soll.

Längst nicht für alle Fluggäste geht der Streik so glimpflich aus. Doch bei wem der Flug gestrichen wird, der taucht erst gar nicht am Flughafen auf. Thomas Skulski hat es zwar von Berlin nach Düsseldorf geschafft, auch sein Flug nach England ist gesichert. Trotzdem ist er sauer. Skulski ist Sportreporter beim ZDF und muss nach Manchester zum Champions-League-Spiel zwischen Manchester City und Borussia Mönchengladbach. Am Montagabend erreichte ihn eine Mail von Eurowings, dass sein Flug von Berlin nach Düsseldorf gestrichen ist. Er buchte auf Air Berlin um, doch schon zwischen Einloggen und Buchen stiegen die Preise um 20 Euro pro Ticket. Er lerne zwar, gelassener mit Streiks umzugehen, hinnehmen wolle er die Streiks in ihrer Häufigkeit nicht. „Die deutschen Fluggesellschaften sind dabei, zur besten PR-Abteilung der deutschen Bahn zu werden.“

Dieter Schörken hat für sich eine andere Konsequenz gezogen: „Das ist für mich jetzt der vorletzte Flug, der Rückflug wird der letzte sein. Mit fast 80 Jahren brauche ich diese Aufregung nicht mehr.“

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