Fahrradboom „Abo-Modelle werden immer wichtiger“

Produktion eines Mountainbikes Quelle: Rose Bikes

Markus Diekmann, Gesellschafter und Mit-Geschäftsführer des Fahrradhändlers Rose Bikes, über Zweirad-Trends, Online-Nachfrage und Versäumnisse der Verkehrspolitik.

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Marcus Diekmann ist Gesellschafter und Mitglied der Geschäftsführung bei Rose Bikes. Der 41-Jährige ist seit 2005 als kaufmännischer Analyst, Stratege und kreativer Macher im digitalen Handel aktiv und zählt zu den bekanntesten Branchenexperten in Deutschland. Vor seinem Wechsel zu Rose Bikes war Diekmann Chief Digital Officer des weltweit zweitgrößten Fahrradherstellers Accell Group und Director Digital, E-Commerce & Omni-Channel bei der Beter Bed Holding.

WirtschaftsWoche: In der Coronakrise scheint halb Deutschland aufs Rad umzusteigen – machen Sie gerade Überstunden?
Markus Diekmann: Die Coronakrise ist schlimm für die Menschen auf der ganzen Welt und auch für den Handel in Deutschland. Wir sind froh, dass wir auch während der Schließungen der Läden allen Mitarbeitern einen Job in anderen Bereichen geben konnten, zum Beispiel in der Logistik oder aber als digitale Verkaufsberater. Ja, wir machen Überstunden, anders ist die aktuelle Situation nicht zu meistern.

Wie stark hat der Lockdown Rose Bikes getroffen?
Natürlich hat uns die Ladenschließung hart getroffen und uns fast vier Millionen Euro Umsatz gekostet, zumal der Lockdown zeitlich in unseren Saisonstart und damit in die verkaufsstärksten Wochen gefallen ist. Aber als Online-First-Unternehmen konnten wir die Umsatzverluste nicht nur kompensieren, sondern auch deutlich übertreffen. Allein im April und Mai haben wir den Online-Auftragseingang um 100 Prozent zum Vorjahr steigern können.

E-Bikes boomten ja auch schon vor der Coronakrise – hat sich das fortgesetzt?
Ja absolut – aber wir müssen aufhören, E-Bikes von klassischen Fahrrädern zu differenzieren, denn spätestens in fünf Jahren werden 90 Prozent aller Fahrräder E-Bikes sein und sich dann genau wie heute nach Mountainbikes, Trekkingbikes, Citybikes, Rennrädern und Gravelbikes unterscheiden. Die Motoren und Akkus werden immer leistungsstärker und dabei immer kleiner und besser in das Design integriert. Die neue Generation der E-Bikes wird sehr sportlich und dynamisch, darauf freue ich mich. Also, ja – die Nachfrage nach E-Bikes nimmt weiter drastisch zu.

Wie man hört, gehen besonders gut die höherpreisigen Bikes – was muss ich für Ihr Spitzenmodell auf den Tisch legen? Und was kann das?
Nach Autos und Handys werden nun Fahrräder zum neuen Lifestyle-Status-Symbol. Hightech auf zwei Rädern ist gefragt, top Design, top Material wie Carbon und die besten Schaltungen, Motoren und Akkus. Das Fahrrad ist längst kein einfacher Nutzungsgegenstand, um von A nach B zu kommen, sondern die Menschen identifizieren sich mit ihrem Bike. Während früher nur die coolsten Typen mit dem Retro-Rennrad zum Bäcker gefahren sind, kaufen jetzt alle meine Freunde Gravelbikes und nutzen diese für den Sport, aber auch für den Weg zur Gaststätte.

Marcus Diekmann Quelle: Simon Thon

Drohen angesichts der großen Nachfrage Lieferengpässe?
Bedingt durch die Coronakrise in China gab es auch bei uns Produktionsengpässe. Viele Komponenten aus China waren während der Lockdownphase nicht lieferbar. Das hatte den Effekt, dass viele Topseller erst viel zu spät wieder verfügbar waren. Das normalisiert sich jetzt zum Glück wieder. Aber die aktuellen Nachrichten aus Peking machen deutlich, dass es auch durchaus noch einmal zu Engpässen kommen kann.

Werden auf Sicht die Preise für Räder steigen?
Nein, Online-First-Unternehmen wie wir werden auch in Zukunft dafür sorgen, dass die Kunden top Bikes zum top Preis bekommen.

Kaufen die Leute eher E-Bikes für den Weg zur Arbeit oder Rennräder für die Freizeit?
Beides – darum werden gute und passgenaue Finanzierungs- und Abomodelle immer wichtiger. Im September bringen wir ein neues eGravel-Bike auf den Markt, das verschiedene Ansprüche kombiniert: aussagestarkes Design, top Sportlichkeit und die Multifunktionalität als Statement, gleichzeitig sportlich und auch zur Arbeit fahren zu können.

Welche Trends sehen Sie derzeit bei Rennrädern?
Die Multifunktionalität ist der größte Trend, hier bieten Gravelbikes einen starken Kompromiss.

Die großen Radrennen wie die Tour de France sind ausgefallen oder wurden in den Spätherbst verlegt – spielt das für Ihr Geschäft eine Rolle?
Nein, die Tour de France ist aus sportlichen Gesichtspunkten natürlich sehr wichtig – aber nicht für den klassischen Verkauf von Bikes. Hier spielen die veränderten Verbraucherbedürfnisse an Nachhaltigkeit und Fitness eine viel zentralere Rolle.

Was muss sich im Straßenverkehr ändern, damit mehr Menschen aufs Rad umsteigen?
Wir können von Städten wie Amsterdam und Münster lernen. Wir brauchen eine konsequente Fahrrad-First-Ausrichtung in den Innenstädten. Wir dürfen nicht weiter größere Parkplätze bauen, um noch mehr SUVs Platz zu spenden, sondern müssen die Fahrradverkehrswege ausbauen.

Sehen Sie in der Politik ein Umdenken oder geht das nicht noch viel zu langsam?
Ich sehe viele gute Ansätze, aber noch deutlich zu wenige umgesetzte Projekte – wie auch bei der Digitalisierung müssen wir konsequenter lernen, in Deutschland zu handeln. Schluss mit Lippenbekenntnissen.

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