H&M tut es, C&A tut es schon deutlich länger – und mehr und mehr große Modekonzerne ziehen nach. Mit Ökolabels und Nachhaltigkeitsprogrammen wollen sie ihren Kunden zeigen, dass auch sie etwas für Umwelt und faire Arbeitsbedingungen in Bangladesch, Kambodscha oder Vietnam tun. Nun hat die Umweltschutzorganisation Greenpeace die Umweltlabels der Textilindustrie unter die Lupe genommen. Im neuen Einkaufsratgeber für umweltfreundliche und faire Mode bewertet Greenpeace die wichtigsten Öko-Textillabel. Das Fazit: Viele sind irreführend und nicht halb so nachhaltig, wie sie den Anschein erwecken wollen. So wirbt die Bekleidungsbranche mit eigenen Öko-Programmen, Nachhaltigkeit und Recycling, „verschmutzt aber die Umwelt wie kaum eine andere“, sagte Kirsten Brodde, Greenpeace-Textilexpertin bei der Vorstellung des Ratgebers.
Laut der Umweltschutzorganisation erfüllten nur drei Labels die höchsten Anforderungen für Recycling, faire Arbeitsbedingungen und Chemikaliengebrauch. Das sind der Internationale Verband der Naturtextilwirtschaft (IVN) mit seinen Labels „Best“ und "Global Organic Textile Standard" – kurz „GOTS“ genannt – sowie das „Made in Green“-Label von Oeko-Tex. Vor dem wohl bekanntesten und weitverbreiteten „Oeko-Tex 100“-Label warnt Greenpeace hingegen. Es zeichne zwar ein schadstofffreies Endprodukt aus, allerdings bedeute das nicht, dass bei der Produktion in der Fabrik keine Chemikalien zum Einsatz kommen. Zudem sind firmeneigene Öko-Siegel großer Modekonzerne wie H&M, C&A oder Zara nach Auffassung von Greenpeace oft nur mehr Schein als Sein. "Einzelne Kollektionen werden nach strengeren Richtlinien produziert und stark beworben – das restliche Sortiment bleibt konventionell", so Greenpeace.
Dabei ist ökologische und faire Kleidung gar nicht mehr das Nischenprodukt, das sie lange Zeit war. Dass nachhaltige Mode nach hohen Standards möglich ist, zeigt mittlerweile eine große Zahl an Unternehmen und Geschäften in Deutschland, die das Angebot an grüner Mode seit Jahren vergrößern und massentauglich machen. Die lange Liste der Geschäfte für grüne Mode in Deutschland, die der Greenpeace-Textil-Ratgeber beinhaltet, gibt einen Eindruck davon, wie vielfältig die Szene mittlerweile ist. Und sie kann auch wirtschaftlich erfolgreich sein. Drei Beispiele:
ArmedAngels: Ein nachhaltiges deutsches Modelabel
Das beste Beispiel für ein erfolgreiches Geschäftsmodell mit nachhaltiger Mode ist der große Player ArmedAngels. 2007 gründete der BWL-Student Martin Höfeler sein Start-up und legte zunächst vor allem Wert auf Fairtrade-Baumwolle. Damit aber letztlich die ganze Lieferkette nachhaltig und fair ist, wählt das Kölner Modelabel für seine Kleidung nur Produzenten mit GOTS-Zertifizierung. Seit 2015 ist ArmedAngels darüber hinaus Mitglied der NGO Fair Wear Foundation, die vor allem faire Arbeitsbedingungen in der Textilproduktion im Blick hat und die Produktionsabläufe und die Einhaltung von Sozialstandards überwacht. In elf Staaten in Südostasien, Südosteuropa und Afrika ist die Organisation im Einsatz.
Die Preise liegen im Bereich gängiger Markenkleidung: Für ein Motiv-Shirt zahlen ArmedAngels-Kunden mindestens 25 Euro, Jeans gibt es ab 89 Euro, Kleider für 59 Euro. Mittlerweile kommt das Label auf vier feste Kollektionen im Jahr. Hinzu kommen immer wieder Specials. Dadurch bietet ArmedAngels seinen Kunden eine große Auswahl an Kleidungsstücken und Designs. Wer sich durch den Online-Shop klickt, findet eine vergleichbar große Auswahl wie etwa bei Esprit oder Vero Moda. „Wir zeigen, dass sich Nachhaltigkeit und gutes Design nicht ausschließen“, sagt Höfeler. „Nachhaltigkeit ist ein Mehrwert, aber nicht der eigentliche Kaufgrund.“
Nichtsdestotrotz sei das Bewusstsein für nachhaltig und fair produzierte Mode in den vergangenen Jahren gewachsen. „Das sehen wir nicht nur an unseren Verkaufszahlen und der Nachfrage des Handels. Auch die Anzahl der Fair-Fashion-Labels steigt – und das weltweit“, so der ArmedAngels-Gründer. „Unser Sortiment hat sich in den letzten zehn Jahren von ‚nur T-Shirts‘ zu vier Vollkollektionen im Jahr entwickelt.“
Und dieses Sortiment kommt scheinbar an. In Deutschland führen Häuser wie P&C, Ludwig Beck, Breuninger, About You und Zalando die ArmedAngels-Mode. Und das Label verkauft inzwischen nicht mehr nur in Deutschland: In 14 Ländern werden Shirts, Pullis und Jeans der Kölner angeboten. „Wir sind mittlerweile an 1000 Points of Sale auf der ganzen Welt vertreten. Mehr als 600 davon in Deutschland. Das freut uns, vor allem weil der Anteil an Eco & Fair produzierter Kleidung größer wird. Genau das ist unser Antrieb“, erzählt Höfeler.
