Ex-Drogeriemarktkönig Anton Schlecker steuert in dem Bankrottverfahren gegen ihn auf ein relativ mildes Urteil zu. Der Vorsitzende Richter am Stuttgarter Landgericht legte am Montag eine Liste mit Klagepunkten vor, die fallengelassen werden sollen - dadurch würde sich das mögliche Strafmaß wesentlich reduzieren. So würden bestimmte Rechnungen, die Schlecker für seine Kinder beglich, aus dem Raster des Verfahrens fallen.
Die Staatsanwaltschaft wirft Schlecker unter anderem vorsätzlichen Bankrott vor - er soll von 2010 bis Anfang 2012 mehr als 25 Millionen Euro aus der Firma gezogen und an seine Familie verlagert haben, obwohl er dies wegen drohender Zahlungsunfähigkeit nicht hätte tun dürfen. Fielen besagte Rechnungen raus, würde die mögliche Schuld von Schlecker beträchtlich schrumpfen.
Knackpunkt in dem Verfahren ist die Frage, ab wann genau die Zahlungsunfähigkeit drohte. Die Ankläger gingen bisher vom 31. Dezember 2009 aus, änderten kürzlich aber ihren Standpunkt und sprechen jetzt nur noch von Ende 2010. Der Vorsitzende Richter Roderich Martis nannte Januar 2011 als Zeitpunkt. Je später der Termin, desto mehr schrumpft die mögliche Schadenssumme.
Der größte Teil der Schadenssumme entfiel bisher auf Rechnungen, die Schlecker für Arbeiten einer Logistikfirma seiner Kinder Meike und Lars bezahlte - die Stundensätze sollen überzogen hoch gewesen sein. Die beiden Kinder sind mitangeklagt. Anklagepunkte wegen Zahlungen an diese Firma fielen bei Kürzung der Vorwurfsliste großteils weg, aber nicht komplett. So wurden die ohnehin schon hohen Stundensätze zum März 2011 sogar noch angehoben - dass Schlecker solch überhöhte Rechnungen beglich, dürfte ihm das Gericht zur Last legen.
Die Staatsanwaltschaft will bis nächste Woche entscheiden, ob sie der Kürzung der Vorwurfsliste zustimmt. Tut sie das nicht, würden alle Klagepunkte wie bisher weiterverhandelt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Schlecker in diesen Punkten vom Gericht für schuldig befunden wird, würde aber gegen null sinken. Ein Urteil in dem Mammutverfahren könnte frühestens im November gefällt werden.
Stationen der Schlecker-Insolvenz
Schlecker meldet Insolvenz an.
Das Verfahren wird eröffnet. Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz hofft noch auf die Rettung von Teilen der Drogeriekette.
Es wird bekannt, dass Anton Schlecker sein Privathaus im Wert von zwei Millionen Euro vor der Insolvenz an seine Frau übertragen hat. Ein zweites Grundstück soll sein Sohn bekommen haben.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart leitet ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Untreue, Insolvenzverschleppung und Bankrott gegen Anton Schlecker ein.
Die Schlecker-Gläubiger fordern mehr als eine Milliarde Euro.
Der österreichische Investor Rudolf Haberleitner will 2013 bis zu 600 ehemalige Schlecker-Filialen mit dem Konzept eines modernen Tante-Emma-Ladens wiederbeleben.
Gut ein Jahr nach der Pleite zahlt die Familie Schlecker dem Insolvenzverwalter 10,1 Millionen Euro. Hintergrund ist der Streit um übertragenes Vermögen aus dem Unternehmen.
Haberleitner will einstige Schlecker-Filialen unter dem Namen Dayli wiederbeleben und Testläden in Deutschland eröffnen.
Noch vor dem geplanten Deutschland-Start ist der Schlecker-Nachfolger Dayli pleite.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart erhebt Anklage gegen Anton Schlecker wegen vorsätzlichen Bankrotts.
Der Insolvenzverwalter reicht Klage gegen ehemalige Schlecker-Lieferanten ein. Sie sollen Schlecker wegen illegaler Preisabsprachen um viel Geld gebracht haben. Geiwitz will Schadenersatz in Millionenhöhe.
Es wird bekannt, dass das Landgericht die Anklage zulassen will. Der Schlecker-Prozess soll im März 2017 beginnen.
Der Prozess vor dem Landgericht Stuttgart beginnt.
Staatsanwalt Thomas Böttger fordert für Anton Schlecker drei Jahre Haft. Lars Schlecker soll nach dem Willen der Staatsanwälte zwei Jahre und zehn Monate in Haft, Meike zwei Jahre und acht Monate. Die Verteidigung hält die Forderungen für „überzogen“, nennt aber selbst kein empfohlenes Strafmaß.
Das Urteil des Landgerichts Stuttgart ist am Ende doch eine Überraschung: Anton Schlecker muss nicht ins Gefängnis. Das Gericht verurteilte den 73-Jährigen wegen vorsätzlichen Bankrotts zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe und einer Geldstrafe von 54.000 Euro. Schleckers Kinder Lars (46) und Meike (44) wurden dagegen zu Haftstrafen von zwei Jahren und acht Monaten beziehunsgsweise zwei Jahren und neun Monaten verurteilt, unter anderem wegen Insolvenzverschleppung, Untreue und Beihilfe zum Bankrott.
Die absehbare Kürzung der Vorwurfsliste ist für Schlecker aber nicht ausschließlich eine gute Nachricht. Denn sie verdeutlicht auch, dass der 72-Jährige nicht mehr auf einen Freispruch hoffen sollte. Zwar hat der Richter seine Überlegung zum Zeitpunkt der drohenden Zahlungsunfähigkeit noch nicht abschließend festgelegt.
Aber selbst die Verteidigung hatte kürzlich eingeräumt, dass die Firmenpleite im späteren Verlauf des Jahres 2011 wohl absehbar war - der April 2011 wäre aus Sicht von Schleckers Verteidiger Norbert Scharf als Datum annehmbar. Der Schleckerkonzern ging im Januar 2012 in die Insolvenz, Zehntausende Mitarbeiter verloren ihre Jobs.