Ex-Arcandor-Chef Die neue Welt des Thomas Middelhoff

Er fädelte Milliardendeals ein. Jetzt will der rechtskräftig zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilte Manager als Hilfskraft in einer Behindertenwerkstatt arbeiten. Das könnte die Haftbedingungen erleichtern.

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Die spektakulärsten Privatinsolvenzen
Thomas Middelhoff Quelle: AP
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Augenarzt, Detlef Uthoff Quelle: Fotolia

Vom Konzernlenker mit Millionengehalt zur Hilfskraft mit einem Bruttoverdienst von 1785 Euro: Am Montag will der ehemalige Top-Manager Thomas Middelhoff seine neue Stelle in der Bodelschwinghschen Stiftung Bethel in Bielefeld antreten.

Für den 62-jährigen früheren Chef des Mediengiganten Bertelsmann und des ehemaligen Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor wird es eine ungewohnte Erfahrung sein. Als Konzernchef fädelte er Milliardendeals ein und jettete im Privatflugzeug über die Kontinente. In der Behindertenwerkstatt arbeitet er als Hilfskraft für die Betreuer und als Assistent für die dort beschäftigten Menschen. Zu seine Aufgaben gehören laut Stiftung „Hilfsarbeiten, Materialtransport, Hauswirtschaft sowie Botendienste“.

Middelhoff, der 2014 vom Landgericht Essen wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft verurteilt wurde und die Strafe in Kürze antreten soll, hatte nach Angaben der Stiftung selbst in Bethel wegen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung angefragt. „Ein solches Anstellungsverhältnis würde ihm unter Umständen den Haftvollzug als Freigänger ermöglichen“, erklärte die Stiftung. Die diakonische Einrichtung helfe immer wieder Menschen in problematischen Lebenslagen und Situationen von Schuldverstrickung.

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Die Höhe des Lohns spielt für Middelhoff ohnehin keine Rolle. Das Geld geht direkt an den Insolvenzverwalter, wie sein Rechtsanwalt Hartmut Fromm erläutert. Denn Middelhoff hatte vor gut einem Jahr Privatinsolvenz anmelden müssen. Seine Gläubiger machen Millionenforderungen gegen ihn geltend. Während die Arbeit in Bethel eine neue Erfahrung für den Manager sein dürfte, hat er mit dem Aufenthalt im Gefängnis schon während seiner fünfmonatigen Untersuchungshaft Bekanntschaft gemacht. Unmittelbar nach der Urteilsverkündung im November 2014 war Middelhoff noch im Gerichtssaal wegen Fluchtgefahr verhaftet worden.

Die danach folgende Haft in der Justizvollzugsanstalt Essen nahm den den Manager sichtlich mit. Die Justiz sah in den ersten Haftwochen sogar Selbstmordgefahr. Nach Angaben seiner Anwälte erkrankte der Manager in dieser Zeit an einer Autoimmun-Krankheit, die ihn heute noch quält. Die Anwälte zweifeln deshalb sogar an seiner Haftfähigkeit.

Middelhoff soll nach Angaben Fromms seine Haft am 6. Mai antreten, wenn die Einwendungen seiner Anwälte nicht zu einem Aufschub in letzter Minute führen. Im günstigsten Fall - bei Anwendung der Halbstrafenregelung - wird Middelhoff nach Angaben aus Justizkreisen unter Anrechnung der Untersuchungshaft noch gut ein Jahr Haft verbüßen müssen.

Als Freigänger im offenen Vollzug müsste Middelhoff zwar die Nächte in der Haftanstalt verbringen, könnte tagsüber aber in Bethel arbeiten. Und es gäbe für ihn früher oder später auch die Möglichkeit, am Wochenende zumindest hin und wieder Langzeitausgang von Samstagmorgen bis Sonntagabend zu erhalten. Ein Privileg wäre dies nicht. Fast ein Viertel der Häftlinge in Nordrhein-Westfalen verbüßen nach Angaben des Justizministeriums ihre Strafe im offenen Vollzug.

Doch mag Middelhoffs Anwalt Hartmut Fromm den neuen Arbeitsplatz seines Mandanten nicht allein in diesem Licht sehen. Er betonte kürzlich in einem Interview: „Herr Middelhoff freut sich auf seine neuen Aufgaben im sozialen Bereich, die er auch - soweit möglich - bei Haftunfähigkeit wahrnehmen würde.“

Der Kölner TV-Produzent Michael Souvignier will nach „Spiegel“-Informationen die wechselvolle Karriere des ehemaligen Top-Managers Thomas Middelhoff (62) verfilmen. Die Vita des einstigen Arcandor-Lenkers biete nach Souvigniers Ansicht Stoff für eine Tragikkomödie, schreibt das Nachrichtenmagazin. Nach einem Termin beim Gerichtsvollzieher kletterte er zudem aus einem Fenster und flüchtete über ein Garagendach, um wartenden Journalisten zu entgehen. Mit dieser Szene soll der Film laut „Spiegel“ beginnen. „Klappt alles wie geplant, können wir noch 2016 mit den Dreharbeiten anfangen“, zitiert das Blatt den TV-Produzenten („Das Wunder von Lengede“, „Das Tagebuch der Anne Frank“).

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