Bei den Gewinnen hält sich das Unternehmen, das über 80 Mitarbeiter beschäftigt, bedeckt - es gibt aber Wachstumszahlen von circa 40 Prozent pro Jahr und 24 Millionen Euro Umsatz in 2016 an.
Glore: Ein Händler für nachhaltige Mode
Bei grüner und fairer Mode käme niemand an dem Kölner Label vorbei, sagt Bernd Hausmann. „Wer in diesem Markt erfolgreich sein will, braucht unter anderem ArmedAngels im Angebot.“ Er gründete bereits vor elf Jahren die Glore Handels GmbH, die in ihren derzeit sieben Geschäften und im Online-Shop ausschließlich ökologische und faire Kleidung anbietet.
Glore steht für „globally responsible fashion“. Auch dort ist der GOTS-Standard Grundvoraussetzung: „Alles, was wir kaufen, muss diesen Standards haben – es sei denn, es handelt sich um recycelte Fasern, denn die sind im GOTS-Standard noch nicht berücksichtigt“, erklärt Hausmann.
Für soziale Standards zieht Glore die „Fair Wear Foundation“ heran. Viele Kleidungsstücke im Glore-Angebot werden in Deutschland, Portugal oder der Türkei produziert. Die Jeans kommen beispielsweise aus Italien. Allerdings kommen Shirts, Kleider und Co. auch aus Ländern wie Bangladesch oder China. „Uns ist grundsätzlich egal, wo es hergestellt wurde. Uns geht es um das wie“, sagt Hausmann. „Bei ferneren Ländern schauen wir dann eben genauer auf die Transparenz der Produktion.“
Bei Bio- oder Marken-Jeans ist der Preis ähnlich
Der Erfolg von nachhaltiger Mode hängt für Hausmann entscheidend von der Mode ab: „Es nehmen vor allem Kunden zu, die einfach mal eine Bio-Jeans kaufen, weil sie sie in erster Linie schön finden und ihnen im zweiten Schritt auch die Nachhaltigkeits-Idee gefällt“, sagt Hausmann. Natürlich sei nachhaltige Mode teurer als bei den Billigheimern H&M, Zara und Primark – das sei aber nicht der richtige Vergleich. „Wenn ich nicht bei den Filialisten einkaufe, sondern Markenkleidung schätze, dann liege ich bei nachhaltiger Mode im gleichen Preisbereich wie etwa bei einer Levi’s-Jeans“, sagt Hausmann. Im Gore-Angebot finden sich Jeans unter 100 Euro. Blanko-T-Shirts gibt es ab zehn, Motiv-Shirts für rund 30 Euro.
Wie bei ArmedAngels funktioniert auch bei Glore das Geschäftsmodell faire Kleidung: Der Umsatz steigt kontinuierlich und liegt laut Hausmann im mittleren Millionenbereich. Das Ladengeschäft liefe im Branchenvergleich ziemlich gut, der Online-Verkauf sei eher schleppend – das sei aber nicht ungewöhnlich, kommentiert Hausmann.
Mit rund 30 Vollzeit-Mitarbeitern stemmt Hausmann sein Geschäft. Und Glore soll weiter wachsen. Bis Ende 2019 sollen vier weitere Filialen in Deutschland hinzukommen. Das nächste Ziel: den europäischen Markt zu erobern.
Manomama: Nachhaltige Mode, in Deutschland produziert
Auch beim Label Manomama aus Augsburg sind die Produkte fair und öko – doch Gründerin Sina Trinkwalder geht noch einen Schritt weiter. Produziert wird nicht in Asien und Co, sondern mitten in Augsburg. Alle Kleider und Taschen werden aus regionalen Rohstoffen produziert. Dazu gehört das Leder des Gerbers aus der Region oder Landmerino-Schurwolle direkt aus Augsburg.
Nur ein Rohstoff kommt aus dem Ausland: die ökologisch zertifizierte Baumwolle.
Manomama verkauft seine Mode online, über einen Fabrikverkauf und im eigenen Geschäft in der Augsburger Innenstadt. Eine Jeans gibt es bei Manomama im Online-Shop für rund 100 Euro. T-Shirts für Männer gibt es ab 25, für Frauen für 35 Euro.
Trinkwalder ist mehr Visionärin als Geschäftsfrau. Sie glaubt, dass eine Gesellschaft besser ist, wenn sie weniger Wert auf Geld und Statussymbole legt. So führt sie ihr Geschäft. Deshalb zahle sie sich selbst auch kein höheres Gehalt aus als ihre Arbeiter bekommen: Zehn Euro gibt es die Stunde. Für ihren Erfolg braucht Trinkwalder kein Wachstum oder Gewinn, sagt sie, sondern lediglich die schwarze Null im Geschäftsbericht.
Für Modeunternehmen wie H&M und Co. ist Trinkwalders Haltung natürlich undenkbar, aber trotz allem zeigt Manomama, dass bezahlbare Kleidung sogar aus nachhaltiger deutscher Produktion möglich ist, wenn wohl auch ohne hohe Marge. Das Geschäft läuft: Angefangen hat Trinkwalder 2010 mit drei Mitarbeitern. Aktuell sind es 130 Mitarbeiter - alle in unbefristeter Festanstellung. Eine Anfrage von Zalando, die Manomama-Mode dort anzubieten, lehnte Trinkwalder eigenen Angaben zufolge ab - aus Prinzip.
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